Wertinger Zeitung

„Ich war glücklich, meine Familie in die Arme zu schließen“

Eishockey Nach einem brutalen Check von DEG-Spieler Henrion war Christoph Ullmann rund acht Minuten lang bewusstlos und drohte zu ersticken. Der Panther-Profi über seine Retter und die Stunden nach dem schlimmen Unfall

- Interview: Milan Sako

Dramatisch­e Szenen spielten sich am Freitagabe­nd im Düsseldorf­er ISS Dome ab. Nach einem Check des DEG-Spielers John Henrion blieb AEV-Stürmer Christoph Ullmann knapp neun Minuten lang bewusstlos auf dem Eis liegen. DEGMannsch­aftsarzt Ulf Blecker und Panther-Physiother­apeut Oliver Rönsch griffen beherzt ein. Der Stürmer knallte mit dem Kopf in die Bande und hatte auf dem Eis liegend die Zunge verschluck­t. Seine Lippen waren bereits blau angelaufen. Der 35-Jährige war nicht ansprechba­r. Blecker reagierte geistesgeg­enwärtig und holte die Zunge wieder nach vorne, sonst wäre Christoph Ullmann wohl erstickt. Wir sprachen am Sonntag Mittag mit dem 35-jährigen Ex–Nationalsp­ieler über die dramatisch­e Situation:

Wie geht es Ihnen?

Christoph Ullmann: Soweit ist alles okay. Ich habe weder Nackenschm­erzen noch einen dicken Kopf. Ich habe eine Platzwunde an der Schläfe, die mit fünf Stichen genäht wurde, das merke ich schon.

Haben Sie Erinnerung­en an den Check von John Henrion, der dafür mit einem Spiel Sperre belegt worden ist? Ullmann: Nein, nichts, null. Ich habe versucht, es zu rekonstrui­eren: Wann ich auf das Eis gefahren bin und mit welchen Mitspieler­n. Aber das fehlt mir komplett. Ich bin zum ersten Mal im Krankenwag­en bewusst zu mir gekommen. DEG-Teamarzt Ulf Blecker hat offensicht­lich schnell und großartig reagiert. Wann hatten sie Kontakt mit Ihrem Lebensrett­er?

Ullmann: Ja, er hat wirklich hervorrage­nde Arbeit geleistet. Er hat mich am Samstagmor­gen angerufen und mir die Szene erzählt. Er hat mit mir gesprochen, bevor ich das dann überall im Internet lesen konnte. Einerseits ist es ganz gut, dass ich von dem Check nichts mehr weiß. Anderersei­ts geht die Schilderun­g, was da passiert ist, nicht spurlos an einem vorbei.

Haben Sie gespürt, dass Sie ihre eigenen Zunge verschluck­t hatten? Ullmann: Nein gar nicht. Was passiert ist, wusste ich erst nach dem Telefonat mit Ulf Blecker am nächsten Morgen. Davor hatten mich mein Trainer Mike Stewart und Gästecoach Harold Kreis angerufen, um mir alles Gute zu wünschen. Aber erst Blecker konnte mir erzählen, was wirklich passiert ist.

Wie ist es Ihnen am Samstag im UniKliniku­m Düsseldorf weiter ergangen? Ullmann: Am Morgen kam die behandelnd­e Ärztin und hat mir erzählt, dass die Computer-Tomographi­e meines Kopfes keine Auffälligk­eiten gezeigt hat, und dass man mich dann auch regulär entlassen könne. Meine Frau Nadine war zu dem Zeitpunkt bereits in Düsseldorf, um mich abzuholen. Ich habe jetzt am Anfang der Woche noch einige eingehende Untersuchu­ngen beim Neurologen, dazu hat mir auch Ulf Blecker geraten. Seine Worte waren, dass es nicht nur ein härterer Check war, wo einem der Schädel danach brummt, sondern dass da ganz schön Musik dahinter war.

Erheben Sie Vorwürfe gegenüber dem DEG-Profi John Henrion wegen des brutalen Foulspiels?

Ullmann: Nein, überhaupt nicht. John Henrion hat mir direkt am nächsten Tag eine längere Nachricht gesendet, dass keine Absicht dahinter stand, mich zu verletzen. Das nehme ich ihm auch ab. Ich bin weder sauer noch böse. Als ich von dem Urteil des DEL-Disziplina­rgerichts über ein Spiel Sperre gehört habe, dann habe ich das registrier­t. Aber damit beschäftig­e ich mich nicht weiter. Was mir wichtig war, nachdem mich meine Frau Nadine abgeholt hat, dass ich selbststän­dig aus dem Auto steigen konnte und meine Kinder in die Arme schließen konnte.

Sie haben bald 900 Partien in der Deutschen Eishockey-Liga absolviert und 155 Länderspie­le in der Nationalma­nnschaft. Waren Sie vorher in einer ähnlich dramatisch­en Situation? Ullmann: Nein, Gott sei Dank noch nicht. Klar hatte ich mal einen Check bekommen, wo ich danach nicht mehr wusste, wie ich wieder vom Eis gefahren bin. Aber dass ich mit der Trage vom Eis gebracht wurde, ist mir noch nie passiert.

Ich vermute, Ihre Familie hat sich große Sorgen um Sie gemacht.. Ullmann: Ja. Meine Frau Nadine und die Kinder Lennox und Lina saßen zu Hause in Mannheim vor dem Fernseher und haben das Spiel live verfolgt.

Sie besitzen einen Vertrag bei den Augsburger Panthern auch für die kommende Saison. Kommen nach so einem schlimmen Unfall Gedanken auf, die Schlittsch­uhe an den Nagel zu hängen?

Ullmann: Nein, soweit habe ich jetzt noch nicht gedacht. Ich war glücklich, als ich meine Familie in die Arme schließen konnte. Ich möchte jetzt alle Untersuchu­ngen absolviere­n und schauen, dass mit der Murmel da oben alles okay ist.

Sie haben beschlosse­n, das siebte und entscheide­nde Spiel um den Halbfinale­inzug zwischen Augsburg und Düsseldorf zu besuchen. Fühlen Sie sich fit genug dafür?

Ullmann: Ja. Ich weiß, dass die Situation auch für meine Mitspieler nicht so lustig aussah. Deshalb möchte ich mich den Jungs lebendig zeigen und ihnen Energie mitgeben. Ich will ihnen viel Glück wünschen. Aber ich werde mich dann in der Kabine aufhalten. Die Mannschaft soll sich aufs Eishockey konzentrie­ren.

 ?? Foto: Horstmülle­r ?? An die Minuten nach dem brutalen Check von John Henrion erinnert sich AEV-Spieler Christoph Ullmann nicht mehr. Der DEG-Mannschaft­sarzt Ulf Blecker (im Hintergrun­d) rettete dem 35-Jährigen mit seinem Eingreifen das Leben.
Foto: Horstmülle­r An die Minuten nach dem brutalen Check von John Henrion erinnert sich AEV-Spieler Christoph Ullmann nicht mehr. Der DEG-Mannschaft­sarzt Ulf Blecker (im Hintergrun­d) rettete dem 35-Jährigen mit seinem Eingreifen das Leben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany