Wird Monsanto zur Giftpille für Bayer?
Hintergrund Einst wurde der deutsche Chemie-Riese als „Apotheke der Welt“gerühmt. Seit der Übernahme des umstrittenen US-Herstellers stürzen Aktienkurs und Image im Glyphosat-Skandal rasant ab. Der Druck auf Bayer-Chef Baumann wächst
Leverkusen Im Vergleich zu den meisten deutschen Topmanagern der Dax-Konzerne kommt BayerChef Werner Baumann eher aus einfachen Verhältnissen: Der Bäckerssohn hatte keine Chance, den kleinen elterlichen Betrieb zu übernehmen, denn der 56-Jährige leidet seit jungen Jahren ausgerechnet an einer Mehlstauballergie. So verschlug es den Krefelder nach dem Wirtschaftsstudium zum Chemie-Riesen Bayer, wo er es in 30 Jahren Betriebszugehörigkeit bis zum Vorstandschef brachte. Doch nun steht Baumann in der schwersten Krise seiner Karriere: Geht die von ihm eingefädelte Übernahme des umstrittenen amerikanischen Agrarchemie-Konzerns Monsanto für 63 Milliarden Dollar nicht nur als größter Wirtschaftsdeal der deutschen Geschichte ein, sondern vielleicht auch als eines der größten Desaster?
Seit die Bayer-Tochter wegen einer angeblich krebserregenden Wirkung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in zwei US-Prozessen zu jeweils rund 80 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt wurde, rasselt der Kurs der Bayer-Aktie nach unten. Der Ruf des Konzerns, der einst als „Apotheke der Welt“galt, leidet rapide. Und die bisherigen Urteile sind erst der Anfang einer Klagewelle von hunderten Fällen. Seit dem ersten Urteil im August verlor die Aktie bis heute über 40 Prozent an Wert.
„Mittlerweile ist Bayer inklusive Monsanto alleine nicht mal mehr so viel wert, wie Bayer damals für Monsanto gezahlt hat“, sagt der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Jürgen Kurz. „Für die Aktionäre sieht das als kein guter Deal aus.“Die größte Gefahr für Bayer wäre, wenn sich der Vorwurf bewahrheiten würde, Monsanto habe von einer möglichen Krebsgefahr durch Glyphosat gewusst und dies seinen Kunden verschwiegen hätte: „Dann wären Sammelklagen möglich, für die US-Anwälte schon jetzt Leute sammeln“, sagt Anlegerschützer Kurz. Allerdings sei genauso gut möglich, dass Bayer in zweiter Instanz die Ansprüche abmildern kann. Bayer-Chef Baumann nennt Glyphosat das weltweit am besten untersuchte Pflanzenschutzmittel, das „seit mehr als 40 Jahren von Aufsichtsbehörden weltweit bei sachgemäßer Anwendung als sicher eingestuft“werde. Baumann hofft, in nächsten Instanzen mit wissenschaftlichen Studien überzeugen zu können. Allerdings gehen die meisten Experten davon aus, dass Bayer nicht um Schadenersatzzahlungen herumkommt.
„Bayer hat die Chance, dass die Summen aus den ersten beiden Prozessen am Ende deutlich niedriger ausfallen, denn die Entschädigungsund Strafzahlungen werden in den USA oft in den Berufungsverhandlungen deutlich reduziert oder ganz revidiert“, sagt Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment. „In dem aktuellen Aktienkurs sind bereits 20 bis 25 Milliarden Euro an Schadenersatzzahlungen eingepreist, während viele Analysten und ich eher fünf Milliarden für realistisch halten“, sagt er. Interessant werde der vierte Schadensersatzprozess, der nicht in Kalifornien stattfinde, dessen Gerichte als klägerfreundlich gelten. „Möglicherweise wird man noch im Sommer mehr Klarheit bekommen.“
Es gilt als sicher, dass Bayer-Chef Baumann die Risiken bei der Übernahme einkalkuliert hat. Die Frage ist, ob die Summen reichen. Denn Bayer kannte sich schon vor Monsanto-Zeiten selbst mit Skandalen aus: „Bayer hat in dem Skandal um den Cholesterinsenker Lipobay und der US-Variante Baycol schon ähnliche Erfahrungen mit amerikanischen Schadenersatzprozessen gemacht, die damals fast zur Nahtoderfahrung wurden“, sagt Fondsmanager Manns. Deshalb bleibe für die Anleger zu hoffen, dass das Management die Risiken bei der Übernahme besonders kritisch geprüft habe.
Davon hängt ab, ob sich die Monsanto-Übernahme doch noch auszahlt, mit der Bayer auf mehrere Großfusionen der Konkurrenz reagierte: „Bayer hat sich dabei jede Menge an Risiken für die eigene Reputation und bei den Schadenersatzprozessen miteingekauft“, sagt Manns. „Aber die Kombination von Saatgut und Pflanzenschutzmittel macht sehr wohl Sinn.“