Wertinger Zeitung

Libyen hat Angst vor Bürgerkrie­g

Was steckt hinter den Angriffen eines Generals auf Tripolis?

- VON THOMAS SEIBERT

Tripolis/Istanbul Die Kampfgeräu­sche sind am Montag in ganz Tripolis zu hören. Kampfflugz­euge fliegen über der Stadt, Maschineng­ewehrfeuer ist zu hören, ebenso wie die Einschläge von Granaten und Bomben, über dem Rollfeld des einzig verblieben­en Flughafen von Tripolis sind Rauchsäule­n zu sehen: Die Kämpfe in den Außenbezir­ken der libyschen Hauptstadt schüren die Befürchtun­g, das ölreiche nordafrika­nische Land könnte in einem neuen Bürgerkrie­g versinken. Im Mittelpunk­t der neuen Konfrontat­ion steht General Khalifa Haftar, der ost-libysche Truppen in den Kampf gegen die west-libysche Regierung führt.

Haftar ist eine schillernd­e Persönlich­keit – er ist ein früherer Offizier des 2011 entmachtet­en Diktators Muammar Gaddafi. Im amerikanis­chen Exil nahm Haftar die USStaatsbü­rgerschaft an, arbeitete offenbar eng mit der CIA zusammen und präsentier­t sich jetzt als Befreier des Landes. Angeblich geht es Haftar allein um den Kampf gegen Extremiste­n. Während sich seine Libysche Nationale Armee - kurz LNA am Stadtrand von Tripolis erste Gefechte mit Milizen der internatio­nal anerkannte­n Regierung lieferten, telefonier­te Haftar mit dem russischen Vize-Außenminis­ter Mikhail Bogdanow. In dem Gespräch betonte Haftar nach Angaben Moskaus seine Entschloss­enheit, „Terroriste­n in Libyen zu bekämpfen“.

Dass Haftar in dieser heiklen Phase des Konflikts den engen Kontakt zum Kreml sucht, ist ein Zeichen für seine Bereitscha­ft, mit vielen verschiede­nen Seiten zu kooperiere­n. Der General verfolgt dabei vor allem seine eigenen Ziele.

In den Wirren nach der Entmachtun­g und Ermordung Gaddafis im Jahr 2011 bildeten sich zwei rivalisier­ende Regierunge­n des Landes heraus: die von der UNO anerkannte Führung in Tripolis und eine Parallel-Regierung im Osten des Landes. Der erfolgreic­he Feldzug gegen die islamistis­chen Extremiste­n in Benghazi stärkte Haftars Macht im Osten Libyens, doch im Westen des Landes blieb er wegen seiner Vergangenh­eit als Gaddafi-Anhänger vielen seiner Landsleute suspekt.

Dass Haftar nun mit der angekündig­ten Schlacht um Tripolis eine neue blutige Phase in dem Konflikt einläuten will, hat die internatio­nale Gemeinscha­ft geschockt. UN, USA und andere Akteure fordern Verhandlun­gen zwischen den Konfliktpa­rteien. Ob Haftar mit der Offensive nach der Macht über ganz Libyen greift, ist offen. Dem General muss klar sein, dass seine Truppen die Hauptstadt nur in verlustrei­chen Gefechten einnehmen können. Deshalb vermuten einige Beobachter, dass Haftars Offensive auf eine Konferenz zielt, die die UNO für Mitte des Monats plant: Die Weltorgani­sation will die beiden rivalisier­enden Regierung dazu bewegen, der Bildung einer gemeinsame­n Führung und freien Wahlen zuzustimme­n. Haftar will offenbar sicherstel­len, dass man an ihm nicht vorbeikomm­t.

 ?? Foto: dpa ?? General Khalifa Haftar schürt in Libyen Angst vor einem Bürgerkrie­g.
Foto: dpa General Khalifa Haftar schürt in Libyen Angst vor einem Bürgerkrie­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany