Schmerzhafte Schlappe für Erdogan
Türkei Nach 20 Jahren verliert die Regierungspartei AKP bei den Kommunalwahlen ihre wichtige Mehrheit in Ankara
Istanbul Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat bei der Kommunalwahl am Sonntag eine schmerzhafte Niederlage einstecken müssen: Laut Hochrechnungen verlor seine islamisch-konservative Regierungspartei AKP das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt Ankara an die sozialdemokratische Oppositionspartei CHP. Auch in der Ferienhochburg Antalya übernimmt die CHP das Ruder. In Istanbul war das Ergebnis bis in den späten Abend unklar, beide Parteien hofften auf einen Sieg.
Als Ursache für die Verluste der AKP gilt vor allem die schlechte wirtschaftliche Lage der Türkei mit Rezession, steigender Arbeitslosigkeit und Wertverlusten der Lira. Erdogans Partei bleibt aber in der Allianz mit der Rechtspartei MHP trotz Verlusten auf die gesamte Türkei bezogen die mit Abstand stärkste politische Kraft im Land mit über 50 Prozent.
Die Neubestimmung von Lokalparlamenten, Ortsvorstehern und Bürgermeistern durch rund 57 Millionen Wähler war die erste Wahl in der Türkei seit Einführung des Präsidialsystems im vergangenen Jahr und galt als Abstimmung über Erdogans Politik. Der Verlust der Macht in der Hauptstadt Ankara, die seit 1994 von islamisch-konserder vativen Politikern regiert wurde, ist deshalb eine Niederlage mit hoher symbolischer Bedeutung. Der Istanbuler CHP-Kandidat Mansur Yavas konnte sich laut Teilergebnissen gegen den AKP-Bewerber Mehmet Özhaseki durchsetzen.
Die AKP musste neben Ankara und Antalya auch ein halbes Dutzend andere Städte und Provinzen an die CHP abgeben. Die CHP war so stark wie seit vielen Jahren nicht. Im Hauptquartier der kemalistischen Partei in Ankara versammelten sich jubelnde Anhänger – das hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Besser lief es für die AKP im südostanatolischen Kurdengebiet. Dort gaben viele Wähler offenbar prokurdischen Partei HDP die Quittung für die schweren Zerstörungen in den Innenstädten während heftiger Gefechte zwischen der türkischen Armee und der kurdischen Terrororganisation PKK in den vergangenen Jahren. Die AKP konnte mehrere ostanatolische Städte und Provinzen gewinnen.
Vor der Wahl hatte Erdogan dem in Ankara angetretenen CHP-Kandidat Yavas und anderen politischen Gegnern gedroht, er werde sie im Falle eines Wahlsieges absetzen lassen. Zu dem Erfolg von Yavas in Ankara äußerte sich Erdogan zunächst nicht, doch die Niederlage in der Hauptstadt dürfte ihn schmerzen. Fast auf den Tag genau 25 Jahre vor der Wahl vom Sonntag, am 27. März 1994, war Erdogan bei der damaligen Kommunalwahl zum Istanbuler Oberbürgermeister gewählt worden und hatte damit seine politische Karriere gestartet, die ihn zum mächtigsten Mann der Türkei gemacht hat.
Überschattet wurde der Wahltag von Gewalttaten und Oppositionsprotesten gegen mutmaßliche Manipulationen. Laut Innenministerium kamen vier Menschen ums Leben.