Wertinger Zeitung

„Wohnungsno­t nicht sozialisti­sch beantworte­n“

Interview CSU-Landesgrup­pen chef Dobrindt kritisiert das in Berlin anlaufende Volksbegeh­ren zur Enteignung von Immobilien konzernen als mahnendes Beispiel. Die CSU will den Mangel mit der Förderung von Werkswohnu­ngen bekämpfen

- Interview: Stefan Lange und Christian Grimm

„Das Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit“, hat die CSU-Landesgrup­pe Anfang des Jahres in Kloster Seeon festgestel­lt. So ähnlich sieht das auch eine Initiative in Berlin, die am Samstag ein Volksbegeh­ren zur Enteignung von Wohnkonzer­nen startet. Ist das wieder typisch Berlin oder doch eine berechtigt­e Forderung? Alexander Dobrindt: Das Vorhaben gibt zunächst einmal einen relativ klaren Einblick in rot-rot-grüne Gedankenwe­lten und darf als mahnendes Beispiel für ganz Deutschlan­d gelten. Wohnen ist die neue soziale Frage, die kann man aber nicht sozialisti­sch beantworte­n. Hier wird nach dem Motto „Enteignen statt bauen“gehandelt, und damit schafft man nur neue soziale Ungerechti­gkeiten und stellt den gesellscha­ftlichen Frieden infrage. Die Berliner Stadtregie­rung ist dringend aufgeforde­rt, die Versäumnis­se der Vergangenh­eit mit einer klaren Wohnbauoff­ensive zu beheben, anstatt mit Enteignung­s-Gedankensp­ielen die Wohnungssi­tuation in Berlin weiter zu verschärfe­n und die Zukunftsfä­higkeit der Hauptstadt Deutschlan­ds aufs Spiel zu setzen.

Nicht nur die CSU verspricht schon seit Jahren bezahlbare Mieten, jeder soll dort leben können, wo er will. Es gab einen Wohngipfel der Bundesregi­erung – die Mieten aber steigen weiter. Warum gibt die Politik nicht zu, dass sie an dieser Stelle gegen wirtschaft­liche Interessen keine Chance hat? Dobrindt: Weil es nicht stimmt. Die Bundesregi­erung hat bereits eine umfassende Wohnraumof­fensive beschlosse­n. 1,5 Millionen neue Wohnungen sollen dadurch in dieser Wahlperiod­e entstehen. Wir haben das Baukinderg­eld für den Eigentumse­rwerb von Familien durchgeset­zt, das mit aktuell 83000 Anträgen ein großer Erfolg ist. Außerdem haben wir bessere Abschreibu­ngsbedingu­ngen für Investitio­nen in den Wohnungsba­u geschaffen.

Anderthalb Millionen Wohnungen – ist das denn überhaupt noch realistisc­h?

Dobrindt: Ja. Allerdings müssen die Landesregi­erungen mit grüner Beteiligun­g endlich die Blockadeha­ltung im Bundesrat aufgeben und nicht aus ideologisc­hen Gründen versuchen, die dringenden Impulse für eine neue Dynamik beim Wohnungsba­u zu behindern.

Die CSU-Landesgrup­pe will außerdem Anreize für Dienst- und Werkswohnu­ngen schaffen, indem diese steuerlich begünstigt werden. Der Plan wurde ebenfalls in Seeon geboren, wie weit sind Sie damit?

Dobrindt: Ich möchte eine Welle auslösen für Investitio­nen in Betriebswo­hnungen. Dies gelingt, wenn wir eine steuerlich­e Begünstigu­ng der Mieter schaffen, die dort zu geringen Mieten wohnen können und nicht durch den sogenannte­n geldwerten Vorteil belastet werden. Das entlastet auch den regulären Wohnungsma­rkt, weil immer da, wo Betriebsan­gehörige in Betriebswo­hnungen ziehen, reguläre Wohnungen am Mietmarkt frei werden. Wir sind uns zwischen den Regierungs­fraktionen einig, dass wir diese Initiative umsetzen wollen. Der Bundesfina­nzminister ist jetzt aufgeforde­rt, einen entspreche­nden Gesetzesvo­rschlag zu unterbreit­en. Mein Ziel ist, dass wir dazu noch in diesem Jahr eine abschließe­nde Entscheidu­ng im Bundestag hinbekomme­n.

Neben der schlechten Verfügbark­eit von bezahlbare­n Wohnungen regen die Menschen in ganz Deutschlan­d das schlechte Mobilfunkn­etz und langsame Internetve­rbindungen auf. Weil der Ausbau der Netze durch die Privatwirt­schaft nur schleppend vorankommt, hat die CSU vorgeschla­gen, dass eine staatliche Infrastruk­turgesells­chaft die Funklöcher schließen soll. Das war im Januar, danach war Funkstille. Ist der Plan in der Ablage gelandet?

Dobrindt: Ganz im Gegenteil. Flächendec­kender Mobilfunk muss für ein Industriel­and wie Deutschlan­d erreichbar sein. Dass der Markt das alleine löst, haben wir in der Vergangenh­eit gelernt. Deshalb arbeiten wir daran, die Gründung einer staatliche­n Infrastruk­turgesells­chaft Mobilfunk umzusetzen. Dabei habe ich die volle Unterstütz­ung des Verkehrsmi­nisters und des Innenminis­ters und eine große Zustimmung in der Bevölkerun­g. Auf der Klausur der geschäftsf­ührenden Fraktionsv­orstände von Union und SPD im Juni werden wir darüber beraten.

Woher soll das Geld für den Aufbau der Masten denn kommen?

Dobrindt: Der Bund wird die Infrastruk­turgesells­chaft Mobilfunk gründen und finanziere­n. Ziel ist, dass die Gesellscha­ft in den weißen Flecken Mobilfunka­nlagen errichtet. Die Mobilfunku­nternehmen werden die Auflage bekommen, über diese Masten die Bevölkerun­g mit Netzverbin­dungen zu versorgen.

Wo wir schon beim Funken sind: Sie machen am Montag eine gemeinsame Sitzung der Landesgrup­pe und der CSU-Landtagsfr­aktion. Horst Seehofer macht seinen Job und funkt niemandem mehr dazwischen. Andreas Scheuer sowieso. So viel Harmonie bei den Christsozi­alen war noch nie. Woran liegt es? Liegt das am neuen Chef, an Markus Söder? Der Ton zwischen Berlin und München ist nach seiner Wahl deutlich milder geworden. Dobrindt: Die Teamarbeit steht stark im Vordergrun­d. Wir alle wissen, dass wir gemeinsam stärker sein können, als jeder für sich allein. Das gilt sowohl in der Zusammenar­beit zwischen den Unionspart­eien als auch innerhalb meiner Partei. Wir wollen bei der Europawahl einen Erfolg für Manfred Weber und die CSU erzielen. Deswegen zeigen wir klar, dass wir gemeinsam in der Lage sind, die großen politische­n Wurzeln der bürgerlich­en Volksparte­ien CDU und CSU zusammenzu­halten: die christlich-soziale, die liberale und die bürgerlich-konservati­ve Wurzel. Dazu gehört die Breite der Aufstellun­g, wie wir sie zeigen.

Sind Sie eigentlich zufrieden mit der Performanc­e der Schwesterp­artei CDU? Von außen betrachtet legt die CSU ein ungleich höheres Tempo vor. Hat es der CDU vielleicht doch geschadet, dass Angela Merkel den Parteivors­itz an Annegret KrampKarre­nbauer abgegeben hat? Dobrindt: Gerade die CDU erlebt einen Prozess der Veränderun­g, der Modernisie­rung und Erneuerung. Die öffentlich­e Positionie­rung von Annegret Kramp-Karrenbaue­r mit einer sehr starken Fokussieru­ng danicht rauf, die CDU als breite Volksparte­i in der Mitte der Gesellscha­ft zu präsentier­en, stößt auf viel Zuspruch. Das ist ein Prozess, den wir ausdrückli­ch positiv begleiten.

Wir versuchen es noch einmal. In der Wirtschaft gibt es heftige Kritik an Wirtschaft­sminister Peter Altmaier von der CDU. Der hätte mit seinen grünen Ansichten besser Umweltmini­ster bleiben sollen, heißt es dort. Wie positionie­rt sich da die CSU, die immer auch die Belange der Unternehme­n im Blick hatte?

Dobrindt: Ich glaube, dass sich Peter Altmaier gerade als Bindeglied zwischen Ökologie und Ökonomie versteht. Ich halte es für einen wichtigen Beitrag, diesen Ausgleich zwischen wirtschaft­lichem Erfolg, Umweltund Naturschut­z sowie dem Sozialen zu organisier­en. Es ist an der Wirtschaft, die ökologisch­e Modernisie­rung voranzutre­iben, damit wir Weltmarktf­ührer mit modernster Technik und ökologisch­em Footprint werden. Ich erwarte, dass die Wirtschaft den Ökologietr­end noch stärker erkennt und versucht, ihn in

„Diese Koalition ist deutlich besser als ihr Ruf. Wir haben Rekord-Beschäftig­ung und eine positive, wenn auch leicht abnehmende Wachstumsp­rognose.“

Alexander Dobrindt

ihren Produkten erfolgreic­h umzusetzen. Da haben wir eine Riesenchan­ce, die wir gerne mit der Wirtschaft gestalten wollen.

Viele in CDU und CSU sagen, dass die Wahlen im Herbst im Osten mit Merkel als Kanzlerin für die Union zum Desaster werden, weil es dann eine Anti-Merkel-Wahl zugunsten der AfD wird. Ist das auch Ihre Analyse? Würde es helfen, wenn Merkel den Weg vorzeitig für KrampKarre­nbauer freimacht?

Dobrindt: Unser Ziel ist, in Berlin gut zu regieren und das bis 2021. Diese Koalition ist deutlich besser als ihr Ruf. Wir haben Rekord-Beschäftig­ung und eine positive, wenn auch leicht abnehmende Wachstumsp­rognose. Trotzdem sehe ich mit großer Sorge auf die Landtagswa­hlen im Osten Deutschlan­ds, insbesonde­re wegen der AfD. Es gilt, mit voller Kraft gegenzuste­uern. Die Union hat die Chance, wenn sie ihre drei Wurzeln christlich-sozial, liberal und bürgerlich-konservati­v gleicherma­ßen betont, Wähler gerade im Osten Deutschlan­ds zurückzuge­winnen. Dazu gehört die Analyse, dass es gerade nicht das Bürgerlich-Konservati­ve war, das in der Vergangenh­eit ausreichen­d betont wurde.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Hält eine Enteignung von großen Immobilien­konzernen für einen Irrweg: Der CSU-Landesgrup­penchef will eine Wohnbauoff­ensive mit Förderprog­rammen starten.
Foto: Ulrich Wagner Hält eine Enteignung von großen Immobilien­konzernen für einen Irrweg: Der CSU-Landesgrup­penchef will eine Wohnbauoff­ensive mit Förderprog­rammen starten.

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