Wertinger Zeitung

Minis im Museum

Ausstellun­g Mit kurzen Röcken revolution­ierte die Britin Mary Quant in den 60ern nicht nur die Modewelt

- VON KATRIN PRIBYL

London Es geht hier um viel, viel mehr als um ein Stück Stoff. Um Freiheit und Lust. Um Spaß, Hoffnung und Revolution. Und vor allem um Frauen, die sich emanzipier­ten. Und Mary Quant, wenn man so will, sorgte für den Look einer Zeit und eines Lebensgefü­hls. Sie kleidete die Feministin­nen ein. Unter anderem mit Miniröcken.

Nun widmet sich eine Ausstellun­g im Londoner Victoria & Albert Museum, kurz V&A, dem Wirken der britischen Modedesign­erin. Diese prägte wie kaum eine andere den bis heute berühmten LondonStil: einfache Formen, schreiende Farben, weiße Plastikkrä­gen, kantige Schnitte, Lackleders­tiefel mit hohem Schaft, knallbunte Strumpfhos­en. Der Star ihrer Kreationen aber war der Minirock. Dabei sei sie gar nicht die Erfinderin dieser modischen Provokatio­n – diese Ehre wird dem französisc­hen Designer André Courrèges zuteil –, sondern vielmehr „Botschafte­rin des Minirocks“, betont Tristram Hunt, Direktor des V&A. Trotzdem war es ohne Zweifel Quant, die das Stück Stoff auf die Straßen brachte, populär machte und so eine gesellscha­ftliche Revolution auslöste.

Und so beschränkt sich die Ausstellun­g auch nicht auf den Minirock, sondern beleuchtet mithilfe von mehr als 120 Outfits, Videos, Fotos und Accessoire­s die ersten 20 Jahre ihrer Karriere ab 1955 – als Quant im Londoner Szene-Stadtteil Chelsea auf der King’s Road ihre erste Modeboutiq­ue „Bazaar“eröffnete. „Wir wussten, dass wir selbst etwas tun mussten, oder es würde überhaupt nichts passieren“, sagt die heute 89-Jährige über den Weg zu ihren farbenfroh­en Kreationen, die in das Grau und die Spießigkei­t der damaligen Zeit platzten wie ungebetene Partywütig­e in einen Privatklub der englischen Oberklasse.

Es war Mitte der 50er Jahre, als sich Großbritan­nien von der kargen Nachkriegs­zeit mit den rationiert­en Lebensmitt­eln und den eintönigen Klamotten erholte und immer mehr junge Menschen gegen prüde Garderobe und altbackene Gesinnung rebelliert­en. „Mode war damals nicht für die Jungen gemacht“, sagte Mary Quant später. Zu teuer, zu ungeeignet für den Alltag, schlicht „unmöglich“. Sie dagegen wollte Kleider schaffen, in denen man tanzen, herumsprin­gen und dem Bus hinterherr­ennen konnte – „die Spaß machen“. Also ließ die zierliche Frau mit der Helmfrisur den Rocksaum so weit über die kritische Knielänge wandern, dass Mütter rot und Väter wütend wurden – und benannte ihre erste Kollektion nach ihrem Lieblingsa­uto, dem Mini. Der Look passte perfekt zu den „Swinging Sixties“in Englands Hauptstadt; Quant selbst wurde zur Mode-Ikone dieses neuen London.

Königin Elizabeth II. würdigte bereits 1966 ihre Verdienste um die Mode und verlieh ihr einen Orden. Natürlich erschien Quant in Minirock im Buckingham-Palast. Dieser ist ebenfalls in der Ausstellun­g, die bis zum 16. Februar 2020 läuft, zu sehen. Doch wer bitte hätte dort Hosen erwartet? Die seien ein großer Teil der Geschichte, erklärt CoKuratori­n Stephanie Wood. „Quant gehört zu den ersten Designern, die Hosen als sexy-elegante Frauenmode bewarben.“Mode könne, sagt sie, sozialen Wandel reflektier­en – und ihn antreiben. Mary Quant gelang beides.

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Foto: D. Lipinski, dpa Einfach, farbenfroh und kurz: So sind Quants Entwürfe. Eine Ausstellun­g im Londoner Victoria & Albert Museum zeigt mehr als 120 Kleidungss­tücke.

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