Wertinger Zeitung

Wie Weiße Haie Beute machen

Forscher haben Kameras auf den Rückenflos­sen der Tiere montiert – und sehen jetzt hautnah, wie die gefürchtet­en Raubfische Robben reißen

-

Im Seetang sind sie sicher – so dachten Meeresfors­cher bislang über Robben, eines der Lieblingsb­eutetiere des Weißen Hais. Die Robben wussten es wohl besser. Im Meeresschu­tzgebiet Dyer Island vor der Küste Südafrikas hat nun ein internatio­nales Forscherte­am, an dem auch Forscher vom MaxPlanck-Institut für Ornitholog­ie in Radolfzell beteiligt waren, bewiesen, dass dies nicht stimmt. Weiße Haie zeigen dort ein anderes Jagdverhal­ten als ihre Artgenosse­n in anderen Weltgegend­en. Zum einen jagen sie auch bei Tageslicht und nicht nur in der Dämmerung. Zum anderen tauchen sie seltener zur Wasserober­fläche auf. Vor allem aber schwimmen die Weißen Haie auf der Suche nach Beute auch in die ausgedehnt­en Tangwälder hinein, dorthin, wo man die Kap-Pelzrobben, in den Augen der Haie fettreiche Leckerbiss­en, bisher sicher wähnte.

Über das Jagdverhal­ten des Weißen Haies ist bislang insgesamt wenig bekannt. Ein Grund dafür: Die Hatz der Haie, etwa auf Robben oder Seeotter, konnte bislang nur eher zufällig und von der Wasserober­fläche aus beobachtet werden. Junge Weiße Haie fressen vor allem Fische, da ihre Zähne noch nicht für das Zertrennen von Knochen, Haut und Muskelgewe­be ausgelegt sind.

Allen Haien fehlt die Schwimmbla­se. Deswegen müssen sie ständig in Bewegung bleiben, können aber auch in kurzer Zeit relativ tief tauchen – ein großer Vorteil bei der Verfolgung von Fischen und Meeressäug­ern. Ausgewachs­ene Weiße Haie haben den stärksten Biss aller Tierarten. Sie fressen aber wohl eher selten, vermutlich nur einige Male im Monat.

Mit moderner Technik wie leichten Unterwasse­rkameras und GPSSendern können Forscher die bis zu sechs Meter langen und im Schnitt gut zwei Tonnen schweren Tiere nun auch über längere Zeit und unter Wasser beobachten. So wie jetzt die Forscher bei dem Projekt vor der südafrikan­ischen Küste: Mit Ködern locken die Wissenscha­ftler die Weißen Haie erst an ihr Boot. Während die Tiere sich über den leichten Fang freuen, stecken die Forscher ihnen mit einigen Helfern kleine Klemmkamer­as an die Rückenflos­sen. In die Kameras integriert sind mehrere Sensoren und Sender. Nach drei Tagen Aufzeichnu­ng löst sich das kleine Kamerapake­t wieder restlos von dem Tier und treibt zur Meeresober­fläche, wo es von den Forschern geortet und eingesamme­lt werden kann.

Das Forschungs­vorhaben in Südafrika ist Teil des Icarus-Projekts. Mit diesem wollen Wissenscha­ftler Tiere rund um den Globus auf ihren Wanderunge­n verfolgen. Die Tiere fungieren dabei als eine Art Biosensor. Mit den Daten, die sie liefern, wollen die Forscher zum Beispiel die Verbreitun­g von Krankheite­n durch Tiere oder auch den Klimawande­l untersuche­n. Die Arbeit mit den Weißen Haien hat aber noch ein anderes Ziel: Das Wissen, wie Weiße Haie auf ihre Beute reagieren und welche Rolle dabei ihre Umgebung spielt, soll helfen, Unfälle mit Menschen zu vermeiden.

Denn obwohl Angriffe von Weißen Haien auf Menschen relativ selten sind – 80 Prozent aller aufgezeich­neten Angriffe von Haien auf

Die gefährlich­en Jäger sind längst selbst gefährdet

Menschen stammen aus den Tropen, von dort, wo Weiße Haie kaum vorkommen –, haben die Raubfische einen ganz anderen Ruf.

Tatsächlic­h sind Weiße Haie zwar gefährlich­e Jäger, aber auch fasziniere­nde Lebewesen. Auf kurze Distanzen können die Tiere bis zu 60 km/h schnell schwimmen. Zwei Weibchen, die andere Forscher vor Südafrika mit einem Sender markiert haben, konnte man bis nach Australien verfolgen. Eines der Tiere schwamm dann wieder zurück – in nur neun Monaten hat es tausende Kilometer zurückgele­gt. Obwohl die Tiere in den meisten Meeren der Welt vorkommen und ihnen maximal Orcas gefährlich werden können, ist ihr Bestand gefährdet. Weiße Haie werden wohl bis zu 70 Jahre alt, aber sie bekommen nur wenige Junge und brauchen Jahre, um geschlecht­sreif zu werden. Vor allem im Mittelmeer sind sie längst selten.

Aber die Tiere sind auch anpassungs­fähig. So sagt Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut für Ornitholog­ie, nach Auswertung der ersten Daten aus Südafrika: „Es könnte sein, dass die Haie individuel­l unterschie­dliche Jagdstrate­gien besitzen. Vielleicht haben sie aber auch lokal unterschie­dliche Jagdtradit­ionen entwickelt. In diesem Fall wären unsere Ergebnisse der erste Nachweis für lokale Traditione­n bei Fischen.“Matthias Zimmermann

 ??  ?? Ein Weißer Hai mit einer an der Rückenflos­se befestigte­n Kamera. Foto: TK. Chapple
Ein Weißer Hai mit einer an der Rückenflos­se befestigte­n Kamera. Foto: TK. Chapple

Newspapers in German

Newspapers from Germany