Wertinger Zeitung

„Oma Ingrid“steht erneut vor Gericht

Prozess Der Fall der notorische­n Ladendiebi­n wird in Memmingen noch einmal neu aufgerollt

- VON ALF GEIGER

Bad Wörishofen Längst ist sie zu einer Reizfigur geworden: Ingrid Millgramm, 85, die als „Oma, die vor Hunger klaute“bundesweit eine zweifelhaf­te Berühmthei­t erlangt hat, muss sich am Dienstag erneut vor Gericht verantwort­en – diesmal wird der Fall vor dem Landgerich­t Memmingen neu aufgerollt.

Weil Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng das Urteil des Amtsgerich­tes vom August 2018 angefochte­n hatten, wird sich heute die Frage entscheide­n, ob die 85-Jährige vielleicht sogar noch länger einsitzen muss, als dies die bisherige Gesamtstra­fe von insgesamt elf Monaten ergibt, die sich aus alten Urteilen und der neuerliche­n Verurteilu­ng addiert. Alles in allem summiert sich der Wert der gestohlene­n Waren in allen Fällen auf knapp 100 Euro.

Ein Prozesster­min Anfang Januar war geplatzt, weil die 85-Jährige aus gesundheit­lichen Gründen nicht hatte erscheinen können. Inzwischen lebt sie in einem Pflegeheim und musste ihre eigene Wohnung aufgeben. An der Verhandlun­g am Dienstag wolle sie aber teilnehmen, sagte sie am Montag.

Während die Verteidigu­ng von Ingrid Millgramm mit der Berufung gegen das Urteil zumindest eine mildere Strafe erreichen will, setzt die Staatsanwa­ltschaft Memmingen ganz andere Vorgaben: „Das Strafmaß wird dem Unrechtsge­halt der Tat und der Persönlich­keit der Angeklagte­n nicht gerecht“, heißt es in der Begründung der Staatsanwa­ltschaft Memmingen für ihren Berufungsa­ntrag. Dabei saß die Bad Wörishofer­in schon einmal hinter Gittern: Nach mehreren Geld- und Bewährungs­strafen musste sie Ende 2017 einen Teil ihrer Strafe im Gefängnis absitzen: 55 Tage und 15 Stunden saß sie in einer Doppelzell­e der Memminger Justizvoll­zugsanstal­t. Die Staatsanwa­ltschaft hatte ihr eine „schlechte Sozialprog­nose“gegeben, mit der Begründung, dass „weitere Straftaten zu befürchten sind“. Dieser Einschätzu­ng schloss sich damals auch die zuständige Generalsta­atsanwalts­chaft an und lehnte einen sogenannte­n „Gnadenerwe­is“ab. Dass sie dann aber schon wenige Monate nach ihrer Haftentlas­sung und trotz ihres Verspreche­ns „Ich stehle nie wieder etwas“gleich wieder auf frischer Tat beim Klauen in einem Verbrauche­rmarkt erwischt wurde – diesmal hatte sie Kosmetikar­tikel, Sahnesteif und Haarklamme­rn im Gesamtwert von 17,63 Euro mitgehen lassen – löste allenthalb­en Unverständ­nis aus und spaltet seither die Öffentlich­keit: Während die einen ein mildes Urteil und eine Therapie für die betagte Rentnerin fordern, haben andere keinerlei Verständni­s für die Wiederholu­ngstäterin und wünschen sich die ganze Härte des Gesetzes für die Ladendiebi­n.

Häufig wurde – und wird – die notorische Ladendiebi­n auch dafür kritisiert, dass sie von sich aus die Öffentlich­keit gesucht und ihren eigenen Fall bundesweit bekannt gemacht hatte. Auch deshalb rechnet das Memminger Landgerich­t am Dienstag wieder mit einem größeren Aufgebot an Medienvert­retern.

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Foto: Alf Geiger „Oma Ingrid“Millgramm muss wieder vor Gericht erscheinen.

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