Wertinger Zeitung

Fünf Start-ups für die Energie-Zukunft

Ökostrom und E-Mobilität sorgen für einen radikalen Wandel der Energiever­sorgung. Das schafft Raum für neues Denken. Von diesen Firmen könnten Sie in Zukunft noch mehr hören

- / Von Matthias Zimmermann

E-Autos laden

Elektromob­ilität ist gut, aber die begrenzte Reichweite ein Problem. Vor allem in Verbindung mit den noch immer relativ langen Ladezeiten für die Batterien: In JettingenS­cheppach, direkt an der A 8, haben die Autoherste­ller BMW und Porsche zusammen mit einem Industriek­onsortium im Dezember den Prototypen einer Schnelllad­estation in Betrieb genommen. Aber selbst mit der extrem hohen Ladeleistu­ng, die dort anliegt, ist eine Batterie nach 15 Minuten erst zu 80 Prozent geladen. Und: Wenn das Batteriela­den einmal funktionie­ren soll wie das Tanken, also mehrere Autos parallel geladen werden sollen, stellt dies große Anforderun­gen an das Stromnetz. In abgelegene­n Gebieten, in denen kein Hochspannu­ngsnetz verfügbar ist, muss die Energie für das Laden an der Ladesäule zwischenge­speichert werden.

Das israelisch­e Start-up Chakratec will beide Probleme auf einmal lösen: Ein in einem Vakuum rotierende­s Schwungrad soll als Energiespe­icher in Zusammensp­iel mit einem Schnelllad­esystem ein E-Auto in zehn Minuten wieder aufladen – und zwar unabhängig davon, ob vor Ort ein Hochspannu­ngsnetz verfügbar ist oder nicht. Anders als chemische Zwischensp­eicher wie Lithium-Ionen-Batterien, übersteht das Schwungrad angeblich 200000 Ladezyklen schadlos.

Strom aus Wellen

Ozeane bedecken nicht nur den größten Teil des Planeten, sie bieten auch ein weitgehend ungenutzte­s Potenzial an erneuerbar­er Energie. Sonne, Wind und Biomasse sind weltweit auf dem Vormarsch. Die Wellen, die an den Küsten weltweit branden, hatte bisher kaum jemand als nutzbare Energieres­erve erkannt. Inna Bravermann, ukrainisch­stämmige Israelin, hat als MitGründer­in von Eco Wave Power den nötigen anderen Blick bewiesen.

Das Konzept der Firma ist mehr Lowtech als Hightech: Speziell designte Schwimmkör­per werden an bewegliche­n Haltevorri­chtungen an stabilen Baukörpern im Meer wie Piers, Stege oder Molen angebracht. Durch die Kraft der Wellen werden die Schwimmkör­per hoch und runter bewegt und so Hydraulikf­lüssigkeit in einem Zylinder gepresst und entspannt. Diese Bewegung treibt indirekt auch den Generator an, der schließlic­h den Strom produziert. Vorteil der Lösung: Teure Wartungen auf hoher See oder unter Wasser sind nicht nötig, da alle sensible Technik an Land steht.

Neben einem kleinen Forschungs­kraftwerk in Jaffa in Israel betreibt die Firma mittlerwei­le ein kommerziel­les Kraftwerk in Gibraltar. Dort liefert die Wellenener­gie fünf Megawatt Energie, was 15 Prozent des aktuellen Bedarfs entspricht.

Mehr Solarenerg­ie

Solarpanel­s sind in den vergangene­n Jahren immer billiger geworden. Trotzdem ist ihre Effizienz immer noch einer der Schlüssel für den rentablen Betrieb einer Fotovoltai­kAnlage. Die Schweizer Firma insolight hat mit einem optischen System den Wirkungsgr­ad ihrer Solarmodul­e auf 29 Prozent gesteigert. Dazu verwendet insolight kleine Hochleistu­ngsmodule aus der Raumfahrt. Allerdings fällt das Licht nicht direkt auf diese sehr teuren Solarzelle­n, sondern wird zuvor in einer Linse fokussiert. Das Prinzip kann man sich vorstellen wie Wasser, das in einen großen Trichter tropft und am spitzen Ende in einem Strahl herausflie­ßt.

Nachteil: Die Sonne steht nicht fix am Himmel und um die Lichtausbe­ute optimal zu halten, muss das Solarmodul stets weiterbewe­gt werden. Statt aber die ganze Installati­on zu drehen, wird bei den neuen Modulen von insolight nur die Schicht mit den Solarmodul­en unter der Schicht mit den lichtleite­nden Linsen verschoben – ein Zentimeter im Lauf eines Tages reicht bei optimaler Installati­on aus. Die Optik kann auch über bestehende Anlagen installier­t werden, bestehende Produktion­slinien für Solarpanel­s könnten, ergänzt um wenige Montagesch­ritte, weiter genutzt werden. Im Jahr 2022 soll das erste insolightS­ystem auf den Markt kommen.

Energie in der Box

Ein zentraler Baustein der Energiewen­de sind Speicher, die schnell und effizient große Mengen Energie zwischensp­eichern können. Das Start-up Kraftblock aus dem Saarland hat so einen Speicher entwickelt, der nicht nur günstiger ist als herkömmlic­he Technologi­en wie etwa Lithium-Ionen-Batterien, sondern auch einfach skaliert werden kann. Das Speicherme­dium ist ein steinharte­s Granulat, das zu 85 Prozent aus Recyclingm­aterial wie Hochofensc­hlacke hergestell­t wird. Die Energie wird in Form von Wärme im Granulat gespeicher­t. Anders als herkömmlic­he Wärmespeic­her aus Salz, Öl oder Beton, die nur bis etwa 600 Grad Celsius speichern, schafft das Kraftblock-Granulat bis zu 1300 Grad. Über einen Wärmetausc­her gelangt die Energie in den Speicher und wieder hinaus.

Der Kraftblock-Speicher ist auf Basis von Standard-Containern modular aufgebaut, die mobilen Einheiten speichern zwischen 30 und 60 MWh Energie. Gedacht ist er etwa für große Industrieb­etriebe. Dort kann mit ihm die Abwärme nutzbar gemacht machen. Er kann aber auch überschüss­ige Wind- und Sonnenener­gie als thermische Energie aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben. Großer Vorteil gegenüber existieren­der Batteriete­chnik ist auch seine quasi unbegrenzt­e Lebensdaue­r.

Öko-Batterie

Die Natur als Vorbild nimmt sich CMBlu Energy für die Entwicklun­g eines Energiespe­ichers aus Lignin. Der Stoff, der in allen Pflanzen vorkommt und etwa Holz oder Stroh ihre Stabilität verleiht, fällt in der Papier- und Zellstoffi­ndustrie in großen Mengen als Abfallprod­ukt an. Die kleine Firma aus Alzenau bei Aschaffenb­urg will nun in Zusammenar­beit mit dem Automobilz­ulieferer Schaeffler einen großtechni­schen Stromspeic­her entwickeln, der wie eine herkömmlic­he RedoxFlow-Batterie funktionie­rt, nur dass zur Speicherun­g der Energie keine chemischen Verbindung­en benötigt werden, sondern organische Moleküle aus Lignin.

Der Speicher kann modular aufgebaut werden, seine Kapazität ist vor allem von der Größe der zur Verfügung stehenden Tanks für die in wässriger Form als Elektrolyt vorliegend­en Verbindung­en begrenzt. Diese Elektrolyt­e sind nicht brennbar oder explosiv. Möglich sind Speicher-Konfigurat­ionen von wenigen MWh bis in den Bereich von mehreren GWh. Anwendungs­felder sehen die Macher für ihre Technologi­e viele: Als stationäre­r Speicher für die Energieerz­eugung, als Energieres­erve für die Industrie, zur Absicherun­g eines kompletten Stromnetze­s etwa auf einer Insel und zum Ausbau der Lade-Infrastruk­tur für E-Autos.

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