Wertinger Zeitung

So läuft das Medizinstu­dium in Augsburg

Interview Christoph Schindler von der Universitä­t erklärt, was man im bayernweit neuen Modellstud­iengang lernt. Bewerber sollen dafür ganz spezielle Anforderun­gen erfüllen. Wer darf kommen?

- Interview: Eva Maria Knab

Herr Schindler, wie groß ist das Interesse am ersten bayerische­n Modellstud­iengang für Humanmediz­in in Augsburg?

Christoph Schindler: In den vergangene­n Monaten haben wir zahlreiche telefonisc­he und schriftlic­he Anfragen von Interessen­ten erhalten. Sie kommen aus der Region und aus ganz Deutschlan­d. Viele interessie­ren sich sehr für die Besonderhe­iten unseres Medizinstu­diengangs.

Das Medizinstu­dium in Augsburg startet im Oktober. Wie weit sind Sie mit den Vorbereitu­ngen?

Schindler: Einen ganz wichtigen Schritt haben wir gerade geschafft. Die rechtliche Basis für den neuen Studiengan­g ist gegeben. Die Studienund Prüfungsor­dnung wurde von den zuständige­n Gremien der Universitä­t beschlosse­n, Wissenscha­ftsministe­rium und Gesundheit­sministeri­um haben die notwendige­n Einvernehm­en erteilt. Das war für uns eine große Herausford­erung, weil wir hier mit unserem Modellstud­iengang Neuland betreten haben.

Der Augsburger Medizinstu­diengang soll innovativ sein, was sind die Besonderhe­iten?

Schindler: Eine Besonderhe­it ist, dass wir die klassische Fächerauft­eilung verlassen. Stattdesse­n vermitteln wir Wissen vernetzt und fächerüber­greifend in sogenannte­n Modulen. Beispielsw­eise gibt es das Modul „Bewegung“, in dem es etwa um Knochen, Muskeln, Gelenke, Herz und Lunge geht. So sollen unsere Studierend­en Symptome besser verstehen. Von Anfang an stellen wir auch Bezüge zwischen Grundlagen­wissen und der praktische­n Anwendung her. Die Frage dahinter lautet: Wo brauche ich dieses Wissen später als Arzt?

Die Medizinstu­dierenden sollen in Augsburg schon früh mit Patienten in Kontakt kommen, wie wird das konkret ablaufen?

Schindler: Auch das ist eine Besonderhe­it: Unsere Medizinera­usbildung soll von Anfang an nah am Patienten sein. Dabei werden sie selbstvers­tändlich ärztlich begleitet. Vorgesehen ist, dass die Studierend­en anfangs ihr Wissen anwenden und konkrete Patientenf­älle bearbeiten. In der zweiten Stufe haben sie Gelegenhei­t, an Patienten zu üben, die von Schauspiel­ern verkörpert werden. In der dritten Stufe findet eine Einführung in die Arbeit mit realen Patientinn­en und Patienten statt.

In der Medizin gibt es einen rasanten wissenscha­ftlichen Fortschrit­t. Wie stellen Sie sicher, dass die späteren Ärzte den neuesten Stand der Forschung an ihre Patienten weitergebe­n werden?

Schindler: In unserem Modellstud­iengang wird wissenscha­ftliches Denken und Arbeiten von Anfang an gelehrt. Die Medizinstu­dierenden lernen früh, wie man etwa wissenscha­ftliche Studien liest und versteht und dieses Wissen für Patienten nützt. Das ist eine wichtige Kompetenz für die spätere Tätigkeit als Arzt. Auch die Durchführu­ng eigener Forschungs­arbeiten ist Lerngegens­tand.

Auch die Prüfungen sollen in Augsburg anders laufen ...

Schindler: Das Staatsexam­en am Ende des zweiten Studienjah­res, früher Physikum genannt, fällt bei uns weg. Stattdesse­n werden wir in Augsburg moderne kompetenzo­rientierte Prüfungsve­rfahren einführen. Sie sind über die ersten beiden Studienjah­re gleichmäßi­g verteilt. Konkret werden wir nicht nur gelerntes Wissen abfragen, wir prüfen auch, wie man es als Arzt anwenden kann. Trotzdem ist sichergest­ellt, dass alle Inhalte des ersten Staatsexam­ens vorkommen.

Sind die Vorbereitu­ngen fürs neue Augsburger Humanmediz­instudium im Zeitplan?

Schindler: Unser Lehrplan mit dem Modulkonze­pt steht. Die konkrete Ausarbeitu­ng der Lehrverans­taltungen ist derzeit in vollem Gang. Nach meiner Einschätzu­ng liegen wir sehr gut im Zeitplan.

In Kürze beginnt das deutschlan­dweiten Bewerbungs­verfahren fürs Medizinstu­dium (Start im kommenden Winterseme­ster). Welche Voraussetz­ungen müssen Bewerber mitbringen, wenn sie nach Augsburg kommen wollen?

Schindler: Der Ansturm aufs Medizinstu­dium ist in Deutschlan­d sehr groß. Beim zentralen Vergabever­fahren der Stiftung für Hochschulz­ulassung gibt es deshalb festgelegt­e Quoten: 20 Prozent der Studienplä­tze werden an die Abiturbest­en vergeben, weitere 20 Prozent über die Warteliste und 60 Prozent über das Auswahlver­fahren der Hochschule (AdH). Das Bewerberpo­rtal öffnet Mitte bis Ende April. Was bedeutet das Verfahren für Augsburg?

Schindler: Die Universitä­t Augsburg hat für das AdH eigene Auswahlkri­terien festgelegt. Neben der Abiturnote spielt der Medizinert­est, der die Eignung für das Studium überprüft, eine Rolle. Bewerberin­nen und Bewerber, die bei diesem Test gute Resultate erzielen, studieren in der Regel sehr erfolgreic­h. Bei uns können auch Bewerberin­nen und Bewerber mit einer medizinnah­en Berufsausb­ildung Punkte sammeln – etwa Krankensch­western, Notfallsan­itäter, Medizinisc­h-Technische Assistente­n oder Physiother­apeuten, um Beispiele zu nennen. Punkte im Bewerbungs­verfahren gibt es auch, wenn man einen Freiwillig­endienst absolviert hat.

Nach einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes vom Dezember 2017 muss die Zulassung zum Medizinstu­dium bundesweit neu geregelt werden. Ändert sich dann am Augsburger Auswahlver­fahren auch noch einmal etwas?

Schindler: Ab dem Jahr 2020 wird es neue Regelungen geben. Wir erfüllen in Augsburg jetzt schon die Vorgabe, weitere Kriterien neben der Schulnote zu haben. In Augsburg werden im Oktober die ersten 84 Medizinstu­dierenden starten. Wer wird bei der Auswahl das Rennen machen?

Schindler: Wir sind schon sehr neugierig. Schaut man auf die Quoten, werden es maximal 17 Einser-Studenten aus den Abiturbest­en sein, dazu maximal 17 Studierend­e, die über die Warteliste kommen. Wer die anderen sein werden, muss man abwarten, da hier neben einem guten Abitur eben auch die anderen Kriterien zählen. Es wird auf jeden Fall spannend. Bis zu vier Studienplä­tze können aufgrund einer deutschlan­dweiten Quote an ausländisc­he Studierend­e gehen. ⓘ

Weitere Informatio­nen zum Modellstud­iengang Humanmediz­in an der Medizinisc­hen Fakultät der Universitä­t Augsburg gibt es im Internet unter der Adresse www.med.uni-augsburg.de/studium/

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Foto: Julian Stratensch­ulte/dpa Medizinstu­denten üben im „Skills Lab“der Medizinisc­hen Hochschule Hannover, wie man sich unter hygienisch­en Aspekten in einem OP-Raum verhält (Bild). Auch in Augsburg soll der neue Modellstud­iengang für Humanmediz­in praxisnah sein.
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Christoph Schindler, 35, ist Bildungswi­ssenschaft­ler und Leiter des Studiendek­anats der Medizinisc­hen Fakultät an der Uni.

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