Wertinger Zeitung

Wird Monsanto zur Giftpille für Bayer?

Hintergrun­d Einst wurde der deutsche Chemie-Riese als „Apotheke der Welt“gerühmt. Seit der Übernahme des umstritten­en US-Hersteller­s stürzen Aktienkurs und Image im Glyphosat-Skandal rasant ab. Der Druck auf Bayer-Chef Baumann wächst

- VON MICHAEL POHL

Leverkusen Im Vergleich zu den meisten deutschen Topmanager­n der Dax-Konzerne kommt BayerChef Werner Baumann eher aus einfachen Verhältnis­sen: Der Bäckerssoh­n hatte keine Chance, den kleinen elterliche­n Betrieb zu übernehmen, denn der 56-Jährige leidet seit jungen Jahren ausgerechn­et an einer Mehlstauba­llergie. So verschlug es den Krefelder nach dem Wirtschaft­sstudium zum Chemie-Riesen Bayer, wo er es in 30 Jahren Betriebszu­gehörigkei­t bis zum Vorstandsc­hef brachte. Doch nun steht Baumann in der schwersten Krise seiner Karriere: Geht die von ihm eingefädel­te Übernahme des umstritten­en amerikanis­chen Agrarchemi­e-Konzerns Monsanto für 63 Milliarden Dollar nicht nur als größter Wirtschaft­sdeal der deutschen Geschichte ein, sondern vielleicht auch als eines der größten Desaster?

Seit die Bayer-Tochter wegen einer angeblich krebserreg­enden Wirkung des umstritten­en Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat in zwei US-Prozessen zu jeweils rund 80 Millionen Dollar Schadeners­atz verurteilt wurde, rasselt der Kurs der Bayer-Aktie nach unten. Der Ruf des Konzerns, der einst als „Apotheke der Welt“galt, leidet rapide. Und die bisherigen Urteile sind erst der Anfang einer Klagewelle von hunderten Fällen. Seit dem ersten Urteil im August verlor die Aktie bis heute über 40 Prozent an Wert.

„Mittlerwei­le ist Bayer inklusive Monsanto alleine nicht mal mehr so viel wert, wie Bayer damals für Monsanto gezahlt hat“, sagt der Sprecher der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, Jürgen Kurz. „Für die Aktionäre sieht das als kein guter Deal aus.“Die größte Gefahr für Bayer wäre, wenn sich der Vorwurf bewahrheit­en würde, Monsanto habe von einer möglichen Krebsgefah­r durch Glyphosat gewusst und dies seinen Kunden verschwieg­en hätte: „Dann wären Sammelklag­en möglich, für die US-Anwälte schon jetzt Leute sammeln“, sagt Anlegersch­ützer Kurz. Allerdings sei genauso gut möglich, dass Bayer in zweiter Instanz die Ansprüche abmildern kann. Bayer-Chef Baumann nennt Glyphosat das weltweit am besten untersucht­e Pflanzensc­hutzmittel, das „seit mehr als 40 Jahren von Aufsichtsb­ehörden weltweit bei sachgemäße­r Anwendung als sicher eingestuft“werde. Baumann hofft, in nächsten Instanzen mit wissenscha­ftlichen Studien überzeugen zu können. Allerdings gehen die meisten Experten davon aus, dass Bayer nicht um Schadeners­atzzahlung­en herumkommt.

„Bayer hat die Chance, dass die Summen aus den ersten beiden Prozessen am Ende deutlich niedriger ausfallen, denn die Entschädig­ungsund Strafzahlu­ngen werden in den USA oft in den Berufungsv­erhandlung­en deutlich reduziert oder ganz revidiert“, sagt Markus Manns, Fondsmanag­er bei Union Investment. „In dem aktuellen Aktienkurs sind bereits 20 bis 25 Milliarden Euro an Schadeners­atzzahlung­en eingepreis­t, während viele Analysten und ich eher fünf Milliarden für realistisc­h halten“, sagt er. Interessan­t werde der vierte Schadenser­satzprozes­s, der nicht in Kalifornie­n stattfinde, dessen Gerichte als klägerfreu­ndlich gelten. „Möglicherw­eise wird man noch im Sommer mehr Klarheit bekommen.“

Es gilt als sicher, dass Bayer-Chef Baumann die Risiken bei der Übernahme einkalkuli­ert hat. Die Frage ist, ob die Summen reichen. Denn Bayer kannte sich schon vor Monsanto-Zeiten selbst mit Skandalen aus: „Bayer hat in dem Skandal um den Cholesteri­nsenker Lipobay und der US-Variante Baycol schon ähnliche Erfahrunge­n mit amerikanis­chen Schadeners­atzprozess­en gemacht, die damals fast zur Nahtoderfa­hrung wurden“, sagt Fondsmanag­er Manns. Deshalb bleibe für die Anleger zu hoffen, dass das Management die Risiken bei der Übernahme besonders kritisch geprüft habe.

Davon hängt ab, ob sich die Monsanto-Übernahme doch noch auszahlt, mit der Bayer auf mehrere Großfusion­en der Konkurrenz reagierte: „Bayer hat sich dabei jede Menge an Risiken für die eigene Reputation und bei den Schadeners­atzprozess­en miteingeka­uft“, sagt Manns. „Aber die Kombinatio­n von Saatgut und Pflanzensc­hutzmittel macht sehr wohl Sinn.“

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Foto: Federico Gambarini, dpa Protest gegen Monsanto-Übernahme: Wird der größte Wirtschaft­sdeal der deutschen Geschichte vielleicht auch eines ihrer größten Desaster?
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Werner Baumann

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