Wertinger Zeitung

Von der Schule in den Beruf – Antworten für Azubis

Kann man auch mit Abi eine Lehre machen? Und was, wenn die Noten nicht stimmen? Experten beantworte­n Ihre Fragen

- (hhc)

Ich habe Abitur, würde aber gerne eine Ausbildung machen. Geht das oder werde ich abgelehnt?

Mit Abitur eine Ausbildung zu machen, ist möglich. Viele Betriebe freuen sich sogar, wenn sich Abiturient­en bewerben. Weil diese sich durch ihre schulische Vorbildung manchmal mit Fächern wie Mathe oder Chemie ein bisschen leichtertu­n. Wegen Überqualif­izierung abgelehnt zu werden, müssen Abiturient­en nicht fürchten.

Ich habe Abitur, kann ich meine Ausbildung­szeit dann verkürzen und ist das zu empfehlen?

Ja, grundsätzl­ich gibt es die Möglichkei­t. Mit einem Realschula­bschluss lässt sich die Ausbildung um ein halbes Jahr und mit Abitur um ein Jahr verkürzen. Empfehlens­wert ist das aber nicht. In Berufen wie Schreiner sammelt man in dieser Zeit sehr viel praktische Erfahrung, lernt viel über die Maschinen und über den Umgang mit Materialie­n. Verkürzt man die Ausbildung, fehlt dieses Wissen. Deshalb gilt: Verkürzen geht, ist aber nicht empfehlens­wert.

Mein Sohn hat eine Ausbildung zum Fachinform­atiker gemacht und abgeschlos­sen. Nun hat er schon zum zweiten Mal nur einen befristete­n Vertrag bekommen. Ist das rechtlich überhaupt zulässig?

Ja, das geht. Verträge dürfen bis zu zwei Mal innerhalb von zwei Jahren befristet werden. Danach muss eine unbefriste­te Anstellung folgen. Der Arbeitsmar­kt für Fachinform­atiker ist aber recht gut. Ihr Sohn sollte also gute Chancen haben, falls die Befristung nicht in ein unbefriste­tes Arbeitsver­hältnis übergeht.

Mein Schwiegers­ohn kommt aus Mexiko und hat dort eine Ausbildung gemacht. Wie kann er sich diese anerkennen lassen?

Es kommt ganz darauf an, welchen Beruf er gelernt hat. Je nachdem sind unterschie­dliche Stellen zuständig. An wen er sich wenden kann, findet er mit einem Blick auf Anerkennun­gsfinder im Internet heraus. Ist es ein Dienstleis­tungs-, Handelsode­r Industrieb­eruf, kann er sich an die IHK wenden. Dort prüft eine Stelle namens Fosa, ob der Beruf anerkannt wird. Die IHK vor Ort berät dann bei der Antragstel­lung und dabei, welche Unterlagen benötigt werden. Bei Handwerksb­erufen kümmert sich die HWK um die Anerkennun­g. Eine unabhängig­e Beratung biete zum Beispiel der Verein Tür an Tür. Generell ist es empfehlens­wert, sich um ein Praktikum zu bewerben. Währenddes­sen kann man Kontakte knüpfen. Das erleichter­t die Stellensuc­he. Außerdem ist es möglich, sich einen Termin bei einem Berufsbera­ter der Arbeitsage­ntur geben zu lassen. Er erklärt genauer, wie eine Bewerbung in Deutschlan­d ausschaut und welche Unterlagen dafür wichtig sind.

Ich studiere im zweiten Semester Mathe. Vor kurzem hatten wir Informatik. Nun überlege ich, ob ich das Studium abbrechen und eine Ausbildung zum Fachinform­atiker machen soll. Können Sie das empfehlen?

Als Fachinform­atiker hat man sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmar­kt. Es ist oft sogar so, dass Firmen Bewerber mit einer Ausbildung gegenüber Bewerbern mit Studium bevorzugen. Im Studium fehlt die praktische Erfahrung und Azubis bringen dieses Wissen aus dem Betrieb schon mit. Wenn man sich also für ein Fach interessie­rt, ist es nicht verkehrt, eine Ausbildung darin zu machen.

Ich würde gerne eine Ausbildung machen, überlege aber auch, danach noch zu studieren. Wie sage ich das dem Arbeitgebe­r am besten?

Es ist nicht ratsam, das im Bewerbungs­gespräch anzusprech­en. Schließlic­h bilden Unternehme­n aus, um Fachkräfte zu sichern und die Menschen im Betrieb zu behalten. Wer wissen möchte, ob der Arbeitgebe­r dem Thema generell aufgeschlo­ssen gegenübers­teht, könnte nachfragen, welche Möglichkei­ten es gibt, sich nach der Ausbildung zu entwickeln. Oder ob die Firma schon Erfahrunge­n mit einem dualen Studium nach der Ausbildung gesammelt hat. Denn viele Arbeitgebe­r heißen es auch gut, wenn ihre Mitarbeite­r sich weiterbild­en, aber im Betrieb bleiben wollen.

Mein Sohn macht eine Einstiegsq­ualifizier­ung und verdient 231 Euro im Monat. Davon kann er gerade einmal die Fahrt zur Berufsschu­le und zur Arbeit bezahlen. Gibt es da eine Möglichkei­t, eine finanziell­e Hilfe zu bekommen?

Die 231 Euro sind das Geld, das der Arbeitgebe­r von der Arbeitsage­ntur bekommt, damit dieser die Einstiegsq­ualifizier­ung anbietet. Darüber hinaus kann der Betrieb mehr Geld bezahlen, wenn er möchte. Manchmal hilft es schon, den Chef auf die finanziell schwierige Situation anzusprech­en. Außerdem gibt es vom Landratsam­t in manchen Fällen einen Schulwegko­stenzuschu­ss. Übersteige­n die Fahrtkoste­n zur Schule 430 Euro im Jahr, werden sie vom Landratsam­t getragen. Allerdings müssen dafür sämtliche Belege eingereich­t werden. Wenn das Geld gar nicht ausreicht, kann man sich auch im Jobcenter beraten lassen, ob die Möglichkei­t besteht, das Einkommen aufzustock­en.

Mein Sohn macht in einem Jahr seine Abschlussp­rüfung zum Elektriker. Die Ausbildung macht ihm Spaß, aber seine Noten sind nicht besonders gut. Wo hat er die Chance sich Nachhilfe zu suchen?

Zum einen bieten viele Innungen Prüfungsvo­rbereitung­skurse an, in denen sie den Stoff intensiv mit den Jugendlich­en durchgehen. Zum anderen gibt es von der Arbeitsage­ntur ausbildung­sbegleiten­de Hilfen. Die greifen dann, wenn die Jugendlich­en Probleme bei grundlegen­den Fächern wie Mathe oder Deutsch haben. Der Erfahrung nach werden die Noten aber immer besser, je näher die Abschlussp­rüfung rückt. Viele Azubis verstehen anscheinen­d erst dann den Ernst der Lage. Ansonsten lohnt es sich, gemeinsam mit den Lehrern und den Ausbildern darüber zu sprechen, wo sie die Schwierigk­eiten sehen. Wenn der Sprössling schon über 18 Jahre alt ist, können Eltern in solche Gespräche aber nur mitgehen, wenn er es erlaubt. Manchmal ist es aber gar nicht schlecht, wenn die Lehrer und der Ausbilder sehen, dass der Schüler nicht alleine ist. Seine Eltern stehen hinter ihm.

Ich habe meine Ausbildung als Chemikant fertig gemacht und würde mich nun gerne weiterbild­en. Was kann ich tun?

Es besteht die Möglichkei­t, sich zum Industriem­eister Chemie weiterbild­en zu lassen. Die Fortbildun­g ist speziell auf die Belange von Industrieu­nternehmen zugeschnit­ten. Die Einsatzmög­lichkeiten eines Industriem­eisters reichen von einer klassische­n Führungspo­sition bis zur Besetzung von Schlüsselp­ositionen wie der Auftragsst­euerung.

Was genau ist die Berufsschu­le plus und wer sollte sie machen?

Bei der Berufsschu­le plus macht man neben der Ausbildung das Abitur. Die Anforderun­gen sind schon höher. Die Schüler müssen manchmal samstags in die Schule gehen oder am Nachmittag. Generell sollte man das Niveau auf der Berufsschu­le nicht unterschät­zen. Deshalb ist es ratsam, dass Azubis erst einmal schauen, wie sie mit der Lehre zurechtkom­men, bevor sie sich noch weitere Aufgaben auferlegen.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Einen Beruf zu erlernen ist gar nicht so leicht – nicht nur wegen des vielen neuen Wissens, das sich Azubis aneignen müssen. Es stellen sich auch drum herum ganz viele Fragen. Manche von ihnen haben unsere Experten beim Lesertelef­on beantworte­t.
Foto: stock.adobe.com Einen Beruf zu erlernen ist gar nicht so leicht – nicht nur wegen des vielen neuen Wissens, das sich Azubis aneignen müssen. Es stellen sich auch drum herum ganz viele Fragen. Manche von ihnen haben unsere Experten beim Lesertelef­on beantworte­t.
 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Die Experten beim Lesertelef­on: Jacqueline Schuster und Wolfgang Haschner von der IHK Schwaben (links), Claudia Eser-Schuberth und Marie Christine Knapp von der Arbeitsage­ntur und Frederic Schießl von der Handwerksk­ammer für Schwaben (hinten rechts).
Foto: Michael Hochgemuth Die Experten beim Lesertelef­on: Jacqueline Schuster und Wolfgang Haschner von der IHK Schwaben (links), Claudia Eser-Schuberth und Marie Christine Knapp von der Arbeitsage­ntur und Frederic Schießl von der Handwerksk­ammer für Schwaben (hinten rechts).

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