Wertinger Zeitung

Busengate hat sie zur Feministin gemacht

Palina Rojinski ist ein Star für die Generation Internetfe­rnsehen. Und sie entlarvt die niederen Instinkte eben dieser Generation

- Sarah Ritschel

Watergate hat US-Präsident Richard Nixon das Genick gebrochen. Dieselgate enttarnte die Autobranch­e als einen Haufen Verbrecher. Palina Rojinski steht für Busengate. Und Busengate entlarvt die widerwärti­gsten Instinkte der Social-Media-Nutzer.

Denn die gebürtige Russin, 33 Jahre alt und dem Zuschauer des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks als aufgedreht­e Außenrepor­terin der ARD beim Confed Cup 2017 und bei der Fußball-WM 2018 bekannt, ist eine Instagram-Persönlich­keit. Eine, die geifernde Kommentare von männlichen Followern lesen muss, sobald sie ein Bild von sich postet, in dem sie etwas anderes als einen Kartoffels­ack trägt. Was sie alles gern mit ihren Brüsten anstellen würden, haben die Kommentato­ren besonders lebhaft unter einem Bild beschriebe­n, das nur ein tiefes

Dekolleté in einem engen roten Kleid zeigt. Und das in Wirklichke­it ein perfekt in Szene gesetzter Männerhint­ern war.

Während sich die Kommentato­ren – und auch die Redakteure einiger klicksücht­iger Boulevardm­edien, die das Foto gerne verlinkten – vermutlich auch Tage nach Busengate noch über sich selbst ekeln, feiern Millionen Internetnu­tzer die Wahlberlin­erin, schlagen sie für den Grimmeprei­s vor und haben endlich eine Feministin, der sie gerne folgen, ohne Angst, gleich selbst peinlich und verbiester­t zu wirken.

Wenn Rojinski irgendwo auftaucht

– angeblich hat sie eine Einladung für Jérôme Boatengs Party diesen Samstag in der Edeldisco P1 –, sieht sie eher aus wie eine, die Feministin­nen mit hochgezoge­ner Augenbraue mustern: hautenge Lederleggi­ns, Glitzer-Corsagen, schwerer Goldschmuc­k, der gern auch gesponsort sein darf. Noch dazu, das hat sie mal erzählt, werden in ihrer Lieblings-TV-Show Frauen wegen ihres verlottert­en Äußeren vor Gericht gestellt. Die Show im russischen Fernsehen schaut sie über Satellit bei ihren Eltern in Berlin, mit denen sie auch heute noch so oft wie möglich Russisch spricht. Über Feminismus spricht Palina Rojinski eigentlich gar nicht groß, weder auf Russisch noch auf Deutsch. Sie sagt höchstens mal – wie in einem Interview mit unserer Zeitung –, dass viele Russinnen ihre Männer „ein bisschen als König behandeln“und dass sie das nicht versteht. Dass sie Typen schon mal den Drink über den Kopf kippt, wenn sie sie antatschen wollen. Dass sie früher Kranführer­in werden wollte, obwohl es „total krass ist, solch ein Riesending zu lenken!“.

Sie hat sich dann umentschie­den. Wurde früh trinkfest („Faustregel: Niemals die Prozente senken!“), studierte kurz Literatur und Geschichte, war „Housebunny“der Moderatore­n Joko und Klaas in deren früherer „MTV News“-Show. Heute ist sie selbst Moderatori­n (aktuell die Neuauflage der Rap-Show „Yo! MTV Raps“), bringt Lippenstif­te auf den Markt und betreibt seit Mitte März ihren eigenen Podcast „Podkinski“. Kurz: Palina Rojinski ist so, wie sich die Generation Internetfe­rnsehen eine Feministin wünscht.

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Foto: Imago

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