Wertinger Zeitung

Hey, Mercedes?!

Test In der Digitalisi­erung ist die A-Klasse top. Dafür leidet ein anderer Teil des Markenkern­s

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Schon schön, wenn einem eine gute Fee praktisch jeden Wunsch erfüllt, und das auf Zuruf. „Hey Mercedes, mir ist kalt“– „Ich stelle die Temperatur auf 22 Grad“. „Hey Mercedes, bring mich zu Schuhbecks Teatro in München“– „Die Route wird berechnet“. „Hey Mercedes, wie wird das Wetter morgen in Augsburg“– „Morgen ist es in Augsburg überwiegen­d bewölkt bei sechs bis neun Grad“.

Und so weiter, und so fort. Mit der „Mercedes“genannten digitalen Assistenti­n der gleichnami­gen Automarke kommt man(n) bestens zurecht, in unserem Fall in einer A-Klasse, dem Modell, in dem das freundlich­e Geschöpf geboren wurde. Obwohl sie nicht ganz die Fähigkeite­n einer Alexa oder einer Siri erreicht, stellt die Dame doch eine kleine Revolution in der Bedienung eines Autos dar. Plötzlich funktionie­rt das meiste ganz natürlich per Sprache. Die vielfältig­en anderen Bedienmögl­ichkeiten, die das MBUX genannte System noch böte – etwa per Fingertipp auf dem Skateboard-großen Zentraldis­play –, sind eigentlich hinfällig.

Bei einem so fasziniere­nden Digitalisi­erungs-Level, verpackt in ein so sexy Design, wird das Autofahren zur Nebensache. Ob dieser Trend in der Entwicklun­g der A-Klasse auch schon mitschwang? Ganz von der Hand zu weisen ist der Verdacht nicht, fährt sich doch die A-Klasse weniger souverän, als man es von der Edelmarke mit dem Stern gewohnt ist. Für Mercedes-verhätsche­lte Hinterteil­e fällt die Federung recht hart aus; Querfugen mag dieser Benz nicht besonders.

Am meisten dürften sich verwöhnte Mercedes-Fans aber über die neue Motorengen­eration wundern: Erstens wurde sie (einmal mehr) zusammen mit Renault entwickelt. Zweitens ist sie recht schmalbrüs­tig. Mehr als 1,33 Liter Hubraum hat der Vierzylind­er im A 200 nicht zu bieten. Zwei Zylinder werden bei wenig Last abgeschalt­et, was Sprit sparen soll. Unter sechs Liter Super beträgt der Normverbra­uch. In der Praxis schluckte unser A 200 fast neun, was daran liegen mag, dass man das Gaspedal ordentlich treten muss, um zügig unterwegs zu sein. Der Premium-Punch fehlt aber. Schade. Auch die Automatik wirkt mitunter seltsam gehemmt. Diese Abstimmung kann Mercedes eigentlich besser. Gleiches gilt für den Sound, der sich eher angestreng­t entfaltet.

Natürlich ist das Jammern auf hohem Niveau. Und stärkere Benzinoder Dieselmoto­ren stehen reichlich zur Wahl. Vielleicht spielt das Thema in der Zielgruppe aber auch keine große Rolle. Ist der jungen Generation Digitalisi­erung wichtiger als Dynamik? Darauf weiß selbst „Hey, Mercedes“keine Antwort. „Was möchten Sie tun“, sagt sie nur, irritiert. Tja. Was möchte man da tun.

Tobias Schaumann

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Foto: Daimler AG Wie passend: Der Farbton dieses A 200 heißt „digitalwei­ß“.

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