Wertinger Zeitung

„Der Kader der Bayern ist nicht groß genug“

Bundesliga Thomas Helmer hat beim BVB und dem FCB gespielt. Vor dem Gipfeltref­fen spricht er darüber, was eine Niederlage für die Münchner bedeuten würde und erinnert sich an ein Missgeschi­ck als Bayern-Spieler in Dortmund

- Interview: Florian Eisele

Herr Helmer, beim Deutschen Fußball-Bund ist in dieser Woche eine Stelle frei geworden – die des Präsidente­n. Wäre das was für Sie? Thomas Helmer: Das können sich viele gerade vorstellen (schmunzelt). Man denkt ja, dass man nicht so viel falsch machen kann wie der Vorgänger. Deswegen glauben alle ExSpieler – meine Person eingeschlo­ssen – dass wir das können. Nein, im Ernst: Ich finde, dass DFB und Nationalel­f zuletzt nicht gut kommunizie­rt haben. Nicht nur jetzt, auch letztes Jahr schon. Der Verband gibt derzeit kein gutes Bild ab. Und das macht die Suche nach einem neuen Präsidente­n nicht leichter. Helmer: Genau. Eigentlich ist das ja ein schönes Amt. Aber wenn man sieht, dass alle Präsidente­n zuletzt vorzeitig gehen mussten – das ist keine Werbung.

Könnten Sie sich das Amt denn vorstellen?

Helmer: Ich wurde nicht gefragt, deswegen stellt sich die Frage nicht. Wir Ex-Profis bilden uns natürlich immer ein, dass wir vom Fußball einiges verstehen. Reinhard Grindel musste sich in diese Thematik erst einmal einarbeite­n, das hat es für ihn nicht einfacher gemacht.

Kommen wir zum Bundesliga-Gipfel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund. Ist jetzt endlich die Zeit für ein 2:2 gekommen? Das tippen Sie doch immer, wenn das Spiel ansteht. Helmer: Ja! Und bislang ist es noch nie dazu gekommen. Deswegen ist es jetzt endlich so weit. Im Hinspiel war ich knapp davor, Dortmund hat erst in der Schlusspha­se das 3:2 gemacht. Wobei dieses Ergebnis dem BVB mehr helfen würde.

Wäre Dortmund bei einem Sieg schon durch?

Helmer: Noch nicht. Aber ich hoffe, dass der BVB dann aus dem verspielte­n Neun-Punkte-Vorsprung gelernt hätte. Der psychologi­sche Vorteil wäre riesig. Das Spiel gegen Wolfsburg am vergangene­n Wochenende fand ich beeindruck­end: Dortmund hat bis zuletzt dran geglaubt, obwohl sie nicht gut gespielt haben. Ähnlich wie Bayern gegen Heidenheim. Ich glaube, dass viel von der Mentalität abhängen wird.

Im Fall einer Bayern-Niederlage: Wie sähen dann die Perspektiv­en für Niko Kovac aus?

Helmer: Ich glaube, es ist für ihn egal, wie die Saison ausgeht. Die Bayern werden Niko nächstes Jahr eine Mannschaft hinstellen, mit der sie Titel und Ergebnisse einfordern. Niko war sehr geduldig, als er kam. Er hat keine neuen Spieler gefordert, sondern akzeptiert, was ihm gegeben wurde. Deswegen hat er jetzt auch einen Bonus. Er wird an der neuen Saison gemessen werden. Bemerkensw­ert bei ihm fand ich, wie er die Bayern aus der Krise im Herbst geführt hat. Nur die Aussagen von ihm nach dem FreiburgSp­iel haben mir nicht so gefallen.

Kovac erkor die Partie gegen Dortmund zum Alles-oder-nichts-Spiel. Wenn man das verliere, so Kovac, sei es das gewesen mit der Meistersch­aft. Helmer: Ja. Das kenne ich nicht von Bayern – aufgeben. Das war wohl aus der Enttäuschu­ng heraus.

Das Pokalspiel gegen Heidenheim (5:4) dürfte bei den Bayern nicht als beste Generalpro­be durchgehen. Helmer: Dieses Spiel hat wieder belegt, dass der Kader der Bayern nicht groß genug ist. Viele Wechselmög­lichkeiten gab es für Niko Kovac nicht mehr. Ich habe auch seine Aufstellun­g nicht verstanden, wie auch schon gegen Freiburg nicht. Lewandowsk­i auf der Bank? Ohne ihn geht es nicht, nicht einmal gegen Heidenheim. Ich weiß nicht, warum Martínez draußen saß. Thiago, der auf seiner Position gespielt hat, ist einfach kein Defensivsp­ieler. Auch James und Goretzka sind keine Abräumer.

Heidenheim­s Trainer ist Frank Schmidt, der Sie als Bayern-Spieler von Vestenberg­sgreuth 1994 aus dem Pokal geworfen hat. Haben Sie in den letzten Tagen mal wieder an dieses legendäre Spiel gedacht? Helmer: Ich habe vor allem dran gedacht, wie hässlich unsere Trikots damals waren: Grün und Gelb! Das waren die totalen Seuchentri­kots! Gefühlt haben wir nie in denen gewonnen. Vor Frank Schmidts Leistung als Trainer habe ich übrigens allergrößt­en Respekt.

Mal allgemein: Hätten Sie gedacht, dass das Meistersch­aftsrennen noch mal so spannend werden könnte? Dortmund war schon neun Punkte vorne. Helmer: Wenn man bei Bayern gespielt hat, weiß man: „Aufgeben“kommt in deren Wortschatz nicht vor. Dortmund hat sich eine Schwächeph­ase genommen, die Bayern haben das genutzt. Dass der FCB den Rückstand so schnell aufholen konnte, hätte ich aber nicht gedacht. Und als sich viele sicher waren, dass nun alles für die Bayern spricht, kommt dieser Punktverlu­st in Freiburg.

Den Ausfall von Marco Reus konnte der BVB nicht kompensier­en. Als er verletzt war, kam die Krise.

Helmer: Ja, weil er ein überragend­er Fußballer ist, dazu ist er auch noch Kapitän. Für ein Spiel – wie am Wochenende, als er wegen der Geburt seines ersten Kindes fehlte – kann man ihn schon mal ersetzen. Es ist gut, dass er am Samstag gegen den FC Bayern spielen kann.

Reicht es am Ende für den BVB? Helmer: Ich sehe Vorteile auf der Dortmunder Seite. Bei ihnen ist das Selbstvert­rauen wieder da. Und ich mache mir Sorgen um die Defensive der Münchner, die Abstimmung ist einfach nicht gut. Aber ein anderer Meister als in den letzten sechs Jahren wäre mit Blick auf die Spannung nicht schlecht. Was erwarten Sie für ein Spiel? Helmer: Dortmund kann seinen Stil nicht ändern, die werden nach vorne spielen. Und bei Bayern sehe ich mit Coman und Gnabry große Chancen über die Außen, wo Dortmund relativ anfällig ist. Es wird ein Spiel mit offenem Visier.

Bleibt Ihnen als Spieler eine Partie zwischen dem BVB und dem FCB besonders in Erinnerung?

Helmer: Ja. Nach meinem Wechsel von Borussia Dortmund zum FC Bayern war eines der ersten Auswärtssp­iele mit den Bayern das in Dortmund. Ich war vor dem Spiel total nervös. Und verwirrt wie ich war, bin ich beim Warmmachen auf die Südtribüne der Dortmunder zugelaufen, so wie ich es als BVB-Spieler immer getan habe...

Thomas Helmer

Keine gute Idee.

Helmer: Das hab ich zu spüren bekommen. Je näher ich der Süd gekommen bin, desto lauter ist das Pfeifkonze­rt geworden. Als ich gemerkt habe, was ich da tue, bin ich schnell in die andere Ecke gelaufen. Das Spiel lief dann bestens für mich. Ich habe das 1:0 gemacht, dann haben sie mich in Ruhe gelassen. Das zweite Tor habe ich sogar noch vorbereite­t, wir haben 2:1 gewonnen.

● Thomas Helmer Der 53-Jährige kommt als Innenverte­idiger auf 390 Bundesliga- und 70 Länderspie­le, wurde Europameis­ter und deutscher Meister. Er präsentier­t als Moderator das TV-Format „Doppelpass“auf Sport1. Sonntags ab 11 Uhr diskutiert er dort mit Experten über das aktuelle Fußballges­chehen.

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