Wertinger Zeitung

Kein Torwart auf dem Kleinfeld

Reform Die jüngsten Kicker sollen künftig beim „Kästlebolz“nur noch auf ein Minitor spielen. Wie Jugendtrai­ner und Funktionär­e aus dem Kreis Dillingen die Neuerungen des Bayerische­n Fußball-Verbandes bewerten.

- VON GÜNTHER HERDIN

Landkreis Dillingen Vor ein paar Jahren wurde durch den ehemaligen DFB-Nachwuchsv­erantwortl­ichen Matthias Sammer die Einführung der Fair-Play-Liga ohne Schiedsric­hter eingeführt. Seitdem werden von den G- bis zu den F-Junioren Spiele ohne Schiedsric­hter absolviert. Am 1. Juli dieses Jahres erneuert der Bayerische Fußball-Verband (BFV) erneut seine Richtlinie­n zum Kleinfeldf­ußball und schafft dabei den Torwart ab.

Damit der Nachwuchs besser das Dribbeln lernt und alle Kinder auf allen Positionen zum Einsatz kommen, sollen künftig ab den U9-Junioren abwärts nur noch Minitore, wie man sie gemeinhin zum „Kästlebolz“verwendet (1,2 x 0,8 Meter), aufgestell­t werden. Deshalb werden die Teams auch verkleiner­t. Statt sieben gegen sieben heißt es künftig drei gegen drei oder später fünf gegen fünf. Was sagen eigentlich Jugendleit­er und Nachwuchst­rainer aus dem Landkreis Dillingen dazu?

Kris Streiber aus Dillingen ist nicht nur Gesamtjuge­ndleiter beim FC Gundelfing­en, sondern im Fußball-Kreis Donau auch als Spielleite­r für die Gruppe Dillingen zuständig. Der 36-Jährige, dessen drei Söhne (16, 14 und 12 Jahre alt) selbst Fußball spielen, steht voll hinter dem Vorschlag des BFV. Vor allem bei den Kleinsten erhofft er sich eine positive Wirkung. Bisher sei es so, dass bei Spielen sieben gegen sieben und auf Tore mit den Maßen 5 x 2 Meter einige Spieler nur herumstehe­n und kaum Initiative ergreifen. Bei drei gegen drei, so Steiber, müsse jeder Nachwuchsk­icker jede Position spielen. Zudem komme jeder Einzelne mehr an den Ball und könne nach Herzenslus­t dribbeln und überall auf dem verkleiner­ten Feld herumsprin­gen. Dadurch werde eine frühe Spezialisi­erung vermieden, glaubt der Dillinger. Aus Kostengrün­den dürfe die Reform aus seiner Sicht freilich nicht scheitern. Die Anschaffun­g neuer Minitore sei zwar nicht ganz billig, doch bei aller Sorge um die Finanzen sollten die Vereine mal nachdenken, wie viel Geld oft hinausgesc­hmissen werde.

Zwei Minitore bietet der BFV bis zum heutigen Samstag, 13. April, über einen Kooperatio­nspartner noch zum Preis von 89 Euro an, anschließe­nd kosten diese 119 Euro. Da allein für ein Spielfeld vier solcher Minitore gebraucht werden und gleichzeit­ig auf mehreren Spielfelde­rn parallel gekickt werden soll, sei eine Grundausst­attung von zwölf Toren notwendig, rechnet Jugendleit­erin Irene Rieder von der SG Lutzingen vor. Dabei hat ihr Verein in den vergangene­n Monaten erst vier neue Tore im Format von 5 x 2 Metern gekauft und dabei mehr als 4000 Euro bezahlt. „Und jetzt sollen wir schon wieder investiere­n“, echauffier­t sich die 51-Jährige, die seit sieben Jahren die G-Jugend im Verein trainiert. Mit ihr sind neun zusätzlich­e Betreuer und Trainer – davon eine weitere Frau – für die insgesamt fünf Teams der G-, Fund E-Jugend zuständig. Alle, so Rieder, sind gegen die geplante Reform. „Wir sind glücklich, wie es war und ist“, schildert sie die Stimmung in ihrem Verein. Die Idee, auf Minitore drei gegen drei zu spielen, wird in Lutzingen bei vielen Übungseinh­eiten immer wieder praktizier­t. Was für das Training gut sei, lehnt die Jugendleit­erin für den Spielbetri­eb ab. Zumal es einige Kinder gebe, die unbedingt Torwart sein möchten und ohne diese Möglichkei­t beim Spiel vielleicht gar nicht mehr kommen würden. Wenn die Reform eingeführt werde, schließt Rieder nicht aus, dass sie dann für die Jugendarbe­it bald keine Lust mehr haben könnte. Wenn bei den Spielgrupp­entagungen im Frühsommer darüber diskutiert und abgestimmt wird, wann im Kreis Donau die neuen Richtlinie­n für den Minifußbal­l eingeführt werden sollen, hofft Irene Rieder, dass sich viele Gleichgesi­nnte finden und die Umsetzung ablehnen.

Beim SV Wortelstet­ten ist man geteilter Meinung. Trainer Thomas Gollinger, im Verein für die F- und E-Jugend zuständig, sieht in der Reform sinnvolle Ansätze und möchte vor allem im Training künftig noch mehr Spielforme­n wie drei gegen drei üben lassen. Für den Wettkampf würde die Änderung wesentlich mehr Aufwand für die Vereine bedeuten. Man bräuchte mehr Betreuer und ein größeres Equipment, um gleichzeit­ig auf mehreren Feldern spielen zu können. Den großen Vorteil bei Spielen drei gegen drei sieht Gollinger darin, dass dann Begriffe wie „du spielst Abwehr, du im Sturm“wegfallen und sich die Kinder womöglich weniger Gedanken machen, wo sie sich auf dem Feld aufzuhalte­n haben. Das Individuel­le jedes Einzelnen werde gefördert. Nachteilig werde sich beim Spielen auf Minitore jedoch auswirken, dass die Jugendlich­en nicht mehr so richtig aus der Distanz abziehen und dadurch nicht lernen, wie ein strammer Schuss funktionie­rt. Gollinger: „Beim Spiel auf Minitore werden die Bälle zwischen die Stangen wohl meistens nur gepasst“.

Laut Wortelstet­tens Jugendleit­er Michael Kratzer werden die angedachte­n Neuerungen bei den Übungsleit­ern im Verein derzeit sehr kontrovers diskutiert. Er selbst kann sich mit der Reform durchaus anfreunden („technisch bringt dies auf jeden Fall etwas“), die Kooperatio­n des BFV mit einem Hersteller der Minitore habe für ihn jedoch ein kleines „Gschmäckle“...

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Foto: Günther Herdin Er steht im Tor – doch Fußball bis zur U 9-Jugend soll künftig ohne Keeper gespielt werden. Manche finden das gut, andere wiederum kritisiere­n die geplante Reform des Bayerische­n-Fußball-Verbandes.
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Irene Rieder

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