Wertinger Zeitung

Theresa May gibt unter Tränen auf

EU-Austritt Nach einem monatelang­en Machtkampf hat die britische Premiermin­isterin ihren Rücktritt angekündig­t. Folgt ihr mit Boris Johnson bald ein Brexit-Hardliner?

- VON KATRIN PRIBYL

London Die unendliche Geschichte des britischen EU-Austritts ist um ein Kapitel reicher: Tränen erstickten ihre Stimme, als die britische Premiermin­isterin Theresa May am Freitag ihren Rücktritt bekannt gab. Die vergangene­n drei Jahre seien die Ehre ihres Lebens gewesen, sagte sie, drehte sich um und verschwand hinter der berühmten, schwarzen Tür mit der Nummer zehn. Am 7. Juni räumt sie ihren Posten als Vorsitzend­e der konservati­ven Partei und verliert damit auch ihr Amt als Regierungs­chefin.

Sie wird in die britischen Geschichts­bücher als Premiermin­isterin eingehen, die mit dem Ziel antrat, den Brexit umzusetzen – und damit scheiterte. Das Land ist tief gespalten, der EU-Austritt bleibt unvollende­t. Sie werde das „für immer“bedauern, sagte sie. Einen Konsens beim Austritt könne es jedoch nur geben, wenn alle Seiten zum Einlenken bereit seien. „Kompromiss ist kein schmutzige­s Wort, das Leben hängt davon ab.“

Nur wenige Wochen nach dem Ausstiegsr­eferendum und dem Rücktritt ihres Vorgängers David Cameron hatte Theresa May sich in ihrer Partei durchgeset­zt. Sie selbst hatte sich für den Verbleib in der EU ausgesproc­hen, aber so zaghaft, dass es kaum jemand merkte.

Als ihr größter Fehler gilt es, 2017 Neuwahlen ausgerufen zu haben, um die absolute Mehrheit der Konservati­ven auszubauen. Nach einem katastroph­alen Wahlkampf stand sie jedoch plötzlich mit einer Minderheit­sregierung und zutiefst geschwächt da. Nach mehreren gescheiter­ten Abstimmung­en über den Brexit-Vertrag mit der EU hatte der Druck auf die 62-Jährige in den vergangene­n Tagen massiv zugenommen. Der Austritt, eigentlich für den 29. März geplant, musste zweimal verschoben werden. Ob die neue Frist bis 31. Oktober eingehalte­n werden kann, steht in den Sternen.

So dauerte es am Freitag nicht lange, bis Opposition­sführer Jeremy Corbyn sich zu Wort meldete und Neuwahlen forderte. Weder May noch ihre Partei seien in der Lage, das Land zu regieren, befand der Altlinke. Dass seine Labour-Partei selbst heillos über der Europafrag­e zerstritte­n ist, erwähnte er nicht. Während die Mehrheit seiner Partei ein zweites Referendum wünscht, windet sich Corbyn seit Monaten.

Derweil bringen sich die ersten konservati­ven Kandidaten für Mays Nachfolge in Stellung. Die größten Chancen werden dem früheren Londoner Bürgermeis­ter und Außenminis­ter Boris Johnson eingeräumt, ein lautstarke­r Brexit-Wortführer. Er genießt große Popularitä­t in der Parteibasi­s, müsste aber vor der Abstimmung von der Fraktion als einer von zwei Bewerbern bestimmt werden. Unter den anderen möglichen Kandidaten befinden sich alte Bekannte wie auch neue Gesichter. So wird erwartet, dass mehrere aktive und ehemalige Minister ihren Hut in den Ring werfen.

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Theresa May

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