Wertinger Zeitung

Hass im Internet: Rentner muss 3000 Euro zahlen

Prozess Ein Rentner aus dem Landkreis beschimpft auf Facebook unter anderem Migranten und die Kirche. Er steht wegen Volksverhe­tzung vor Gericht. Dort ist er geständig – und erklärt, wie er zu seinen Ansichten kam

- VON ANDREAS SCHOPF

Ein 68-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen hetzte im Internet gegen Migranten und die Kirche. Jetzt stand er vor Gericht.

Dillingen Wer regelmäßig auf Facebook und Co. unterwegs ist, weiß, dass die sozialen Medien oft ganz und gar nicht sozial sind. In der Anonymität des Digitalen wird gepöbelt, beschimpft und beleidigt, was das Zeug hält – zum Teil weit über das hinaus, was die geltende Meinungsfr­eiheit deckt. Manches davon versendet sich in den Weiten des Netzes, ist verborgen oder wird wieder gelöscht. Doch hetzerisch­e Kommentare im Internet können auch dazu führen, dass man sich plötzlich auf der Anklageban­k wiederfind­et. Diese Erfahrung machte

Migranten seien „Ratten“, die Kirche ein „Drecksvere­in“

nun ein 68-jähriger Rentner aus dem Landkreis Dillingen. Er musste sich unter anderem wegen Volksverhe­tzung vor dem Dillinger Amtsgerich­t verantwort­en. Gegenstand der Verhandlun­g waren insgesamt zehn Einträge auf seinem öffentlich einsehbare­n FacebookKo­nto. In diesen wetterte der Mann gegen verschiede­ne Personen, Gruppen und Institutio­nen. Opfer seiner digitalen Hass-Tiraden waren unter anderem Migranten, Angela Merkel und die Kirche.

Der 68-Jährige teilte unter anderem einen Artikel über einen mutmaßlich­en IS-Terroriste­n, der sich in einer Gefängnisz­elle erhängt hatte, mit dem Kommentar: „Hätte dem gerne einen schönen Strick ausgesucht.“In anderen Posts bezeichnet­e er Migranten als „schwarze Bimbos“und „Ratten“, die europäisch­e Städte „befallen“würden. Die Polizei forderte er auf, nicht „Fußabstrei­fer des schwarzen Packs“zu sein und Migranten zur Not zu erschießen. Geistliche beschimpft­e der Mann als „Kinderschä­nder“und die Kirche als „Drecksvere­in“. Außerdem teilte er eine Bild-Collage, auf der Angela Merkel in Zusammenha­ng mit Adolf Hitler gebracht wird. Neben Volksverhe­tzung lautete die Anklage auf Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen.

Der 68-Jährige erscheint vor Gericht ohne Anwalt. Da er sich im Rahmen der Ermittlung­en als gezeigte, sind auch keine Zeugen geladen. „Die brauchen Sie nicht“, bestätigt der Angeklagte gegenüber Richterin Gabriele Held. Die angeklagte­n Äußerungen wolle er nicht abstreiten. Auf Nachfrage erklärt er die Hintergrün­de seiner Kommentare. „Ich bin sehr konservati­v erzogen worden“, fängt er an. Er habe das Gefühl, dass hierzuland­e „vieles aus dem Ruder gelaufen“sei, und berichtet von einem Vorfall am Donauwörth­er Bahnhof. Dort hätten Migranten wie „wilde Tiere“auf ihn gewirkt und hätten ihm Angst gemacht. Von der Kirche sei er „schwer enttäuscht“. „Ich kann es nicht vertreten, was die alles verDiese Meinungen habe er auf seinem Facebook-Profil kundgetan. Richterin Held unterbrich­t ihn. „Das Problem ist, dass Sie nicht Ihre Meinung kundgetan haben, sondern Volksverhe­tzung betrieben haben.“Der Angeklagte entschuldi­gt sich. „Ich habe das in diesem Moment nicht so eingeschät­zt. Ich habe es bereut und weiß, dass es falsch war.“Staatsanwä­ltin Stephanie Zembruski macht ihm deutlich, dass er Erfahrunge­n mit einzelnen Personen nicht verallgeme­inern dürfe. Von einer Begebenhei­t könne man nicht auf alle „Asylanten“, wie er die Menschen nennt, schließen. „Sie haben recht, Frau Staatsanwä­lständig tin“, antwortet der 68-Jährige. Die Einsicht, die er vor Gericht an den Tag legt, und das Geständnis kommen dem Mann, der keine Vorstrafen aufweist, zugute. Rechtsrefe­rendar Dennis Köber führt im Plädoyer der Staatsanwa­ltschaft außerdem aus, dass der Angeklagte die Bilder lediglich teilte und nicht selbst anfertigte. Allerdings habe der Mann Kommentare mit „besonders harscher“Ausdrucksw­eise verfasst. Die Staatsanwa­ltschaft fordert eine Freiheitss­trafe von fünf Monaten zur Bewährung und eine Geldstrafe von 3000 Euro.

In seinem Schlusswor­t äußert der Angeklagte seinen Unmut über dietuschen.“ se Forderung. „Ich war geständig, deswegen verstehe ich die geforderte Freiheitss­trafe nicht.“Richterin Held lässt sich davon nicht beirren und schließt sich dem Wunsch der Staatsanwa­ltschaft an. „Was Sie geschriebe­n haben, war relativ krass und heftig“, betont Held. Die Kommentare des Mannes verortet sie „am untersten Boden“. Die Richterin gehe davon aus, dass es sich um einmalige Ausrutsche­r handelte, die sich in Zukunft nicht wiederhole­n werden. „Gilt das ab heute?“, fragt der 68-Jährige zum Erstaunen der Anwesenden. „Dann muss ich meinen Account löschen.“Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ?? Symbolfoto: Silas Stein, dpa ?? Ein 68-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen musste sich vor dem Dillinger Amtsgerich­t verantwort­en, weil er auf seinem öffentlich­en Facebook-Profil unter anderem gegen Migranten und Geistliche hetzte. Das Gericht verurteilt­e ihn zu einer Bewährungs- und Geldstrafe.
Symbolfoto: Silas Stein, dpa Ein 68-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen musste sich vor dem Dillinger Amtsgerich­t verantwort­en, weil er auf seinem öffentlich­en Facebook-Profil unter anderem gegen Migranten und Geistliche hetzte. Das Gericht verurteilt­e ihn zu einer Bewährungs- und Geldstrafe.

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