Zauberlehrling, Edelfräulein und ein junger Seemann...
Lyrik und Musik Zuhörer erleben einen besondern Abend mit dem Rezitator Gerhard Schmidt und der Gruppe Kurzweyl
Wertingen Goethe hat einmal gesagt, man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen. Darauf wies Iris Wolf, die Leiterin der Gruppe Kurzweyl, hin, als sie gemeinsam mit dem Rezitator Gerhard Schmidt aus Laugna einen Balladen-Abend im Festsaal des Wertinger Schlosses eröffnete. Nach dem Musikstück „ The honey suckle“rezitierte Schmidt von Johann Wolfgang von Goethe zwei Balladen. Zuerst den Zauberlehrling, wo es keck und lebendig zugeht und dann den Erlkönig, in dem die Stimmung ganz anders ist, schmeichelnd und verführerisch ist die Sagengestalt – aber todbringend.
Dann wurden die Besucher mit mittelalterlicher Musik eingestimmt auf die Zeit der Ritter, der Edelfräulein und der Kampfspiele. Schmidt rezitierte mit gelungener Sprachmodulation und gestenreich zunächst den Handschuh von Schiller und dann dessen Bürgschaft. Hier bürgt der Freund von Damos mit seinem Leben für eben diesen; wer wäre von uns dazu bereit?
Eingeleitet, ergänzt und in die entsprechende Stimmung versetzt die jugoslawische Tanzsuite fragte Iris Wolf: Haben Sie schon einmal erlebt, was man heutzutage einen „Flashback“nennt? Man riecht, hört oder sieht etwas, und eine Erinnerungskette fängt an sich aufzubauen. Es dämmert einem nach und nach, was es mit dem Gehörten oder Gesehenen auf sich hat, selbst wenn es schon lange her ist.
Das passiert einem Boten des Königs, der bei Nacht, Regen und Sturm hilfesuchend an ein Tor klopft und zunächst nicht weiß, wo er hingeraten ist. Doch dann sieht er in diesem Haus Dinge – vor allem, als er ins Kaminfeuer schaut – die solch einen Flashback auslösen. Plötzlich weiß er, was in diesem Haus einmal Schreckliches geschehen ist...
Schmidt rezitierte mit Ganzkörpereinsatz die Ballade von Conrad Ferdinand Meyer, in der wir uns im 16. Jahrhundert befinden – zur Zeit der Hugenottenverfolgung. Und etlichen Zuhörern war es, ähnlich dem Boten des Königs, während des Stückes unheimlich zumute.
Die letzte Ballade vor der Pause, ein heiteres Stück von Gotthold E. Lessing mit dem Titel „Der über uns“brachte die Zuhörer, bedingt auch durch die musikalische Hindurch führung, weg von der düsteren Thematik des vorletzten Stückes. Im Musikstück „ In taberna“bewiesen die Akteure von Kurzweyl, dass sie nicht nur hervorragende Musik auf alten Instrumenten zelebrieren können, sondern auch ein ausgezeichnetes Gesangsvermögen besitzen.
Mit Musik aus dem jüdischen Kulturkreis wurde auf Belsazar von Heinrich Heine eingestimmt, die Ballade erzählt vom König von Babylon. Dieser lästert Jehova, den Gott der Juden. Daraufhin geschieht etwas Ungeheuerliches...
Orientalische Melodien leiteten über zu Conrad F. Meyers Ballade „Mit zwei Worten“. Gilbert Becket unternahm eine Wallfahrt ins Morgenland, wurde gefangen genommen und versklavt. Er fürchtete schon, seine Heimat nie wieder zu sehen. Doch dann gab es ein Wunder und er kam doch wieder nach Hause, nach London.
Ein Machtkampf zwischen Kunst und Herrschaft ist das Thema einer Ballade von Ludwig Uhland. Mächtig ist er, der König. Kalt und grausam, und er tötet ohne zu zögern. Doch im Stück „Des Sängers Fluch“ist die Macht der Kunst, der Musik und des Sängers am Ende stärker, als die Macht des Königs.
Voll stimmig und exakt wurde auch hier durch Kurzweyl ein Rahmen um das dramatische Stück gezimmert, ebenso wie um das letzte Stück – einer Ballade von Otto Ernst – hier geht es um den jungen Seemann. „Nis Randers“. Er schaut, wie auch die anderen Menschen, aus seinem Fischerdorf besorgt auf das Meer. Denn das Meer tobt. Es wütet ein Sturm, wie man ihn lange nicht mehr erlebt hat.
Für den lang anhaltenden, kräftigen Beifall der begeisterten Zuhörer bedankten sich die Akteure mit der Ballade: „Das Ei des Columbus“und dem Musikstück „Indian Queen“. Viele Besucher bedanken sich persönlich mit den Worten: „Mit ihrer Musik und ihren Worten haben sie wunderschöne Bilder in uns erzeugt.