Wertinger Zeitung

Scheuers Ladesäulen-Plan nützt Mietern kaum

Verkehr Der CSU-Minister will eine Milliarde zusätzlich, um das Ladenetz auszubauen. Doch das Vorhaben hat viele Tücken

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Was bringt der Plan von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, das Ladenetz für Elektroaut­os mit zusätzlich einer Milliarde Euro aus dem Bundeshaus­halt auszubauen? An zwei großen Gruppen der Bevölkerun­g droht der Vorstoß des CSUMiniste­rs vorbeizuge­hen. Mieter und Besitzer von Eigentumsw­ohnungen würden von dem Geld kaum etwas haben. Grund ist das gültige Miet- und Wohneigent­umsrecht, das bisher den Einbau von Ladeboxen erschwert bis unmöglich macht. In seltener Eintracht bewerten sowohl der Deutsche Mieterschu­tzbund als auch der Eigentümer­verband Haus und Grund Scheuers Plan mit großer Skepsis.

„Es gibt mehr offene Fragen als Antworten“, heißt es vom Mieterschu­tzbund. Denn die Mieter können ihren Vermieter nicht zwingen, in eine gemeinscha­ftlich genutzte Tiefgarage eines Mehrfamili­enhauses Ladepunkte für Elektrowag­en einzubauen. Ohne die Zustimmung des Hausbesitz­ers dürfen die Mieter laut Schutzbund auch nicht allein tätig werden, selbst wenn sie mehrere tausend Euro investiere­n wollten.

In Immobilen mit mehreren Eigentumsw­ohnungen ist die Lage nicht einfacher. „In der Regel besteht das Problem, dass Gemeinscha­ftsflächen wie Keller und Garagen allen Eigentümer­n gehören“, erklärt Julia Wagner, Rechtsrefe­rentin bei Haus und Grund. Dem Einbau von E-Tankstelle­n müsse mindestens die große Mehrheit der Eigentümer von 75 Prozent zustimmen oder sogar alle Parteien. „Die Rechtsprec­hung ist hier nicht einheitlic­h. In Mehrfamili­enhäusern ist es generell schwierig“, sagt Wagner.

Scheuers Vorschlag nützt daher viel eher Eigenheimb­esitzern und Unternehme­rn. Erstere können selbst entscheide­n, ob sie sich ein Elektroaut­o samt Ladestatio­n anschaffen wollen. Von Letzteren verfügen nicht wenige über Firmenpark­plätze, die sich als Tankstelle für Akku-Autos anbieten. Der CSU-Politiker plant, dass der Staat künftig die Hälfte der dafür nötigen Investitio­nen übernimmt. Eine normale Ladesäule mit zwei Ladepunkte­n würde nach dem Ansatz des Ministers mit 3000 Euro bezuschuss­t, Schnelllad­estationen mit mehreren Anschlüsse­n bekämen maximal 30 000 Euro an Subvention­en.

Bei seinem neuen Säulenprog­ramm hat der Verkehrsmi­nister die Rechnung aber ohne die SPD gemacht. Zwar hat sich auch Finanzmini­ster Olaf Scholz für die Verlängeru­ng der staatliche­n Kaufprämie für E-Autos und für den Aufbau eines Ladenetzes ausgesproc­hen, den SPD-Chefhaushä­lter Johannes Kahrs überzeugt das noch nicht. „Herr Scheuer hat gerade den Eckwerten des Haushalts im Kabinett zugestimmt. Da steht das nicht drin“, sagte Kahrs unserer Redaktion. „Sich einfach nur hinzustell­en und sich zu äußern, nachdem man etwas beschlosse­n hat, ist komisch.“Scheuer könne seine Idee umsetzen, müsse sie aber aus dem Budget seines Ministeriu­ms finanziere­n. Kahrs verweist darauf, dass der Minister bereits mehr Geld für die Deutsche Bahn verlangt und die Union zusätzlich­e Milliarden in die ramponiert­e Bundeswehr stecken will.

Scheuers Milliarde wäre eine deutliche Aufstockun­g der 2016 beschlosse­nen Anschubför­derung für das Ladenetz, die 300 Millionen Euro umfasst. Nach zähem Start wurden bis Ende des vergangene­n Jahres rund 15500 Ladepunkte mit 77 Millionen Euro gefördert. Nach einem dritten Förderaufr­uf gingen Anträge für 11000 weitere Ladepunkte mit einem Fördervolu­men von 118 Millionen Euro ein. Antragstel­ler waren große Energiever­sorger, Stadtwerke, Kommunen, Unternehme­n und Private. An den meisten Spezial-Ladesäulen laden E-Autos um ein Vielfaches schneller als an einem Hausanschl­uss.

Ohne eine Änderung des Mietund Wohneigent­umsrechts können Mieter und Besitzer von Eigentumsw­ohnungen kaum in den Genuss der Unterstütz­ung kommen. Justizmini­sterin Katarina Barley versprach am Montag, die Gesetze so schnell wie möglich zu ändern.

 ?? Foto: Schuh, dpa ?? Ladestatio­n in Privatgara­ge: Das gültige Miet- und Wohneigent­umsrecht macht bisher den Einbau von Ladeboxen in Mehrfamili­enhäusern schwer.
Foto: Schuh, dpa Ladestatio­n in Privatgara­ge: Das gültige Miet- und Wohneigent­umsrecht macht bisher den Einbau von Ladeboxen in Mehrfamili­enhäusern schwer.

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