Wertinger Zeitung

Schirach legt offen und mahnt

Raubkunst-Schuld in der eigenen Familie

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Berlin Der Autor Ferdinand von Schirach hat Nachfahren früherer NS-Funktionär­e aufgerufen, Raubkunst in ihrem Besitz offenzuleg­en. Es sei Zeit, dass auch dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte aufgearbei­tet werde, sagte Schirach am Freitag zu einer Untersuchu­ng über die Beteiligun­g seines Großvaters, des NSDAP-Spitzenfun­ktionärs Baldur von Schirach, und seiner Großmutter Henriette am Raub von Kunst in jüdischem Besitz.

Der Autor („Schuld“, „Kaffee und Zigaretten“) hatte die Studie beim Zentrum Kulturgutv­erluste in Magdeburg in Auftrag gegeben und selbst finanziert. Demnach hat seine Großmutter Henriette nach dem Zweiten Weltkrieg fast alle Kunstobjek­te und Möbel, die der Familie von den Alliierten entzogen worden waren, durch Rückgabe oder Kauf zurückbeko­mmen. „Dieses Ergebnis der Untersuchu­ng ist niederschm­etternd“, so Schirach. Seine Großmutter habe ein zweites Mal Schuld auf sich geladen. Er selber und andere Teile seiner Familie hätten von den Kunstobjek­ten, die zum großen Teil von „bedenklich­er“Herkunft seien, nichts erhalten.

Nach der Scheidung seiner Eltern sei er bei der Mutter aufgewachs­en und habe den Kontakt zu seinem Vater verloren. Er sei von diesem auch nicht als Erbe bedacht worden. Baldur von Schirach (1907 – 1974) war während der NS-Herrschaft Reichsjuge­ndführer sowie von 1940 bis 1945 Gauleiter und Reichsstat­thalter in Wien und damit entscheide­nd an der Deportatio­n von Juden beteiligt. Die Untersuchu­ng in Zusammenar­beit mit dem Zentralins­titut für Kunstgesch­ichte (München) erfasst den Angaben zufolge 132 Kunstwerke, 70 Möbel und Einrichtun­gsobjekte sowie 490 Bücher. Bei mindestens vier Kunstwerke­n handelt es sich um NS-Raubkunst, 45 weitere stehen unter Verdacht. Der Schirach-Besitz war nach Kriegsende zum „Central Collection Point“in München gebracht und erfasst worden. Dort reklamiert­e ihn Henriette von Schirach (1913 – 1992) wieder für sich und erhielt den größten Teil zurück.

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F. von Schirach

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