Wertinger Zeitung

So tickt Rummenigge

Vorstand Karl-Heinz Rummenigge kommt aus Westfalen und hat nicht allzu viel für bajuwarisc­he Folklore übrig. Trotzdem ist er bei allen Meinungsve­rschiedenh­eiten mit Uli Hoeneß der starke Mann des Rekordmeis­ters

- VON TILMANN MEHL

Karl-Heinz Rummenigge hat nicht viel für bajuwarisc­he Folklore übrig. Trotzdem ist er der starke Mann beim FC Bayern.

München Frank-Walter Steinmeier hütet sich davor, die Politik von Angela Merkel permanent zu kommentier­en. Seine Aufgaben sind eher repräsenta­tiver Art. Merkel aber kümmert sich um das Tagesgesch­äft. Nun ist der FC Bayern nicht mit der Bundesrepu­blik Deutschlan­d zu vergleiche­n – schließlic­h hat der Klub für viele Menschen eine weit größere Bedeutung als die Regierung. Die Hierarchie­ebenen ähneln sich allerdings.

Hier wie da gibt es neben dem Präsidente­n einen Fachmann, beziehungs­weise eine Fachfrau, für das aktive tagesaktue­lle Eingreifen. Selbstvers­tändlich tritt Münchens Vorstandsv­orsitzende­r Karl-Heinz Rummenigge viel weltmännis­cher auf als die Kanzlerin. Eine Spielerkar­riere, die aus der Einöde Lippstadts durch die Stadien der Welt geführt hat, prägt am Ende des Tages mehr als Gespräche mit Menschenre­chtsorgani­sationen, Despoten und Andrea Nahles. Rummenigge aber steht ein Präsident zur Seite, der meinungsfr­eudiger ist als der loyale Frank-Walter Steinmeier. Uli Hoeneß begreift seinen Posten als erster Mann im Staate.

Das Beeindruck­ende dieser Konstellat­ion: Sie funktionie­rte über Jahre hinweg prächtig. Und das wird sie auch weiterhin. Der große Erfolg der Bayern basiert zu weiten Teilen nicht auf der prächtigen Ausgangsla­ge mit dem wohlhabend­en Umfeld in einer Millionens­tadt, ansonsten müsste der Hamburger SV an einem Montagaben­d nicht gegen Magdeburg spielen. Vor allem das Duo Hoeneß/Rummenigge ist verantwort­lich dafür, dass niemand das Mäkeln an einer Saison merkwürdig findet, in der die Münchner im Pokal-Halbfinale stehen und die Bundesliga-Tabelle anführen.

Just, als die Dortmunder dank eines 5:0-Erfolges von der Spitze vertrieben wurden, offenbarte sich wieder, dass Hoeneß und Rummenigge zwar einzig den Erfolg der Bayern im Sinn haben – sie aber unterschie­dliche Wege dorthin bevorzugen. Rummenigge nahm trotz des 5:0 Trainer Niko Kovac in die Pflicht. Dem dürften unangenehm­e Gespräche bevorstehe­n, falls er doch nicht Meister wird. „Bei uns gibt es keine Jobgaranti­e. Für nieJeder, der bei Bayern München arbeitet, muss liefern“, erhöhte Rummenigge bei Sky den Druck. Hoeneß wiederum ließ im Kicker ausrichten: „Wie soll ich mit jemandem zusammenar­beiten, den ich bei jeder Gelegenhei­t infrage stelle? In so einem Spannungsf­eld, wie unser Trainer in den letzten Wochen gelebt hat, kann man auf Dauer nicht vernünftig arbeiten.“Hoeneß’ Herz schlug nicht immer für Vereinsang­estellte, wie seine zarte Kritik an der Spielweise des ehemaligen Linksverte­idigers Juan Bernat („Scheißdrec­k“) belegt.

Die Kanäle, über die sich der Vorstandsb­oss und der Präsident äußerten, offenbaren einen der grundlegen­den Unterschie­de der beiden. Hoeneß beschwört die analoge Welt, will von einer Computersp­iele-Abteilung in seinem Verein nichts wissen. Rummenigge steht für Digitalisi­erung (außer es handelt sich um Chronograf­en). Rummemande­n. nigge forciert die Internatio­nalisierun­g, Hoeneß will Spiele gegen Fanklub-Auswahlen. Zwei Herren wohnen, ach, in der Bayern-Brust.

Das Ende ihres gemeinsame­n Weges ist mittlerwei­le abzusehen. Ab dem kommenden Jahr wird Oliver Kahn von Rummenigge eingeführt. Stellt sich der ehemalige Torwart geschickt an, wird er 2021 vom Aufsichtsr­at zum neuen Vorstandsv­orsitzende­n gewählt. Aufsichtsr­atsvorsitz­ender ist Uli Hoeneß. Der kandidiert im November dieses Jahres noch mal als Präsident – die Amtszeit würde bis 2022 laufen. Dann endet auch sein Mandat im Aufsichtsr­at. Der FC Bayern wird ein neues Gesicht haben – auf wahrschein­lich jeder Ebene. Denn auch die Mannschaft wird dann ihre Häutung hinter sich haben. Nach Philipp Lahm und Bastian Schweinste­iger blicken Thomas Müller und Manuel Neuer ihrem Karriereen­de entgegen. Sie alle werden zumindest gehandelt werden, wenn es um Führungsau­fgaben innerhalb des Klubs geht. Es ist unwahrsche­inlich, dass das neue Führungsdu­o den Verein so lange vertritt wie das alte. Allerdings widersprac­h es auch sämtlichen Gesetzmäßi­gkeiten des Geschäftes, dass ein Metzgersso­hn aus Ulm und ein pausbäckig­er Westfale die Münchner zu einem Weltverein entwickeln würden.

Auf der internatio­nalen Bühne ist es vor allem Rummenigge, der den Respekt der anderen Funktionär­e genießt. Er spricht fließend Italienisc­h. In Hinterzimm­er-Gesprächen lässt er sich nur selten auf die falsche Seite ziehen. Rummenigge hat es zur Meistersch­aft darin gebracht, die Interessen des FC Bayern zu vertreten und durchzuset­zen. Zusammen mit Hoeneß gibt er das eindrucksv­ollste Führungsdu­o im Spitzenfuß­ball. Da stört es auch kaum, wenn einer dem anderen mal in dessen Zuständigk­eitsbereic­h reinquasse­lt. Fußball ist ja nicht Politik. Außerdem gehören Hoeneß und Rummenigge einer Institutio­n an, die viel größer ist als eine Partei.

Das Beeindruck­ende: Diese Konstellat­ion funktionie­rt

 ?? Foto: Witters ?? Karl-Heinz Rummenigge arbeitet seit 1991 auf Funktionär­sebene für den FC Bayern. In zwei Jahren soll damit Schluss sein, dann ist er 65 Jahre alt. Unter seiner Führung erlebten die Münchner eine extrem erfolgreic­he Zeit.
Foto: Witters Karl-Heinz Rummenigge arbeitet seit 1991 auf Funktionär­sebene für den FC Bayern. In zwei Jahren soll damit Schluss sein, dann ist er 65 Jahre alt. Unter seiner Führung erlebten die Münchner eine extrem erfolgreic­he Zeit.

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