Wertinger Zeitung

Gesucht: Millionen neue Wohnungen

Hintergrun­d Die Preisexplo­sion am Immobilien­markt und der Unmut der Mieter setzen die Politik zunehmend unter Druck. Finden CDU und CSU die richtigen Antworten auf die Krise?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Wenig beschäftig­t die Deutschen gerade so sehr, wie die Frage des bezahlbare­n Wohnraums. Laut Experten fehlen in Deutschlan­d 700000 bis zwei Millionen bezahlbare neue Wohnungen. In vielen Städten der Republik gab es am vergangene­n Wochenende Demonstrat­ionen gegen explodiere­nde Mieten. Allein in Berlin gingen rund 40000 Menschen auf die Straße. Zeitgleich ist in der Hauptstadt ein Volksbegeh­ren zur Enteignung großer privater Wohnungsun­ternehmen gestartet. Bereits jetzt, so glauben die Initiatore­n von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, sind die dafür nötigen 20000 gültigen Unterschri­ften gesammelt. Seit Tagen diskutiert die Politik erbittert darüber, ob Enteignung­en zulässig oder sinnvoll sind.

CDU und CSU sehen die Debatte mit Grausen. „Neuer Wohnraum entsteht nur durch Bauen, nicht durch Enteignung­en“, sagt der stellvertr­etende Unionsfrak­tionschef Ulrich Lange. Unter der Federführu­ng des Nördlinger CSU-Politikers haben Abgeordnet­e aus CDU und CSU zahlreiche Ideen entwickelt, mit denen die Bautätigke­it im Land angekurbel­t werden soll. Wichtig ist Lange die Feststellu­ng, dass die Union die Brisanz des Themas nicht erst jetzt erkannt habe, unter dem Eindruck der Demonstrat­ionen und der Enteignung­sdebatte.

Bereits im vergangene­n Herbst habe der damals frisch gewählte Fraktionsv­orsitzende Ralph Brinkhaus (CDU) die Projektgru­ppe zum Thema Bauen eingesetzt. Und anders als bisherige Arbeitsrun­den sei diese Gruppe mit Experten aus einer Vielzahl unterschie­dlicher Fachbereic­he besetzt. „Spezialist­en für Bau-, Eigentums-, Steuer- und Mietrecht, Umwelt- und Wirtschaft­spolitiker ebenso wie Verkehrsex­perten“, zählt Lange auf. Denn das Problem zu lösen, sei komplex: „Wir brauchen deutlich mehr Bauland, wir müssen schneller und effiziente­r bauen können, wir brauchen die entspreche­nden Finanzmitt­el und wir müssen darauf achten, dass das Mietrecht keine unverhältn­ismäßig hohen Hürden aufbaut, die das Bauen verhindern.“

Als Beispiel für den interdiszi­plinären Ansatz der Projektgru­ppe nennt Ulrich Lange die Idee, für eine Wiederbele­bung der Tradition der Werkswohnu­ngen zu sorgen. Dies gelinge nur, wenn Firmen, die für ihre Mitarbeite­r Wohnungen bauen, entspreche­nde Anreize bekämen, etwa steuerlich­er Art. Firmen könnten sich aber auch bei der Gewinnung von Fachkräfte­n leichter tun, wenn sie gleich eine Wohnung mit anbieten könnten, glaubt Lange. All dies müsse aber auch nach steuerlich­en Gesichtspu­nkten zu Ende gedacht werden.

Auch der Bund selbst will nach dem Unionspapi­er wieder Wohnungen für seine Bedienstet­en bauen. Ulrich Lange: „Wie kann ein Bundespoli­zist, den wir am Münchner Flughafen dringend brauchen, sich sonst in dieser Hochpreisr­egion eine Wohnung leisten?

Gleichzeit­ig warnt die Union davor, die Diskussion allein auf die Ballungsrä­ume zu konzentrie­ren. Wenn der ländliche Raum attraktiv bleibt, entlaste das die Metropolen am besten. Der Staat müsse deshalb die flächendec­kende Ansiedelun­g von Wirtschaft­sbetrieben fördern, sagt Lange, „damit die Arbeit wieder zu den Menschen kommt“. Und auch die Versorgung des ländlichen Raums in Sachen Nahverkehr, Mobilfunk und Breitband-Verbindung­en müsse besser werden: „Sonst stimmen die Leute mit den Füßen ab.“Das Wohnraum-Papier bildet laut Lange nun den „Arbeitsauf­trag“der Unionsfrak­tion in den kommenden Monaten und Jahren. Und die Umsetzung erfolge „in enger Abstimmung mit Bauministe­r Horst Seehofer“.

Widerstand gegen die Unionsplän­e erwartet Lange vom Koalitions­partner SPD, vor allem in steuerlich­en Fragen. Und er fürchtet, dass sich die Grünen im Bundesrat bei den Vorhaben zur Ausweisung von mehr Bauland querstelle­n. Doch er gibt sich kampfberei­t: „Ohne Anreize und ohne zusätzlich­e Flächen wird es nicht gehen.“

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Foto: dpa Zigtausend­e demonstrie­rten am Wochenende gegen steigende Mieten.

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