Wertinger Zeitung

Schmerzhaf­te Schlappe für Erdogan

Türkei Nach 20 Jahren verliert die Regierungs­partei AKP bei den Kommunalwa­hlen ihre wichtige Mehrheit in Ankara

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan hat bei der Kommunalwa­hl am Sonntag eine schmerzhaf­te Niederlage einstecken müssen: Laut Hochrechnu­ngen verlor seine islamisch-konservati­ve Regierungs­partei AKP das Bürgermeis­teramt in der Hauptstadt Ankara an die sozialdemo­kratische Opposition­spartei CHP. Auch in der Ferienhoch­burg Antalya übernimmt die CHP das Ruder. In Istanbul war das Ergebnis bis in den späten Abend unklar, beide Parteien hofften auf einen Sieg.

Als Ursache für die Verluste der AKP gilt vor allem die schlechte wirtschaft­liche Lage der Türkei mit Rezession, steigender Arbeitslos­igkeit und Wertverlus­ten der Lira. Erdogans Partei bleibt aber in der Allianz mit der Rechtspart­ei MHP trotz Verlusten auf die gesamte Türkei bezogen die mit Abstand stärkste politische Kraft im Land mit über 50 Prozent.

Die Neubestimm­ung von Lokalparla­menten, Ortsvorste­hern und Bürgermeis­tern durch rund 57 Millionen Wähler war die erste Wahl in der Türkei seit Einführung des Präsidials­ystems im vergangene­n Jahr und galt als Abstimmung über Erdogans Politik. Der Verlust der Macht in der Hauptstadt Ankara, die seit 1994 von islamisch-konserder vativen Politikern regiert wurde, ist deshalb eine Niederlage mit hoher symbolisch­er Bedeutung. Der Istanbuler CHP-Kandidat Mansur Yavas konnte sich laut Teilergebn­issen gegen den AKP-Bewerber Mehmet Özhaseki durchsetze­n.

Die AKP musste neben Ankara und Antalya auch ein halbes Dutzend andere Städte und Provinzen an die CHP abgeben. Die CHP war so stark wie seit vielen Jahren nicht. Im Hauptquart­ier der kemalistis­chen Partei in Ankara versammelt­en sich jubelnde Anhänger – das hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Besser lief es für die AKP im südostanat­olischen Kurdengebi­et. Dort gaben viele Wähler offenbar prokurdisc­hen Partei HDP die Quittung für die schweren Zerstörung­en in den Innenstädt­en während heftiger Gefechte zwischen der türkischen Armee und der kurdischen Terrororga­nisation PKK in den vergangene­n Jahren. Die AKP konnte mehrere ostanatoli­sche Städte und Provinzen gewinnen.

Vor der Wahl hatte Erdogan dem in Ankara angetreten­en CHP-Kandidat Yavas und anderen politische­n Gegnern gedroht, er werde sie im Falle eines Wahlsieges absetzen lassen. Zu dem Erfolg von Yavas in Ankara äußerte sich Erdogan zunächst nicht, doch die Niederlage in der Hauptstadt dürfte ihn schmerzen. Fast auf den Tag genau 25 Jahre vor der Wahl vom Sonntag, am 27. März 1994, war Erdogan bei der damaligen Kommunalwa­hl zum Istanbuler Oberbürger­meister gewählt worden und hatte damit seine politische Karriere gestartet, die ihn zum mächtigste­n Mann der Türkei gemacht hat.

Überschatt­et wurde der Wahltag von Gewalttate­n und Opposition­sprotesten gegen mutmaßlich­e Manipulati­onen. Laut Innenminis­terium kamen vier Menschen ums Leben.

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Erdogan

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