Wertinger Zeitung

Kunst ist weiblich

Art Cologne Nachgescha­ut auf der Kunstmesse Köln: Welche Frauen könnten Wegmarken setzen in der Kunstgesch­ichte – und ihren männlichen Kollegen Paroli bieten?

- VON RÜDIGER HEINZE

Köln Gerade weil die Kunstgesch­ichte in ihren Hauptteile­n von alten weißen sowie jungen blond-, braun-, schwarzhaa­rigen Männern geschriebe­n worden ist – die Staatsgale­rie Stuttgart stürzt sich gerade auf vier Deutsche unter ihnen –, sollte doch mal auf der laufenden Kunstmesse Art Cologne nachgescha­ut werden, welche Künstlerin­nen hier aus nur noch 176 vertretene­n Galerien künftig Paroli und Wegmarken bieten könnten.

Dass sich gerade etwas dreht, wie weit auch immer, ist unübersehb­ar: Auf den entscheide­nden Feldern der Kunstszene haben Frauen zahlenmäßi­g die Männer überholt, etwa was die Neubesetzu­ng von Museumsdir­ektorenste­llen betrifft oder auch die Menge der Kunststudi­erenden. Dazu besetzen Frauen in manchem Leitmedium den Chefkritik­erposten – und werden hochrenomm­ierte Galerien schon länger von alten weißen Damen geleitet. Die weltweit wichtigste ist immer noch Marian Goodman in New York, Jahrgang 1928! – während Bärbel Grässlin im deutschen Frankfurt am Main voller Autorität arbeitet.

Aber es gilt auch: Noch lange nicht liegen die Preise für exquisite Kunst von Frauen so hoch wie die der Kunst von Männern. Das ist nun auch in Köln deutlich zu verfolgen: Siebenstel­lige Summen sind sozusagen maskulin, obwohl mittlerwei­le einige wenige Frauen diese Region ebenfalls erklommen haben.

Jetzt aber Rösser und Reiterinne­n. In der Galerie Schönewald/ Düsseldorf ist eine kleine rätselhaft­e Spiegel-Wandskulpt­ur mit zwei Schlipsen der hochbewert­eten Deutschen Rosemarie Trockel (*1952) bereits in der ersten Messestund­e verkauft worden – weswegen Stillschwe­igen über den Preis gewahrt wird. Aber es gibt an gleicher Stelle noch ein Sortiment kleinster Arbeiten der einstigen GerhardRic­hter-Meistersch­ülerin Karin Kneffel (*1957): In den letzten Jahren hat sie sich den zwei ehemaligen Krefelder Kunstsamml­ungen im Haus Lange und Haus Esters gewidmet und raffiniert­e Gemälde von rekonstrui­erten Interieurs entwickelt.

Raffiniert deshalb, weil diese Interieurs durch nasse, wassertrop­fenbesetzt­e Scheiben betrachtet werden – mit all den bekannten Verzerrung­en, Verschleie­rungen, Lichtrefle­xionen. Das ergibt – Richter wirkt variiert weiter – unscharfe Bilder der einst in den Mies-van-der-Rohe-Villen gesammelte­n Kunst. Ver

Eine halb bekleidete Schaufenst­erpuppe von Isa Genzken.

schwommen erblicken wir Juan Gris, Lehmbruck, Macke in einem Diptychon (Galerie Friese, Berlin, 128000 Euro) oder kleine TierBronze­n der Künstlerin Renée Sintenis (Ludorff/Düsseldorf, 195000 Euro), die am selben Stand im dreidimens­ionalen Original bis zu 49 000 Euro kosten. Sie hat Karin Kneffel jüngst zum Abschluss ihres Projekts noch einmal im Format 10 mal 10 Zentimeter gemalt, eben als Miniatur – was bei Schönewald/Düsseldorf 8500 Euro pro Exemplar erforin dert. Und bei Schöttle/München kostet ein großes „Tulpenfeld“vor nassem Wohnzimmer­fenster gut 200000 Euro (Bild oben).

Höher bewertet wird Isa Genzken (*1948), die von Buchholz/Köln vertreten wird und auf der Messe eine Runde von fünf bizarren Mannequins offerieren lässt: halb bekleidete Schaufenst­erpuppen mit Genzken-typischem Accessoire wie schräge Brillen, Folien, Stanniolpa­pier (550000 Euro). Man ist angehalten, sich einen Reim darauf zu machen. Dazu hängen von Genzken Spiegelfol­ien auf Aluminiump­latten (Kostenpunk­t 220000 bis 280000 Euro) – und von Anne Imhof (*1978), dieser venezianis­chen Löwen-Gewinnerin 2017, ein virtuos verkratzte­s, monumental­es Acrylauf-Aluminium-Bild, das für 50 000 Euro aus dem Stand heraus den Eigentümer gewechselt hat.

Mehrere starke bis hoffnungsv­olle Frauen präsentier­t die Galerie König Berlin: Katharina Grosse (*1961), Schülerin von Gotthard Graubner, mit drei farbstrahl­enden Acryl-Papierarbe­iten (jeweils über 30 000 Euro), Jorinde Voigt (*1977) mit einer delikaten, dunkelblau-golden strahlende­n kosmischen Landschaft (gut 100000 Euro) sowie die Polen geborene Bildhaueri­n Alicja Kwade (*1979), die immer wieder mit Skulpturen auf sich aufmerksam macht, die den verwendete­n Materialie­n Hohn sprechen: Hier – zwischen zwei Spiegeln – eine dicke Granitplat­te, die sich biegt wie eine Matratze beim Wenden. Kwade war übrigens auch 1917 Biennale-Teilnehmer­in in Venedig.

Besonders verdienstv­oll in Köln sind One-Woman-Shows. So präsentier­en etwa Hauser & Wirth/Zürich die in Ungarn geborene, heute in New York lebende Rita Ackermann (*1968), die ihre figurative Malerei – wie einst de Kooning – dekonstrui­ert (95000 bis 120000 Dollar).

Ein Schritt noch zurück in die Geschichte: Der Kunsthande­l Fischer/ Berlin bietet drei Porträts von Elfriede Lohse-Wächtler aus den Jahren 1929/30 an (bis 36000 Euro), Zwirner/New York eine der späten geometrisc­hen Stoffmuste­r-Entwürfe von Anni Albers (250000 Dollar) und Scheibler/Berlin zwei Gemälde der ebenfalls schon verstorben­en Alice Neel: eines ihrer Wohnhaus-Fassadenbi­lder aus New York soll 800 000 Dollar kosten.

Laufzeit bis Sonntag, 18 Uhr.

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Foto: Galerie Schöttle/München Blumen sind schon länger ein beliebtes Motiv in der Malerei. Hier ein „Tulpenfeld“von Karin Kneffel vor nassem und beschlagen­em Fenster (180 mal 240 Zentimeter, 2017).
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Foto: Art Cologne

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