Theresa May gibt unter Tränen auf
EU-Austritt Nach einem monatelangen Machtkampf hat die britische Premierministerin ihren Rücktritt angekündigt. Folgt ihr mit Boris Johnson bald ein Brexit-Hardliner?
London Die unendliche Geschichte des britischen EU-Austritts ist um ein Kapitel reicher: Tränen erstickten ihre Stimme, als die britische Premierministerin Theresa May am Freitag ihren Rücktritt bekannt gab. Die vergangenen drei Jahre seien die Ehre ihres Lebens gewesen, sagte sie, drehte sich um und verschwand hinter der berühmten, schwarzen Tür mit der Nummer zehn. Am 7. Juni räumt sie ihren Posten als Vorsitzende der konservativen Partei und verliert damit auch ihr Amt als Regierungschefin.
Sie wird in die britischen Geschichtsbücher als Premierministerin eingehen, die mit dem Ziel antrat, den Brexit umzusetzen – und damit scheiterte. Das Land ist tief gespalten, der EU-Austritt bleibt unvollendet. Sie werde das „für immer“bedauern, sagte sie. Einen Konsens beim Austritt könne es jedoch nur geben, wenn alle Seiten zum Einlenken bereit seien. „Kompromiss ist kein schmutziges Wort, das Leben hängt davon ab.“
Nur wenige Wochen nach dem Ausstiegsreferendum und dem Rücktritt ihres Vorgängers David Cameron hatte Theresa May sich in ihrer Partei durchgesetzt. Sie selbst hatte sich für den Verbleib in der EU ausgesprochen, aber so zaghaft, dass es kaum jemand merkte.
Als ihr größter Fehler gilt es, 2017 Neuwahlen ausgerufen zu haben, um die absolute Mehrheit der Konservativen auszubauen. Nach einem katastrophalen Wahlkampf stand sie jedoch plötzlich mit einer Minderheitsregierung und zutiefst geschwächt da. Nach mehreren gescheiterten Abstimmungen über den Brexit-Vertrag mit der EU hatte der Druck auf die 62-Jährige in den vergangenen Tagen massiv zugenommen. Der Austritt, eigentlich für den 29. März geplant, musste zweimal verschoben werden. Ob die neue Frist bis 31. Oktober eingehalten werden kann, steht in den Sternen.
So dauerte es am Freitag nicht lange, bis Oppositionsführer Jeremy Corbyn sich zu Wort meldete und Neuwahlen forderte. Weder May noch ihre Partei seien in der Lage, das Land zu regieren, befand der Altlinke. Dass seine Labour-Partei selbst heillos über der Europafrage zerstritten ist, erwähnte er nicht. Während die Mehrheit seiner Partei ein zweites Referendum wünscht, windet sich Corbyn seit Monaten.
Derweil bringen sich die ersten konservativen Kandidaten für Mays Nachfolge in Stellung. Die größten Chancen werden dem früheren Londoner Bürgermeister und Außenminister Boris Johnson eingeräumt, ein lautstarker Brexit-Wortführer. Er genießt große Popularität in der Parteibasis, müsste aber vor der Abstimmung von der Fraktion als einer von zwei Bewerbern bestimmt werden. Unter den anderen möglichen Kandidaten befinden sich alte Bekannte wie auch neue Gesichter. So wird erwartet, dass mehrere aktive und ehemalige Minister ihren Hut in den Ring werfen.