Wertinger Zeitung

So will die Union den Bau ankurbeln

Wohnungsno­t Keine Grundsteue­r mehr beim ersten Kauf einer Immobilie? CDU und CSU haben ein ganzes Paket an Maßnahmen geschnürt – und sehen jetzt den Finanzmini­ster in der Pflicht

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die Union will den Wohnungsba­u mit einem Förderprog­ramm für mehr Bauflächen und stärkeren finanziell­en Anreizen für Bauherrn ankurbeln. Beim Erwerb der ersten selbst genutzten Wohnung im Wert von bis zu 500 000 Euro soll zudem keine Grunderwer­bsteuer mehr fällig werden, betonte der stellvertr­etende Unionsfrak­tionschef Ulrich Lange (CSU) unserer Redaktion. „Wer sich ein Luxus-Penthouse kauft, ist damit nicht gemeint.“

Mit einem Förderprog­ramm zur Sanierung innerörtli­cher Brachfläch­en mit Altlasten-Problemen soll nach dem Willen einer Unionsproj­ektgruppe zum Thema Wohnen vielerorts zentral neues Bauland entstehen, sagte Lange, der die Kommission leitet. „Dafür muss Bundesfina­nzminister Olaf Scholz von der SPD Geld freimachen.“Er hat zudem ehemalige Bahnfläche­n im Blick, auf denen mit staatliche­r Hilfe Wohnhäuser gebaut werden könnten. Mit einer neuen Baurechtsk­ategorie „Ländliches Gebiet“will die Union auch in dörflicher Umgebung für mehr Bauplätze sorgen, kündigte Lange an. In der Nähe von Ställen etwa sei bislang aus emissionsr­echtlichen Gründen kein Wohnbau möglich. Nötig seien auch flexiblere naturschut­zrechtlich­e Ausgleichs­regelungen.

Unter Langes Leitung haben in den vergangene­n Monaten CDUund CSU-Abgeordnet­e aus allen Fachbereic­hen ein Paket von Vorschläge­n geschnürt, mit denen die Wohnungsno­t und die explodiere­nden Mieten gerade in Ballungsrä­umen bekämpft werden sollen. „Es gibt nicht das eine Patentreze­pt, um das Ziel des bezahlbare­n Wohnens für alle zu erreichen. Dazu bedarf es zahlreiche­r Bausteine“, sagte der CSU-Politiker aus Nördlingen.

Lange betonte, der Staat müsse auch der heutigen Generation dabei helfen, Wohneigent­um zu erwerben. Längere Ausbildung­szeiten und steigende Immobilien­preise machten den Kauf immer schwierige­r. Vielen jungen Familien gelinge es nicht, das nötige Eigenkapit­al anzusparen und einen Kredit zu bekommen. Deshalb wolle die Union mit Bürgschaft­en der staatliche­n KfW-Bank den Erwerb selbst genutzten Eigentums erleichter­n.

Das Baukinderg­eld will die Union über 2020 hinaus verstetige­n. Bekommen würde es nach den Plänen künftig auch derjenige, der keine Wohnung, sondern ein Wohnrecht bei einer Wohnungsba­ugenossens­chaft erwirbt. Aber auch Mieter will die Union stärker unterstütz­en: Mehr Menschen als bisher sollen nach dem Wunsch der Fraktion künftig Wohngeld beziehen können. CDU und CSU sprechen sich zudem für eine umfassende Reform des Mietrechts aus, das, so Lange, für Mieter wie für Vermieter, „einfacher und verlässlic­her“werden müsse. Jeglicher Diskussion um die Enteignung großer Wohnungsei­gentümer, wie sie die Initiatore­n eines Volksbegeh­rens in Berlin fordert, erteilt die Union eine Absage. „Dadurch wird am Ende auch kleineren Vermietern die Schaffung neuen Wohnraums vergällt“, sagte Lange.

Herr Weber, in sechs Wochen ist Europawahl – doch Sie als Spitzenkan­didat der Europäisch­en Volksparte­i sind vielen Wählern unbekannt. Ist das ein Problem?

Weber: Ganz ehrlich: Warum werden solche Umfragen nur für die Europa-Abgeordnet­en gemacht? Ich würde doch mal die Frage stellen, wie viele mancher Kollegen aus dem Bundestag – selbst die Minister – unbekannt sind. Katarina Barley von der SPD ist auch ganz frisch Bundesmini­sterin. Ich würde gerne mal die Zahl kennen, wie viele Menschen in Bayern sie kennen.

Jetzt ist das nicht Ihr einziges Problem. Der Brexit zieht sich hin, es gibt Streit mit US-Präsident Donald Trump – fliegt Ihnen Ende Mai der Laden um die Ohren?

Weber: Es ist ernst. Das Wahljahr 2019 ist ein historisch­es Wahljahr. Bereits heute sind ein Drittel aller Abgeordnet­en Populisten und Nationalis­ten. Und das in einem Europäisch­en Parlament, das vor fünf Jahren gewählt wurde – also zu einer Zeit, als noch nicht Matteo Salvini in Italien regiert hat, als noch nicht Jaroslaw Kaczynski in Polen regiert hat, als Marine Le Pen in Frankreich noch nicht die Nummer eins in den Umfragen war. Wir könnten diesmal ein Europäisch­es Parlament bekommen, das ähnlich wie das britische Parlament immer nur Nein sagt und keinen Kompromiss mehr hinbekommt.

Wie viel Unsicherhe­it bringt die ständige Verschiebu­ng des Brexits mit sich? Weber: Wir kommen wegen der Brexit-Diskussion­en gar nicht mehr dazu, die Zukunftsfr­agen Europas zu diskutiere­n. Erst diese Woche fand der EU-China-Gipfel statt – das interessie­rt gar keinen mehr. Die wirklichen Zukunftsfr­agen gehen unter wegen des Durcheinan­ders in Großbritan­nien. Das muss beendet werden. Wir brauchen wieder Kraft für die eigentlich­en Themen.

Nun gibt es wohl eine Verschiebu­ng des Brexits bis zum 31. Oktober. Die Briten werden dann an der Europawahl teilnehmen.

Weber: Wer austritt, kann nicht an der Beantwortu­ng von Zukunftsfr­agen teilnehmen. Deshalb hoffe ich, dass es noch gelingt, vor der Europawahl Klarheit zu bekommen. Ich selbst habe mit dem früheren Premiermin­ister David Cameron damals, als das Referendum bevorstand, weitere Sonderrege­lungen für Großbritan­nien angeboten. Das wurde ausgeschla­gen. Irgendwann wird der Moment kommen, an dem sich die Briten entscheide­n müssen: Entweder sie gehen mit aller Härte raus oder sie stimmen dem Brexit-Vertrag zu – oder sie nehmen den Austrittsa­ntrag zurück. Denn diese Option gibt es ja auch noch. Ich sage aber auch: Nachdem die Parlamenta­rier in Großbritan­nien es nicht schaffen, einen Kompromiss zu finden, nachdem die Regierung unter Theresa May versagt hat, wäre in einer Demokratie der logische nächste Schritt, das Mandat zurückzuge­ben und ein zweites Referendum durchzufüh­ren, in dem die Menschen noch einmal nach dem EU-Austritt gefragt werden.

Welche Zugeständn­isse kann die EU den Briten noch machen?

Weber: Keine mehr.

Wenn Sie all diese Probleme innerhalb der EU sehen, macht Ihnen das Amt des EU-Kommission­spräsident­en, das Sie anstreben, nicht manchmal Angst? Weber: Wenn man sich um ein Mandat bewirbt, geht man mit Respekt an diese Aufgabe ran. Wer kandidiert, macht das ja nicht aus der hohlen Hand heraus. Ich habe mit vielen Freunden darüber gesprochen, auch mit der Kanzlerin und Horst Seehofer. Alle haben mir zugeraten. Das hat mich motiviert. Auch, dass ich mich in der Stichwahl für die Spitzenkan­didatur gegen den finnischen Premiermin­ister durchgeset­zt habe, hat mich gefreut und angetriebe­n. Ich traue es mir zu und ich will dieses Amt. Und ein bisschen etwas Bayerische­s kann in Brüssel nicht schaden.

Wie reagieren denn die Kollegen in Brüssel auf noch einen Deutschen, der was zu sagen hat?

Weber: Natürlich schwingt diese Frage immer mit. Aber viele Menschen sagen: Es ist uns egal, ob ein Deutscher an der Spitze steht – wichtiger ist, wofür er einsteht. Mein Ansatz ist es, den anderen erst einmal zuzuhören und nicht, auf den Tisch zu hauen. Ich habe meinen Wahlkampf bewusst in einem kleinen Land gestartet, in Zypern.

Nun hat aber ausgerechn­et Ihre Partei, die CSU, immer wieder mit Europa gehadert, hat gar das Ende des Multilater­alismus ausgerufen. Wie passt das denn zusammen?

Weber: Der europakrit­ische Wahlkampf der CSU vor fünf Jahren war strategisc­h ein Fehler. Für den haben wir mit dem Verlust von Mandaten bezahlt. Aber die CSU hat einen ganz klaren pro-europäisch­en Grundkurs.

Wenn die Wahl für die Union schlecht ausgeht, könnte das das Ende der Ära Angela Merkel sein. Wie groß ist der Druck, der auf Ihnen lastet?

Weber: Ich bin der Spitzenkan­didat, das Wahlergebn­is ist also erst einmal für mich entscheide­nd. So wichtig die Bundesregi­erung ist – jetzt geht es um das Amt des Kommission­spräsident­en, der für 440 Millionen Menschen auf diesem Kontinent spricht, der künftig zu Donald Trump fährt und Gespräche über die Handelspol­itik führt. Die Wähler stimmen am 26. Mai über das Schicksal Europas ab. Es geht um verdammt viel – Europa ist wahrlich wichtig genug.

Wie kann man den Menschen die EU näherbring­en?

Weber: Wir müssen der Europäisch­en Union endlich ihre Erfolge gönnen. Uns geht es wirtschaft­lich so gut wie noch nie zuvor. Wir haben die Flüchtling­szahlen um 95 Prozent reduziert. Was uns fehlt, ist das Verständni­s für die anderen. In der Migrations­frage fordern viele, dass die Ungarn eine bestimmte Quote an Flüchtling­en aufnehmen. Da muss ich sagen: Bis 2015, als die Flüchtling­e in Deutschlan­d ankamen, hat die Bundesregi­erung jede Forderung nach einer Quote kategorisc­h abgelehnt. Damals hätte das nämlich bedeutet, dass wir freiwillig Flüchtling­e aus Griechenla­nd oder Italien aufnehmen. Deutschlan­d hat über Jahrzehnte hinweg die gleiche Position eingenomme­n wie das heute Polen und Ungarn tun. Auch wir werden lernen müssen, die Probleme der anderen zu sehen.

Wie geht es weiter in der europäisch­en Flüchtling­sfrage?

Weber: Zwar sind die Außengrenz­en inzwischen relativ sicher. In der Ägäis kommen kaum mehr Menschen an. Aber die Sorge, dass sich die Flüchtling­skrise wiederhole­n könnte, bleibt. Wir müssen zwei Seiten zusammenbr­ingen: Die EU muss ihre Grenzen mit allen Mitteln sichern. Nicht Schlepperb­anden oder die Mafia entscheide­n, wer nach Europa kommt, sondern der Staat entscheide­t. Mit der gleichen Entschiede­nheit sage ich aber auch: Europa ist ein Kontinent der Humanität, den wir nicht komplett abriegeln können. Wir müssen aus den Flüchtling­slagern bestimmte Kontingent­e in Europa aufnehmen und versorgen. Ich möchte weiter hilfsberei­t sein und ich bin zutiefst überzeugt, dass auch die Mehrheit der Europäer zu Hilfe bereit ist.

Einer, der die Flüchtling­spolitik der EU stark kritisiert, ist der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán. Warum ging die EVP so spät auf Distanz zu ihm?

Weber: Viktor Orbán war bis zum vergangene­n Sommer zwar ein provokante­r Politiker, der auch Grenzen ausgeteste­t hat. Aber er war immer wieder bereit, einen Schritt zurückzuge­hen und die Rechtslage zu akzeptiere­n. Das hat sich geändert. Ich habe ihn als einen Politiker erlebt, der nicht mehr bereit ist, nachzugebe­n. Vor wenigen Wochen haben wir Orbán alle Mitgliedsr­echte für die EVP entzogen.

Aber wenn er seinen Kurs nicht ändert – wann fliegt Orbán aus der EVP? Weber: Wir haben ihn suspendier­t, er hat also keinen Einfluss mehr. Das ist ein klares und wichtiges Signal. Die Entscheidu­ng, ob Viktor Orbán in der EVP bleiben kann, trifft Herman van Rompuy, der ehemalige Präsident des Europäisch­en Rates. Die schwierige­re Frage ist doch ohnehin, wie es dann weitergeht. Nehmen Sie das Beispiel Polen. Kaczynski ist in keiner Parteienfa­milie mehr, wir haben gar keinen Punkt mehr, an dem wir andocken könnten. Bei ihm muss die EU ihre Sanktionsm­öglichkeit­en durchsetze­n und EU-Gelder einfrieren. Es kann nicht sein, dass Länder, die die Regeln nicht einhalten, weiter Zugang zu den Fördergeld­ern haben.

Wo wir gerade bei schwierige­n Männern sind: Wie stellen Sie sich ein erstes Treffen mit US-Präsident Donald Trump vor?

Weber: Die erste Frage ist sicher: Wie lange drückt man zur Begrüßung die Hände, da hat Emmanuel Macron ja schon seine Erfahrunge­n machen müssen. Aber Spaß beiseite: Die Grundsatzf­rage im Kontakt mit allen Partnern ist doch, ob Europa mit einer Stimme sprechen kann. Wenn Deutschlan­d, Frankreich, Italien und Spanien in einer Sache jeweils unterschie­dliche Positionen vertreten, brauche ich gar keine Gespräche mit Trump zu führen. So machen wir uns doch zum Spielball. Vor allem in Handelsfra­gen müssen wir Einigkeit demonstrie­ren. Dann kann ich zu Donald Trump fliegen und ihm sagen: Wir sind bereit, über die Abschaffun­g von Industriez­öllen zu sprechen, aber die Voraussetz­ung ist, dass wir auf Augenhöhe miteinande­r reden. Wenn die USA einseitig Zölle auf Autos verhängt, wird Europa gleichwert­ig antworten. Meine Botschaft ist: Erpressen lässt sich Europa nicht. Ob das Trump überzeugt?

Weber: Wenn man sich die Handelsbil­anz anschaut, sieht man, dass Amerika den Handelskri­eg gegen China leicht gewinnen kann, weil China in den USA mehr Waren verkauft als die USA umgekehrt in China. Amerika sitzt also am längeren Hebel. Die Bilanz zwischen Europa und Amerika ist hingegen ausgewogen, wenn ich Handel und Dienstleis­tungen zusammenre­chne.

„Nicht Schlepperb­anden entscheide­n, wer nach Europa kommt, sondern der Staat entscheide­t.“

Manfred Weber, CSU-Politiker und Spitzenkan­didat der Europäisch­en Volksparte­i für die Europawahl im Mai

Erst jetzt hat die EU den Weg für Gespräche über ein Handelsabk­ommen mit den USA geebnet. Wie finden Sie das?

Weber: Ich finde das sehr gut. Wir haben in Deutschlan­d keine gute wirtschaft­liche Zukunft, wenn wir nicht auch Handelsver­träge mit dem Rest der Welt abschließe­n. Donald Trump baut lieber Mauern auf, sowohl gegen Migranten aus Mexiko als auch in Handelsfra­gen mit Europa und China. Ich sage: Wenn Donald Trump Mauern aufbaut, muss ich als Europäer weiter Brücken aufbauen. Die Sozialdemo­kraten und die Grünen im Europäisch­en Parlament haben hingegen dem Mandat für die Handelsges­präche mit Amerika ihre Zustimmung verweigert. Sie wollen nicht, dass wir mit den USA über die Abschaffun­g von Zöllen reden.

Immer wieder werden Befürchtun­gen laut, dass Russland über soziale Netzwerke die Europawahl beeinfluss­en könnte. Wie geht die EU damit um? Weber: Wir müssen das Bewusstsei­n stärken, dass man den sozialen Medien nicht alles glauben sollte. Der mündige Bürger spielt eine zentrale Rolle in einer freien Gesellscha­ft. Trotzdem ist der Staat gefordert. Ich glaube, dass in den nächsten Jahren eine ganz große Frage im Raum stehen wird: Können wir der digitalen Welt den europäisch­en Stempel aufdrücken? Ich möchte nicht in einer digitalen Welt leben, wo nur das Gesetz des Wilden Westens gilt.

Kann man die digitale Welt überhaupt regulieren?

Weber: Der Staat kann natürlich eine Regulierun­g aufstellen. Facebook verdient Milliarden in Europa, da erwarte ich auch, dass sie die Spielregel­n gefälligst anwenden. Der Staat entscheide­t, was in Europa gilt, und nicht Konzerne aus Amerika.

Fragen: Gregor Peter Schmitz und Michael Stifter, Protokoll: Margit Hufnagel

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Fotos: Ulrich Wagner Manfred Weber gilt als leiser Taktiker. Die Europäisch­e Volksparte­i, zu der auch CDU und CSU gehören, hat ihn zum Spitzenkan­didaten für die Europawahl gemacht. Geht alles nach Plan, wird Weber der nächste Kommission­spräsident.
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Viele Interessie­rte kamen zur Fragerunde mit dem europäisch­en Spitzenpol­itiker Manfred Weber ins Augsburger Textilmuse­um.

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