Die Boys kommen, aber die Girls?
Aktion Das Angebot für Mädchen ist im Landkreis Dillingen groß. Doch die Nachfrage ist heuer zum Teil auffallend gering
Auszubildende werden händeringend gesucht. Eine Möglichkeit, junge Menschen für den eigenen Betrieb zu gewinnen, sind der Girls’ und der Boys’ Day, die am Donnerstag stattfanden. Doch dieses Jahr ist etwas anders. „Es nehmen auffällig wenige Mädchen teil“, findet Inge Großkopf. Selbst bei sehr beliebten Arbeitgebern wie Airbus in Donauwörth seien kürzlich noch einige Plätze für den Schnuppertag freigewesen. „Das ist Wahnsinn“, findet die Sprecherin der Agentur für Arbeit in Donauwörth, die auch den Kreis Dillingen betreut. Im vergangenen Jahr sei die Nachfrage nach Angeboten größer gewesen, dagegen waren weniger Firmen dabei. Dieses Jahr hätten einige Unternehmen sogar Anzeigen geschaltet. Ob seitens der Schulen oder der Mädchen weniger Interesse besteht, weiß sie nicht. An der Datenschutzgrundverordnung könnte es nicht liegen. Die Auflagen für den Datenschutz seien immer schon sehr hoch gewesen.
Eine Idee, Schüler in eine Firma zu locken, könnte sein, dass die Eltern ihre Kinder an dem Tag mitnehmen – und sie vielleicht so für einen Beruf begeistern. Aber auch die Unternehmen müssten handeln. „Wenn sie merken, dass sie ihre Plätze nicht vollkriegen, dann könnten sie an die Schulen am Ort gehen und werben – man kennt sich doch.“Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels empfiehlt Großkopf den Chefs, unbedingt zu handeln. „Es ist unglaublich, wie viele freie Stellen es gibt, und wie groß die Auswahl ist. Wer nicht attraktiv genug für Bewerber ist, muss etwas tun. Und jeder Beruf hat etwas Attraktives. Das muss man darstellen.“Schon ab der fünften Klasse können Schüler am Girls’ oder Boys’ Day teilnehmen. Man könnte also Hunderte von Schülern aus dem ganzen Landkreis in die Betriebe oder Behörden locken.
Doch in Glött sieht es ganz anders aus: Alexander Heidel von der Fritz Heidel GmbH bot drei Plätze für Mädchen an. Er sucht künftige Rohrleitungsbauerinnen. Doch er hat in diesem Jahr keine einzige Bewerberin. „Es lief schon besser“, sagt Alexander Heidel enttäuscht. Man habe es über alle möglichen Kanäle versucht und will auch nächstes Jahr wieder mitmachen. Aber warum hat es dann nicht geklappt? „Das liegt an der Aschbergschule“, vermutet der Geschäftsführer. Dort wurde, wie in vielen anderen Schule auch, mit Flyern und Postern auf den Girls’ und den Boys’ Day hingewiesen, erklärt Rektor Stephan Wolk. Doch erstens seien auf seiner Schule zu 75 Prozent Jungs und außerdem absolvieren ausgerechnet in dieser Woche die Schüler der 8. Klassen ein einwöchiges Berufspraktikum. Die älteren Jahrgänge hätten schon eine Lehrstelle oder ein genaues Ziel vor Augen. Da sei das Interesse nicht so groß. „Girls’ und Boys’ Day haben schon viel verändert“, sagt Wolk. Ehemalige Schülerinnen würden als Lackiererinnen arbeiten, ein paar Jungs hätten in Pflegeberufen angefangen. Der Rektor findet Praktika, die eine Woche lang dauern, sinnvoll. In der achten Klasse gebe es inzwischen drei solcher Praktika. Die Schüler würden dabei wesentlich mehr sehen. Dennoch hätte der Girls’ Day seine Berechtigung und eine Handvoll Schüler habe am Donnerstag auch daran teilgenommen.
Bei der Firma Josef Gartner in Gundelfingen erfahren jedes Jahr etwa 18 Mädchen, was eine Technische Systemplanerin oder eine Konstruktionsmechanikerin tun. Insgesamt 13 Schulen schreibt die Firma immer an. „Manche sind sehr aktiv, etwa die Realschule Wertingen. Von vielen Schulen kommt aber überhaupt keine Rückmeldung“, sagt Stöckle, die sich in dem Unternehmen um die Veranstaltung kümmert. Sechs Schulen sind dieses Jahr dabei – von einer allein kommen zehn Mädchen. Der Aufwand für den einen Tag sei groß, es gibt Zertifikate, Geschenke, in der Werkstatt müssen Fachleute aufpassen – „aber wir konnten über so einen Tag schon künftige Azubis gewinnen – und das ist letztlich das Ziel“. Auch der Girls’ Day bei der Dillinger Polizei und bei der Bundeswehr sind beliebt.
An der erwähnten Wertinger Realschule ist der Girls’ Day institutionalisiert. So können jedes Jahr zum Schulanfang mehrere Schülerinnen der siebten bis neunten Klassen an der Girls Day Akademie im Haus teilnehmen. „Sie beschäftigen sich ein Jahr über speziell mit Männerberufen, etwa bei Airbus in Donauwörth oder der Firma SGL in Meitingen. Manchmal drehen sie Filme und sprechen direkt mit Personalchefs“, erzählt Cornelius Brandelik von der Schulleitung.
Das Angebot für Jungs ist im Landkreis Dillingen wesentlich kleiner, die meisten Plätze waren schnell ausgebucht. Außer im Haus Egautal in Wittislingen. Das Seniorenheim wurde Ende 2017 eröffnet. Heuer nahm die Einrichtung zum ersten Mal am Boys’ Day teil. Vier Jungs waren am Donnerstag da, sechs weitere Plätze wären noch frei gewesen. „Wir haben in der Wittislinger Schule, zu der wir ohnehin einen guten Draht haben und in den Mittel- und Realschulen in Lauingen und Dillingen geworben“, erzählt Ingrid Fuchslocher von der Hauswirtschaftsleitung. Allerdings fänden inzwischen viele sogenannte soziale Praktika statt, die drei bis fünf Tage dauern. „Das fördern die Mittel- und Realschulen sehr, und wir haben sehr viele Anfragen dafür, auch von Jungs“, erzählt sie. Sie hält die Praktika für sinnvoller als den Boys’ Day, weil mehr haften bleibe. Die Jungs schreiben einen Bericht und im Gegenzug füllt sie einen Fragebogen über die Schüler aus, wie pünktlich oder höflich sie waren. Pflege, Betreuung, Hauswirtschaft und Haustechnik gehören dazu. „Natürlich ist es ein Aufwand, aber wir brauchen ja den Nachwuchs. Und ich denke, es geht viel über die persönliche Schiene. Wem es gefällt, der kommt wieder.“Ingrid Fuchslocher ist von diesen Praktika begeistert. Die jungen Leute hätten Ideen, gingen unbedarft auf die Bewohner zu und fragen vieLisa les nach. Das sei für die älteren Bewohner eine Aufforderung, sich zu erinnern. Sie würden dann etwa anfangen zu überlegen, wen aus dem Heimatort des Praktikanten sie kennen. „Das ist toll. Es belebt den Alltag und spricht für solche Praktika und Aktionen.“Künftig soll es sogar Ferienjobs geben. 13 Schülerinnen und Schüler waren am Donnerstag an der Höchstädter Berufsschule und lernten dort den Fachbereich Ernährung und Versorgung kennen. Nach mehreren Jahren Pause entschloss sich Margit Storr, wieder so einen Tag zu initiieren, aber gemischt, für beide Geschlechter. Die Teilnehmer seien erstaunt, welche Möglichkeiten es in dem Bereich gibt. „Ernährung ist mehr als ein Kochtopf und ein Schneebesen. Nach drei Jahren bei uns und dem Abschluss als Assistent für Ernährung und Versorgung kann man studieren und Diätassistent werden oder Betriebswirt“, betont die Fachbetreuerin. Die Möglichkeit, zu studieren, mache die Ausbildung attraktiv. Ein Junge war dabei, der vielleicht Koch werden will. Auch er könnte sich vorstellen, vorher die Berufsschule zu besuchen. (Weitere Berichte über den Girls’ Day folgen).
An der Wertinger Realschule ist der Tag institutionalisiert