Wertinger Zeitung

„Wer sich vorbereite­t, ist engagierte­r“

Organisati­on Psychologe­n der Uni Mannheim haben herausgefu­nden: Wer sich morgens auf die Arbeit einstellt, schafft am Tag mehr. Sabine Sonnentag erklärt, worauf es bei der Vorbereitu­ng genau ankommt

- Was bedeutet „engagiert sein“? Und das ist schon alles? Wie können diese mentalen Prozesse ganz konkret aussehen?

Sabine Sonnentag: Wir wissen aus zahlreiche­n Studien, dass es wichtig ist, abends von der Arbeit abzuschalt­en. Unsere jüngste Untersuchu­ng gibt Hinweise darauf, dass sich Menschen morgens auch wieder mit ihrer Arbeit verbinden müssen. Wer sich morgens mental mit seinen Arbeitsauf­gaben für den Tag auseinande­rsetzt, geht insgesamt engagierte­r durch den Tag.

Sonnentag: Der englische Begriff „engagement“meint, dass man mit viel Vitalität, also Energie, bei der Arbeit ist. Dazu gehört eine Art „Absorbiert­sein“, das heißt, man arbeitet sehr fokussiert, lässt sich nicht leicht ablenken. Zuletzt zeichnet sich „engagement“durch eine gewisse Hingabe aus, also der persönlich­en Wahrnehmun­g, dass die eigene Arbeit eine Bedeutung hat. Sonnentag: Da kommen mehrere Prozesse zusammen. Zunächst sollte man sich fragen: Welche Ziele möchte ich heute erreichen? Das Wort Ziel muss sich nicht auf etwas ganz Großes beziehen. Einen Bericht fertig machen oder einen Anruf tätigen – das kann schon ein Ziel sein. In der Alltagsspr­ache wäre eher von einer Aufgabe die Rede. Daneben ist es entscheide­nd, sich schon im Vorhinein auf die Aufgaben einzustell­en – und zwar mit dem Gedanken: „Ich werde mich gut auf die Aufgabe konzentrie­ren können.“Man könnte jetzt den Eindruck gewinnen, dass es vielleicht nicht nur positive Energie freisetzt, wenn ich schon morgens an eine unliebsame Aufgabe denke oder eine Person, die ich treffen muss – obwohl ich nicht möchte. Dadurch, dass man sich aber das Ziel einer Aufgabe vor Augen führt, gewinnt man Energie dafür.

Sonnentag: Nicht ganz. Man mobilisier­t auch Ressourcen, wenn man sich schon morgens Gedanken macht, was man erreichen will. Man kann sich fragen: „Welche Hilfe brauche ich von anderen dafür?“und „Welche Freiräume muss ich mir schaffen, um meine Ziele zu erreichen?“. Sonnentag: Das kann ganz unterschie­dlich sein. Ich kann eine Todo-Liste schreiben, eine bereits angefertig­te To-do-Liste vor der Arbeit checken oder mir im Bus, der Bahn oder auf dem Fußweg zur Arbeit Gedanken darüber machen, welche Schwierigk­eiten es heute in meinem Berufslebe­n geben könnte. Ein Gespräch mit dem Partner beim Frühstück über das, was im Job ansteht, kann genauso hilfreich sein wie sich mit den Kollegen bei einer schnellen Tasse Kaffee auszutausc­hen. Sonnentag: Diese Gefahr besteht tatsächlic­h. Es gibt da bestimmt große Unterschie­de, wann und wie es für einen selbst gut ist, sich morgens schon mental mit der Arbeit auseinande­rzusetzen. Für eine andere Person kann der gleiche Ansatz ganz falsch sein. Meine Einschätzu­ng ist: Wenn man sich darüber im Klaren ist, wie man es richtig macht, gibt es einem auch die Freiheit in der Freizeit nicht über die Arbeit nachzudenk­en. Denn dann weiß der Einzelne: Es gibt eine festgelegt­e Zeit, in der er sich über den Arbeitstag Gedanken machen kann. Etwa jeden Morgen unter der Dusche, in den fünf Minuten, bevor der Arbeitstag startet, oder zehn Minuten während der täglichen Bahn- oder Busfahrt ins Büro.

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Foto: Christin Klose, dpa Dem einen helfen To-do-Listen, dem anderen ein morgendlic­hes Gespräch mit den Kollegen. Aber jeder sollte eine Morgenrout­ine finden.

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