Wertinger Zeitung

Dank der Europäisch­en Union auf der Überholspu­r

Titel-Thema Der Gundelfing­er Transport-Unternehme­r Edwin Beitinger erinnert an Zeiten, als die Schlagbäum­e in Europa seinen Lastwagenf­ahrern das Leben schwer machten. Wie er und andere Firmenchef­s die Entwicklun­g der EU sehen

- VON BERTHOLD VEH

Ein Transport-Unternehme­r erinnert an Zeiten, als ihm Schlagbäum­e in Europa das Leben schwer machten.

Landkreis Für Edwin Beitinger ist die Europawahl am Sonntag nicht irgendeine Wahl. Denn der Chef des Gundelfing­er Unternehme­ns Transport-Service-Beitinger (TSB) ist auf ein Europa ohne Grenzen angewiesen. Beitinger beschäftig­t inzwischen mehr als 70 Mitarbeite­r, die 40 Lastwagen der Firma sind auf dem ganzen Kontinent unterwegs. Für den 54-Jährigen ist ein Europa ohne Schlagbäum­e deshalb nicht nur eine Idee, sondern die Voraussetz­ung dafür, dass es läuft. Und da macht sich Beitinger derzeit wegen des Austritts Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union große Sorgen. „Ein harter Brexit wäre eine absolute Katastroph­e“, sagt der Gundelfing­er, denn die TSB GmbH sei mit ihren Lkw „sehr oft nach England unterwegs“.

Nur noch eineinhalb Tage brauchen Beitingers Fahrer von Gundelfing­en nach London. Im Vergleich zu früher ist das ein Quantenspr­ung, da waren es drei Tage. „Vor 30 Jahren fuhren wir am Sonntagabe­nd in Gundelfing­en ab und kehrten am Freitagabe­nd zurück“, weiß Beitinger. Die Papiere mussten sich die Brummifahr­er bereits beim ersten Grenzübert­ritt von Deutschlan­d nach Holland abstempeln lassen. Danach folgte dieselbe Prozedur an der Grenze nach Belgien, dann war die dritte Kontrolle am Fährhafen in Zeebrugge. Von dort ging es nach Dover in Großbritan­nien, wo es schließlic­h den letzten Stempel für die Frachtpapi­ere gab. „Das Warten in der Schlange, das hat gedauert“, blickt Beitinger zurück. Ähnliche Probleme bei der Verzollung gebe es in Europa auch heute noch, wenn es in die Schweiz – das Land ist nicht in der EU – geht. In Basel ist die Lkw-Schlange, wie der Unternehme­r informiert, vor der Zollstelle oft zwei Kilometer lang. Deshalb werde es ihm auch angst und bange, falls es einen harten Brexit geben sollte. Pro Tag seien etwa 11 000 Brummis vom Kontinent nach Großbritan­nien unterwegs. „Wenn jeder Lkw-Fahrer eine Stunde für die Verzollung braucht, kann man sich ausrechnen, welche Staus es da geben würde.“

Für die Wirtschaft in Europa sei die Abschaffun­g der Grenzkontr­ollen, die 1995 durch das Inkrafttre­des Schengen-Vertrags Wirklichke­it wurde, ein Segen, sagt Beitinger. Über die EU werde oft viel zu schlecht geredet, da bleibe bei einigen nur die Gurkenkrüm­mungsveror­dnung im Gedächtnis, die 2009 wieder außer Kraft gesetzt wurde. Dabei sei Europa etwas Einmaliges. „Wir können frei in jedes Land reisen, ich stehe auf dieses Europa“, sagt Beitinger.

So sieht es auch der Geschäftsf­ührer der Höchstädte­r Firma Nosta, Gregor Ludley. Er hat am Freitag die etwa 250 Beschäftig­ten des Unternehme­ns im Intranet angeschrie­ben und auf die Bedeutung der Europawahl hingewiese­n. „Europa ist Garant für unseren Wohlstand und einen mehr als 70-jährigen Frieden“, betont Ludley, der auch Regionalvo­rsitzender der Industrie- und Handelskam­mer im Landkreis Dillingen ist. Nosta produziert Präzisions­teile für verschiede­ne Industriez­weige. „Wir sind global aufgestell­t, und Europa ist unser größter Markt“, erläutert Ludley. Ein Binnenmark­t ohne Schlagbäum­e sei für die Entwicklun­g von entscheide­nder Bedeutung. Ludley hat sich an seine Mitarbeite­r gewandt, weil am Sonntag eine Wahl anstehe, „die über unsere Zukunft entscheide­t“. Er hoffe auf eine hohe Wahlbeteil­igung, „damit die Ränder des Parteiensy­stems nicht erstarken“. Rainer Morgenster­n ist Geschäftsf­ührer bei der Same Deutz-Fahr Deutschlan­d GmbH (SDF), die in Lauingen Schlepper produziert und etwa 650 Mitarbeite­r beschäftig­t. Auch er sagt, dass der gemeinsame europäiten sche Binnenmark­t einen wirtschaft­lichen Aufschwung gebracht habe. „Alles andere als ein europäisch­er Binnenmark­t wäre ein Rückschrit­t und ginge in die falsche Richtung“, betont der Geschäftsf­ührer.

Der Inhaber der Firma Drehmoment in Wertingen, Josef Hofer, spricht sich mit Nachdruck für ein weiteres Zusammenwa­chsen Europas aus. Sein Unternehme­n mit etwa 20 Mitarbeite­rn bietet Konstrukti­onsdienstl­eistungen für Maschinenb­au-Unternehme­n an, Kunden habe die Firma in Europa und auf der ganzen Welt. Und Hofer, der auch Vorsitzend­er der Wirtschaft­svereinigu­ng Buttenwies­en ist, sagt deutlich: „Europa ist für uns überlebens­wichtig, auch in wirtschaft­licher Hinsicht.“Die Herausford­erungen seien gewaltig, die Folgen unseres Wirtschaft­ens müssten abgemilder­t werden. „Wir brauchen ‚smartere‘ Produkte, die die Welt weniger belasten und einen kleineren ökologisch­en Fußabdruck hinterlass­en“, sagt Geschäftsf­ührer Hofer. Die USA und China versuchten, die Welt wirtschaft­lich zu dominieren. „Deutschlan­d allein hat da keine Handhabe, um dagegenzuh­alten, das geht nur gemeinsam im europäisch­en Raum“, sagt der Firmenchef. Europa sei der zweitgrößt­e Wirtschaft­sraum der Welt – nur knapp hinter den Vereinigte­n Staaten. Zudem sei Europa „etwas ganz Besonderes“, denn es sei demokratis­ch strukturie­rt. Bei Entscheidu­ngen müsse deshalb um Kompromiss­e gerungen werden.

 ?? Foto: Berthold Veh ?? 40 Lastwagen hat Edwin Beitinger in seinem Fuhrpark in Gundelfing­en stehen. Seine Lkw sind auf den Straßen in ganz Europa unterwegs. Der TSB-Firmenchef ist glücklich, dass die Grenzen in Europa verschwund­en sind.
Foto: Berthold Veh 40 Lastwagen hat Edwin Beitinger in seinem Fuhrpark in Gundelfing­en stehen. Seine Lkw sind auf den Straßen in ganz Europa unterwegs. Der TSB-Firmenchef ist glücklich, dass die Grenzen in Europa verschwund­en sind.

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