Das Spitzelnetz der Stasi wird durchleuchtet
Berlin Die Gedenkstätte Hohenschönhausen bietet neue Einblicke in ein unrühmliches Kapitel deutsch-deutscher Geschichte
Berlin Alle wussten, dass es da war. Aber kaum jemand wusste über das Ausmaß des Spitzelnetzes Bescheid, das die Stasi in Berlin gewoben hatte. Völlig neue Einblicke in die düstere Welt des ostdeutschen Geheimdienstes gibt die Ausstellung „Stasi in Berlin – Überwachung und Repression in Ost und West“in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Die Schau findet an einem Ort statt, der in keinem Stadtplan der DDR eingezeichnet war: Mitten im Wohnbezirk Hohenschönhausen, in dem die Straßen plötzlich mit Metalltoren abgesperrt waren.
Wachtürme und schwer bewaffnete Posten sicherten das Gelände. Hier befand sich der „OperativTechnische Sektor“des Ministeriums für Staatssicherheit, wo Abhöranlagen, Spionagekameras und falsche Pässe hergestellt wurden. Hier stand auch die berüchtigte Untersuchungshaftanstalt der Stasi. Mehr als 11000 Menschen wurden im Lauf der Jahre eingesperrt. Offiziell „zur Klärung eines Sachverhalts“. Tatsächlich wurden die Gefangenen erniedrigt und erpresst, bis sie das gewünschte „Geständnis“unterschrieben. Seit 1994 befindet sich hier eine Gedenkstätte. Frühere Inhaftierte bieten Führungen durch die Gefängnis-Räume an. Mehr als fünf Millionen Menschen sind inzwischen gekommen.
Die neue Ausstellung wird die Zahl der Besucher noch einmal in die Höhe treiben. Eine riesige Luftaufnahme von Berlin bedeckt eine 170 Quadratmeter große Fläche in den Ausstellungsräumen. Quer durch die Stadt sieht man erschreckend viele Lichtpunkte: Hier hatte die Stasi in Ost und West ihre Stützpunkte. Die Besucher der Ausstellung erhalten einen Tablet-Computer und können die Fläche begehen. An jedem Lichtpunkt zeigt das Tablet dann ein kurzes Video oder Fotos. Zu sehen sind etwa Spitzel-Gerätschaften wie Mikrofone und Tonbandgeräte oder auch StasiAgenten beim Belauschen der Nachbarn. Allein in Berlin hatte die Stasi tausende „konspirative Wohnungen“eingerichtet.
Zur Eröffnung der neuen Ausstellung kam auch eine Betroffene zu Wort, die DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe. Sie hatte einen Lichtpunkt auf der Karte gleich neben ihrer früheren Wohnung im Prenzlauer Berg gefunden. Direkt über dem Esstisch der Familie Poppe war ein Mikrofon installiert. „Jedes Wort, jede menschliche Regung in unserer Familie wurde abgehört“, schildert Poppe. Damit nicht genug. In der Wohnung gegenüber befand sich der „Beobachtungsposten Linde“. Hier wurde akribisch erfasst, wer wann den Hauseingang betrat und wann abends das Licht ausgemacht wurde.
Auch Ulrike Poppe wurde schließlich im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen inhaftiert. Die Frage nach dem Sinn einer solchen Ausstellung, 30 Jahre nach dem Mauerfall, ist für sie schnell beantwortet: „Weil damit gezeigt wird, was geschehen kann, wenn die Politik über dem Recht steht.“
ⓘ Tipp Die Ausstellung ist noch bis Ende März 2020 täglich von 9 bis 18 Uhr in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zu sehen. www.stasiberlin.de
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