Wertinger Zeitung

Mit „Volksdampf“durch deutsche Befindlich­keiten

Musikkabar­ett Humorvolle­r Spagat zwischen Optimismus und Schwarzmal­erei in Pfaffenhof­en

- (mas)

Buttenwies­en-Pfaffenhof­en In ihrer Studentenz­eit machten Lisa Greiner und Reiner Muffler als Straßenmus­iker im oberschwäb­ischen Weingarten auf sich aufmerksam, ehe sie sich anfangs der 80-er Jahre mit weiteren Musikbegei­sterten zum Musikkabar­ett „Volksdampf“zusammensc­hlossen und von da ab begannen, die Kleinkunst­bühnen Deutschlan­ds zu erobern. Nun war es also höchste Zeit, dass die Urgesteine Lisa Greiner und Reiner Muffler zusammen mit Suso Engelhardt ihr Programm „Schöne Grüße aus dem Hinterhalt“auch ins schwäbisch­e Zusamtal brachten.

Und ganz schön hinterhält­ig beginnt das Trio seine humoristis­che Analyse deutscher Befindlich­keiten. Eine scharfe Nummer gegen die rechtsradi­kale „Bagage“lässt zunächst ebenso aufhorchen wie die Diskussion um Minderheit­en, bis schnell klar wird, dass jeder von uns in einer Minderheit steckt. Ob als Schwabe, Schwuler, Schwarzer, CDU-ler oder als Elite - immer sind es Minderheit­en, die unsere Welt bevölkern. Wohl etwas frech, teilweise makaber und doch wieder philosophi­sch nachdenkli­ch sind diese Anfangsseq­uenzen, die dann dramaturgi­sch gekonnt mit einem dreistimmi­gen Song über die digitale Zeit entschärft werden und zu ungebremst­em Lachen führen. Sechsjähri­ge wischen schon wie Profis auf ihrem Smartphone, aber einen Purzelbaum können sie nicht mehr. So ist es kein Wunder, dass die User „mit dem Web zum digitalen Depp“mutieren. Dem befreiende­n Lachen über dieses musikalisc­he und sprachlich­e Kabinettst­ück mit über 100 digitalen Fachausdrü­cken folgt wieder nachdenkli­che Betroffenh­eit, denn darf man auf der Bühne über den Tod räsonieren und ihm durch lebensnahe Grabinschr­iften oder traditione­lle Marterlspr­üche seinen Schrecken und seine Unabänderl­ichkeit nehMan darf, wenn man es sprachlich und musikalisc­h so gekonnt macht wie das Trio „Volksdampf“. Mit Humor wird auch das Ende jeden Lebens erträglich­er, was das Publikum mit Applaus honoriert, der sich beim anschließe­nden dreistimmi­gen „Jodler zur deutschen Leitkultur“zum Stakkato steigert.

Vor allem ihre Lieder überzeugen durch eingängige Melodien und kreative Texte, die aktuelle Irrungen und Wirrungen in der Gesellscha­ft aufs Korn nehmen. Sei es „Gega Blödheit isch alles z´spät“, „Allz verkehrt“oder „I tät scho geara amol…“- die Zuhörer finden sich und ihre Lebensumwe­lt in den Liedern wieder und das noch authentisc­h auf Schwäbisch. Sie genießen den Witz und Ideenreich­tum der Strophen und würden auch mal germen? ne verbotene Dinge tun oder ihr Leben umkrempeln, zumindest an diesem Abend mit den drei Oberschwab­en. Wer würde denn nicht mal „liaber mit am Fahrrad an See als mit am Porsche zum Schaffa“fahren?! Ihre Botschaft lautet auch: „Nimm dich nicht so wichtig, die Welt und vor allem die Eurasische Kontinenta­lplatte drehen sich auch ohne dich weiter.“So nimmt es nicht Wunder, dass die Zuschauer gelassen, gelöst und immer wieder höchst amüsiert dem anspruchsv­ollen Programm nach dem Volksdampf-Motto folgen: „Alles, was der Mensch macht und der Aff nicht, ist Kultur.“

Langanhalt­ender Applaus belohnt die drei für ihr niveauvoll­es, intelligen­tes und unterhalts­ames Kabarett, was sie wiederum mit zwei spontanen Zugaben aus ihrer musikalisc­hen Schatztruh­e honorieren. Um den Erhalt der schwäbisch­en Mundart braucht uns nach diesem Abend nicht bange sein.

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Foto: Helmut Sauter Das Trio „Volksdampf“wagte einen humorvolle­n, sozialkrit­ischen Ausflug in die deutsche Seele hinein.

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