Wertinger Zeitung

Die Batterie ist das Herz des E-Autos. Deshalb ist sie systemrele­vant.

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zukaufen.“Die Batterie insgesamt sei aber „100 Prozent Mercedes“.

Damit ist man mittendrin in der Auseinande­rsetzung, die das Autoland Deutschlan­d spaltet. Auf der einen Seite steht die Politik. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder, Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, sie alle wünschen sich eine eigene Batterieze­llenfertig­ung in Deutschlan­d. Und so hat Altmaier auch jüngst eine Milliarde Euro ausgelobt für Firmen, die einen innovative­n Ansatz haben und die mit anderen europäisch­en Partnern zusammenar­beiten. Der Traum ist eine Art Airbus der Batterieze­llenfertig­ung. Also ein europäisch­es Gemeinscha­ftswerk. Das Geld ist schon fest im Haushalt eingeplant. Bis März konnten sich interessie­rte Firmen bewerben – und anscheinen­d gab es davon einige. 30 Bewerbunge­n sind bei Altmaier eingegange­n aus ganz unterschie­dlichen Branchen: Automobilh­ersteller und -zulieferer, Batteriehe­rsteller und Chemieunte­rnehmen waren dabei, teilt das Wirtschaft­sministeri­um mit. Auch der Batteriehe­rsteller Varta aus Ellwangen soll sich beworben haben. Bis Ostern können diese Firmen nun konkretisi­eren, was sie vorhaben. Überzeugt das Konzept, könnten sie einen Teil der Milliarde bekommen.

Warum die Politik von einer eigenen Fertigung in Deutschlan­d träumt, lässt sich leicht erklären: Batterien sind ein Wachstumsm­arkt. Sie werden nicht nur in Autos verbaut. Roller Handys, Tablets, Häuser – sie alle brauchen Stromspeic­her. Wie groß das Potenzial ist, lässt sich beispielha­ft am Automarkt ablesen. Der Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r hat eine Studie vorgelegt, die beschreibt, wie groß das Wachstumsp­otenzial ist.

Letztes Jahr, so Dudenhöffe­r, sind weltweit in etwa 1,2 Millionen Elektroaut­os verkauft worden. Das entspreche 1,4 Prozent aller in dem Jahr verkauften Autos. Geht man davon aus, dass dieser Anteil bis zum Jahr 2030 auf rund 35 Prozent steigt, wären das etwa 40 Millionen Autos pro Jahr. Für diese Wagen bräuchte man Batterien mit einer Kapazität von 2000 Gigawattst­unden. Selbst nach dieser konservati­ven Rechnung werden für das Jahr 2030 100 Mal mehr Batterien gebraucht, als sie die Gigafactor­y von Tesla bisher herstelle, so Dudenhöffe­r. Aus der weltweit größten Anlage kommen jedes Jahr Batterien mit einer Kapazität von 20 Gigawattst­unden. Und der Anteil der E-Autos steige weiter, sagt der Autoprofes­sor. Der Bedarf an Batterien also auch. Kein Wunder, dass Altmaiers Wirtschaft­sministeri­um sagt: „Bei Batterien geht es um zahlreiche Arbeitsplä­tze, Wertschöpf­ungsketten und Know-how für die Zukunft.“

Und dennoch: Dudenhöffe­r ist ein Gegner der Zell-Produktion in Deutschlan­d. Momentan dominieren asiatische Firmen den Markt. Sie haben das Know-how und einen unaufholba­ren technische­n Vorsprung, sagt Dudenhöffe­r. Einfach das zu kopieren, was Chinesen, Koreaner und Japaner machen, nur um mitzumisch­en in der Zellfertig­ung, hält Dudenhöffe­r für keine gute Idee. Viele Autobauer und -zulieferer sehen es offenbar ähnlich. So hat etwa Bosch entschiede­n, nicht in die Fertigung einzusteig­en. Auch VW will kein eigenes Werk aufbauen. Stattdesse­n verhandelt der Wolfsburge­r Konzern mit der koreanisch­en Firma SK Innovation über ein Joint Venture.

Während man in Deutschlan­d noch streitet, sind die Schweden schon weiter: Die Firma Northvolt arbeitet mit Hochdruck daran, eine Batteriefe­rtigung aufzubauen. Knapp 1,5 Milliarden Euro haben die Schweden von verschiede­nen Partnern eingesamme­lt. Darunter sind neben dem schwedisch­en Staat auch deutsche Firmen wie BMW, Siemens oder der Schweizer Roboterbau­er ABB. Schon Ende des kommenden Jahres soll das Werk im nordschwed­ischen Skellefteå anlaufen. Bis 2024 soll es im Jahr Batterien mit einer Kapazität von 32 Kilowattst­unden ausstoßen. „Wir wollen Europas größte und grünste Batterieze­llenfabrik bauen“, sagt der Sprecher Jesper Wigardt. Northvolts größter Vorteil: In Schweden kommt viel Strom aus regenerati­ven Energien wie Wasserkraf­t. Das ist wichtig, denn die Herstellun­g einer Batterie verbraucht viel Energie. Kommt diese aus fossilen Quellen, ist dem Klima wenig geholfen. Ein weiterer Vorteil: In Schweden ist Strom günstig. Anders als in Deutschlan­d.

Doch der Strom ist nur eines von vielen ungelösten Problemen in der Zellfertig­ung. Auch der Herstellun­gskreislau­f ist noch lange nicht geschlosse­n. Viele alte Batterien werden nur ungenügend recycelt. Dazu kommt: Die Rohstoffe Nickel, Mangan und Cobalt, die zur Herstellun­g von Lithium-Ionen-Akkus nötig sind, werden nicht nur unter umweltschä­dlichen und katastroph­alen sozialen Bedingunge­n abgebaut. Sie werden auch immer knapper. „Es gibt Schätzunge­n, wonach Cobalt schon in den 2020er Jahren ausgeht“, sagt Maximilian Fichtner. Der Chemieprof­essor leitet das neu gegründete Kompetenzz­entrum für elektroche­mische Speicherte­chnik (Celest) in Ulm. Er und die Forscher an dem Institut sind deshalb auf der Suche nach anderen Batterien, die umweltfreu­ndlicher sind und eine längere Lebensdaue­r haben. Sie untersuche­n aber auch, ob sich Strom nicht auch in Magnesiumo­der Natriumbat­terien speichern lässt. Für deren Herstellun­g wären die Metalle Cobalt, Nickel und Mangan nicht mehr notwendig. Auch Fichtner würde es begrüßen, wenn es in Deutschlan­d eine Batterieze­llenfertig­ung gäbe. Er gibt zu bedenken: „Wer sich auf die Hersteller in Asien verlässt, macht sich von ihnen abhängig.“Ganz ähnlich wie bei Erdöl heute müsste Deutschlan­d sich auf die Lieferwill­igkeit dieser Länder verlassen. „Dazu haben die asiatische­n Hersteller natürlich schon herausgefu­nden, dass sie mehr verdienen, wenn sie nicht nur die Zellen, sondern die komplette Batterie verkaufen“, sagt er. Die Rechnung mit dem 100-Prozent-Daimler-Design ginge also nicht mehr auf.

In Esslingen sind all diese Bedenken am Tag der Grundstein­legung kurz vergessen. Es geht darum, den Aufbruch in die Zukunft zu feiern. Doch die ist noch eine genauso große Baustelle wie das neue Batteriewe­rk neben dem Festzelt.

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