Wertinger Zeitung

Mehr Abtreibung­en durch Bluttest auf Down-Syndrom?

Medizin Die Union ringt in einer ethischen Grundsatzf­rage um eine klare Richtung

- VON CHRISTIAN GRIMM UND MARGIT HUFNAGEL

Berlin Was dürfen werdende Eltern über ihre Kinder wissen? Die Diskussion um Bluttests zur Erkennung von Trisomie 21 bei Ungeborene­n und der rasante Fortschrit­t der Gentechnik haben diese Frage in den Fokus von CDU und CSU gerückt. Die Schwesterp­arteien mit dem „C“im Namen wollen verhindern, dass mehr Babys mit dem Verdacht auf Erbkrankhe­iten abgetriebe­n werden und der Mensch zum Schöpfer eines vermeintli­ch perfekten Nachwuchse­s wird. „Jeder Mensch trägt die gleiche Würde, egal ob mit DownSyndro­m oder mit einer anderen Beeinträch­tigung, wenn es überhaupt als solche zu bezeichnen ist“, betonte CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak am Montag in Berlin.

Die Fragen über die Grenzen des Fortschrit­ts will die CDU in die Diskussion­en um das neue Grundsatzp­rogramm einweben. Bis zum Sommer wollen die Christdemo­kraten Antworten geben, was passiert, wenn über Tests schon im Mutterleib die Vorprägung für bestimmte Krankheite­n an den Embryonen überprüft werden können.

Angefacht hat die Debatte Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU), der Bluttests zur Erkennung von Trisomie 21 zur Leistung der gesetzlich­en Krankenkas­se machen will. So sollen die Kassen die bis zu 200 Euro teure Behandlung übernehmen, wenn eine Risikoschw­angerschaf­t besteht. Dies gilt als gegeben, wenn die Mutter bereits 35 Jahre alt ist. Bislang trägt die gesetzlich­e Krankenkas­se Fruchtwass­eruntersuc­hungen mit einer Nadel, um das Ungeborene auf Erbkrankhe­iten zu untersuche­n. Das Verfahren ist aber riskanter als Bluttests. „Wenn jetzt ein Test kommt, der quasi kein Risiko mehr hat, dann müssen die Kassen das zahlen“, sagte Spahn der Bild-Zeitung.

CDU-General Ziemiak schätzt, dass seine Partei mehrheitli­ch hinter Spahns Vorschlag steht. Aber es gibt auch einflussre­iche Stimmen, die sich dagegen positionie­ren, wie zum Beispiel der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet. „Ich finde, die Kassen sollten das nicht finanziere­n. Das Signal, dass man im Vorfeld über die Wertigkeit von Leben urteilt, halte ich für falsch“, sagte Laschet.

Bei der CSU will die Spitze der Landesgrup­pe den Abgeordnet­en im Bundestag keine Vorgaben machen. Gesundheit­sexperte Stephan Pilsinger plädiert dafür, werdenden Müttern ab dem 35. Lebensjahr die Tests von den Kassen bezahlen zu lassen. „Es darf aber in Zukunft nicht dazu kommen, dass das gesamte Genom von Ungeborene­n auf Krankheite­n untersucht wird“, sagte Pilsinger unserer Redaktion. Der

Ein Test kostet bis zu 200 Euro

Abgeordnet­e und Arzt warnte eindringli­ch vor designten Babys.

Ob die Kassen die Kosten für die Bluttests übernehmen werden, entscheide­t allerdings nicht die Politik, sondern ein gemeinsame­r Ausschuss von Krankenkas­sen, Ärzten, Kliniken und Patientenv­ertretern. Frühestens im August werden die Fachleute über einen Beschluss beraten. Erst im Herbst nächsten Jahres würde eine Änderung wirksam werden.

Der Medizineth­iker Giovanni Maio von der Universitä­t Freiburg spricht sich für eine Kostenüber­nahme aus. „Es geht nicht darum, den Bluttest zu verteufeln, sondern einen kritischen Umgang mit ihm anzumahnen“, sagt Maio unserer Redaktion. Und da sei die Gesellscha­ft gefordert. Sollte der Test zur Standardle­istung werden, könne das Frauen unter Druck setzen, keine behinderte­n Kinder mehr zur Welt zu bringen.

Wie eine betroffene Familie über solche Fragen von Leben und Tod denkt, lesen Sie auf der Dritten Seite.

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