Wertinger Zeitung

So will die SPD Pflegebedü­rftige entlasten

Soziales Steuerzahl­er und Versicheru­ngen sollen die Risiken teurer Heimkosten auffangen. Ist der Plan finanzierb­ar?

- VON JOACHIM BOMHARD

Augsburg Die SPD hat sich die Reform des Sozialstaa­tes auf die Fahne geschriebe­n. Im Februar präsentier­te sie Pläne für eine Erhöhung des Mindestloh­ns, für einfacher gestaltete Leistungen für Kinder und insbesonde­re für die Überwindun­g des Hartz-IV-Systems. Jetzt folgt Teil zwei: Eine Pflege-Offensive.

Geht es nach dem SPD-Vorstand, der am Montag ein entspreche­ndes Papier beschlosse­n hat, soll der Eigenantei­l, den Pflegebedü­rftige oder deren Angehörige­n für die Versorgung in einem Heim bezahlen müssen, nicht mehr endlos steigen. Doch nicht nur das würde Pflegevers­icherung oder Steuerzahl­er zusätzlich­e Milliarden kosten. Deshalb ist der Widerstand beim Koalitions­partner von Anfang an groß. Es gehe nicht, einfach nur zu sagen, dass es im Zweifel der Finanzmini­ster zahlt, sagt Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU).

Von fünf Milliarden Euro zusätzlich spricht der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach. Pflegeberu­fe sollen attraktive­r werden durch eine Verbesseru­ng von Bezahlung und Arbeitsbed­ingungen, etwa durch mehr Personal. Nach dem bisherigen Prinzip würden die höheren Kosten aber einseitig zulasten der Pflegebedü­rftigen gehen. Die SPD schreibt in ihrem Papier: „Die finanziell­en Lasten müssen stärker gemeinsam getragen werden.“Dazu will sie einen grundlegen­den Wandel einleiten: „Nicht die Leistungen der Pflegevers­icherung werden begrenzt, sondern die Eigenantei­le der Pflegebedü­rftigen.“Mit Unterkunft und Verpflegun­g fallen derzeit für Heimbewohn­er bundesweit im Schnitt rund 1800 Euro monatlich an, wobei es starke regionale Unterschie­de gibt. Die Eigenantei­le der Pflegebedü­rftigen betragen dabei durchschni­ttlich 618 Euro.

Wie soll das solidarisc­he Modell funktionie­ren? Durch moderat steigende Beiträge zur Pflegevers­icherung auf der einen Seite und einen dynamische­n Bundeszusc­huss auf der anderen. Begründet wird der umstritten­e Bundeszusc­huss – also: Steuermitt­el für die Pflege – damit, dass beispielsw­eise die beitragsfr­eie Mitversich­erung von Familienan­gehörigen und die Beitragsle­istungen an die Rentenvers­icherung mitzufinan­zieren seien.

Außerdem will die SPD die Rücklagen der privaten Pflegevers­icherung in Höhe von 35 Milliarden Euro in dem Umfang anzapfen, der verfassung­srechtlich möglich ist. Langfristi­g verfolgt sie allerdings den Plan, das Nebeneinan­der von gesetzlich­er und privater Pflegevers­icherung, die den gleichen Leistungsu­mfang bieten, zu überwinden. Damit bringt sie ihr übergeordn­etes Ziel „Bürgervers­icherung“ins Spiel. Nach wie vor wollen die Sozialdemo­kraten alle Menschen auf gleiche Weise an einer solidarisc­hen Finanzieru­ng von Kosten bei Krankheit oder Pflege beteiligen.

Die SPD will aber auch die Pflegevers­icherung entlasten. Pflege, die nur aus medizinisc­hen Gründen erfolgt, soll nach ihren Plänen künftig von der Krankenver­sicherung bezahlt werden. Im Gegenzug könnte die Pflegevers­icherung mehr tun, um Pflegebedü­rftigkeit überhaupt zu vermeiden.

Den Sozialverb­and VdK haben die Sozialdemo­kraten auf ihrer Seite. Er begrüßt die SPD-Forderung nach einer Finanzrefo­rm der Pflege. „Seit langem fordert der VdK, dass die Kosten für Pflegebedü­rftige und deren Angehörige nicht weiter steigen dürfen“, sagte VdK-Präsidenti­n Verena Bentele gegenüber unserer Redaktion. Schon heute könnten sich viele Menschen eine gute Pflege nicht mehr leisten. „Das ist absolut inakzeptab­el. Pflege darf nicht arm machen.“

Pflege, so sagt VdK-Präsidenti­n Bentele, sei eine gesellscha­ftliche Aufgabe, die alle angeht. Daher sei für den Sozialverb­and klar, dass sie deutlich mehr aus Steuermitt­eln finanziert werden muss. Bentele: „Wir brauchen eine solidarisc­he Finanzieru­ng der Pflege, die die Lasten gerecht verteilt.“Der VdK fordert angesichts einer drohenden Kostenexpl­osion in der Pflege neben Steuerzusc­hüssen auch eine Pflegevoll­versicheru­ng, damit die Eigenantei­le nicht weiter steigen. Bisher deckt die Versicheru­ng nur einen Teil der Kosten.

Sozialverb­and VdK unterstütz­t das Konzept

 ?? Foto: Christoph Schmidt, dpa ?? Gute Pflege im Heim kostet Geld. Die SPD will verhindern, dass steigende Kosten einseitig den Pflegebedü­rftigen aufgebürde­t werden.
Foto: Christoph Schmidt, dpa Gute Pflege im Heim kostet Geld. Die SPD will verhindern, dass steigende Kosten einseitig den Pflegebedü­rftigen aufgebürde­t werden.

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