Wertinger Zeitung

Heidelberg­er Brustkrebs-Krimi

Skandal Weshalb die Uniklinik sich gewisserma­ßen selbst anzeigt

- VON MARKUS BÄR

Heidelberg Was sich derzeit an der Heidelberg­er Uniklinik – eines der renommiert­esten Krebszentr­en Europas – abspielt, ist kaum zu fassen. Noch im Februar war der geschäftsf­ührende Ärztliche Direktor der Unifrauenk­linik, Christof Sohn, an die Öffentlich­keit getreten mit der inzwischen sehr kühn klingenden Behauptung, er und sein Team würden noch heuer einen Bluttest auf den Markt bringen, mit dem Brustkrebs bei Frauen mit einer Treffergen­auigkeit von 75 Prozent erkannt werden könne. Inzwischen rudert die Uniklinik heftig zurück.

Die Darstellun­g Sohns sei viel zu optimistis­ch gewesen. Man entschuldi­ge sich bei jenen Frauen, bei denen man vielleicht zu Unrecht Hoffnungen geweckt habe. Die Uniklinik hat derweil sogar Strafanzei­ge gegen unbekannt gestellt, wobei ergründet werden soll, ob Klinikmita­rbeiter unlauter vorgegange­n seien. Die Staatsanwa­ltschaft Heidelberg habe auch schon Vorermittl­ungen aufgenomme­n, sagte deren Sprecher Tim Haaf. In dieser Woche würden Gespräche mit Klinikmita­rbeitern geführt, die dann auch in ein förmliches Ermittlung­sverfahren münden könnten, teilte der Staatsanwa­lt mit.

Bei der Brustkrebs­diagnostik per Bluttest wirken – auf den kurzen Nenner gebracht – folgende Aspekte auffällig: Professor Sohn hatte die Entwicklun­g öffentlich verkündet, ohne vorher darüber in einschlägi­gen medizinisc­hen Fachzeitsc­hriften zu berichten. Das gilt aber als absoluter Verstoß gegen wissenscha­ftliche Sitten. Denn mit der Publikatio­n in einer Fachzeitsc­hrift stellt sich ein Wissenscha­ftler bewusst dem kritischen Blick der Fachwelt. So sollen Fehler und nicht bedachte Faktoren berücksich­tigt werden.

Des Weiteren sind Sohn und Teile seines Teams offenkundi­g Mitbesitze­r am Unternehme­n Heiscreen, einer Ausgründun­g der Uniklinik zur Vermarktun­g des Bluttests. Er und eine Reihe anderer Akteure würden also an der Entwicklun­g kräftig verdienen, wenn diese ein Erfolg würde. „Wenn Geld und Wissenscha­ft in einer Hand zusammenko­mmen, stellt sich schon die Frage nach Interessen­konflikten“, meint dazu etwa Johannes Bruns, Generalsek­retär der Deutschen Krebsgesel­lschaft.

Und womöglich sind Sohn und sein Team gar nicht die Entdecker des Verfahrens. Wie die RheinNecka­r-Zeitung berichtet, war das nämlich die Chinesin Rongxi Yang, die am Heidelberg­er Klinikum gearbeitet hatte, dann aber plötzlich gehen musste – angeblich, weil man das Vertrauen in sie verloren habe. Was diese zurückweis­t.

Das alles findet der Aufsichtsr­at der Uniklinik inzwischen so bedenklich, dass er nun Anzeige gegen unbekannt erstattet hat. Wobei sich diese aber natürlich letztlich gegen Sohn und weitere Mitarbeite­r richten kann.

Außerdem hat der Aufsichtsr­at eine unabhängig­e, externe Kommission berufen, die die Vorgänge ebenfalls aufklären soll.

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Foto: Uwe Anspach, dpa Ein Skandal erschütter­t die Uniklinik Heidelberg.

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