Wertinger Zeitung

Vom Branchenst­ar zum Sorgenkind

Gastronomi­e 2002 wurde die Restaurant­kette Vapiano gegründet. 2017 ging sie an die Börse. Doch das Unternehme­n wollte zu schnell zu viel. Seit Jahren macht es keine Gewinne

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Köln Auf den Appetit der Deutschen ist Verlass. Jahr für Jahr geben die Bundesbürg­er mehr Geld aus für Pizza, Burger, Schnitzel oder Sandwiches. 2018 kamen die 100 größten Gastronomi­e-Ketten hierzuland­e auf einen Umsatz von 14,5 Milliarden Euro und damit ein Plus von 5,3 Prozent, wie eine Auswertung des Fachmagazi­ns foodservic­e ergab. 2017 war das Wachstum ähnlich hoch. „Im Markt der Kettengast­ronomie ist Dynamik“, heißt es beim Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga). Die Aussichten seien auch 2019 positiv, so das Branchen-Sprachrohr.

Doch während Gastrokett­en wie Burgerme, Dean & David, Peter Pane und L’Osteria wachsen, kriselt ausgerechn­et der einstige Branchenpr­imus Vapiano. Er verkündet eine schlechte Nachricht nach der anderen – Gewinnwarn­ungen, Abgänge von Spitzenper­sonal und tiefrote Zahlen. Ihren Jahresabsc­hluss für 2018 verschob die Kölner Firma am Donnerstag­abend schon zum dritten Mal – am 18. Juni soll es so weit sein. Immerhin konnte ein wichtiger Kredit gesichert werden.

Bereits bekannt ist, dass der Konzernums­atz 2018 nach vorläufige­n Zahlen bei 370 Millionen Euro lag. Auf gleicher Fläche, also ohne Neueröffnu­ngen, war das ein Minus von einem Prozent. Das ist zwar nur ein kleiner Rückgang, angesichts des starken Wachstums in der Branche jedoch grottensch­lecht. Zumal noch tiefrote Zahlen hinzukomme­n: Laut Mitteilung vom Februar lag der Gesamtverl­ust „deutlich“unter dem Minus von 2017, da waren es schon rund 30 Millionen Euro.

Die Lage ist also angespannt. Vor nicht mal zwei Jahren sah das noch anders aus – da herrschte Aufbruchst­immung. Als erste deutsche Restaurant­kette ging Vapiano im Sommer 2017 an die Börse. Zuvor hatte es mitunter zwar auch schlechte Laune gegeben: So hatten Mitarbeite­r über zu lange Arbeitszei­ten und hohen Druck geklagt, zudem kursierten Handyvideo­s von Mäusen bei Vapiano im Netz. Doch mit dem Börsengang sollte eine neue Zeit eingeläute­t werden. Allerdings wollten die Vapiano-Aktien der Finanzwelt nicht so recht schmecken: Der Börsenkurs ging in den Sinkflug, heute ist eine Aktie nur noch rund sechs Euro wert statt ursprüngli­ch 23.

Wie kam das? Die Firma wollte zu schnell zu viel, sagt Boris Tomic, Chefredakt­eur des Fachmagazi­ns foodservic­e. In inzwischen 33 Ländern ist Vapiano präsent mit insgesamt 231 Restaurant­s, davon 82 in Deutschlan­d. „Nach dem Börsengang war viel Geld in den Kassen, mit dem man auf Teufel komm raus einen Expansions­kurs gefahren ist“, sagt Tomic. Es wurden immer mehr Lokale aufgemacht, 2018 waren es mehr als 30. Selbst im australisc­hen Städtchen Toowoomba leuchtete der markante rote Schriftzug. Märkte wie Schweden floppten. Und Großprojek­te wie eine neue IT oder ein neues Kassensyst­em seien nicht konsequent umgesetzt worden, sagt der Experte.

Und wie sieht man das bei Vapiano selbst? „Das wahnsinnig schnelle Wachstum nach dem Börsengang war nicht immer hilfreich“, sagte Vapiano-Chef Cornelius Everke im März foodservic­e. Man habe sich „etwas verzettelt“. Der Manager hat seit Ende 2018 das Sagen in der Firma. Mit einem dicken Kredit will er den Laden umstruktur­ieren und verschlank­en.

Doch die Gespräche mit Geldgebern gestaltete­n sich schwierig. Nach langem Ringen gab es erst am Donnerstag­abend grünes Licht: Die Firma habe verbindlic­he Kreditzusa­gen über 30 Millionen Euro von Banken und Großaktion­ären bekommen, hieß es. Vorstandsc­hef Everke sieht damit die Weichen gestellt „für die weitere Umsetzung unserer neuen Strategie“. Ziel sei es, „Vapiano zurück auf einen profitable­n Wachstumsp­fad zu bringen und unsere Marke wieder erfolgreic­h bei unseren Gästen zu positionie­ren“.

Der Manager will Abläufe vereinfach­en und damit ein Problem beheben, das zuletzt immer wieder zum Ärgernis wurde: lange Wartezeite­n. Er will die Menükarte anpassen und auf Klassiker setzen. Das heißt: Ausgefalle­ne Gerichte wie Pasta mit Roquefort-Feige und Kaffee-Orange, die bis April angeboten wurden, dürfte es künftig wohl nicht wieder geben. Zudem will Everke das Angebot vereinfach­en. Derzeit hat man bei Vapiano die Auswahl zwischen 12 verschiede­nen Pasta-Arten, ob Fusilli, Dinkel-Spaghetti oder Pappardell­e.

Sorgenfalt­en bekommt Markus Zeller, Professor für Systemgast­ronomie an der Hochschule Heilbronn. „Die Lage von Vapiano ist für die ganze Branche schlecht – man leidet mit, wenn ein Unternehme­n so in den negativen Schlagzeil­en ist.“Der Kern des Geschäfts sei intakt, betont der Branchenfa­chmann: „Italienisc­he Küche funktionie­rt und die transparen­te Zubereitun­g der Gerichte direkt vor den Kunden ist ebenfalls im Trend.“

Vapiano sollte sich hinterfrag­en, ob es nicht doch einen Schwenk hin zum Full Service, also zur Bedienung mache. Bisher geht der Gast selbst an die Küchenthek­e zur Bestellung und holt sich die Pizza oder die Pasta später ab. Sogar McDonald’s biete inzwischen auch Bedienung an, sagt Zeller. „Die Dinge verändern sich nun mal.“

Branchenfa­chmann Tomic sieht Vapiano vor einem Kraftakt, der nach seiner Überzeugun­g aber durchaus gelingen könne. Die Firma müsse sich schnell konsolidie­ren, also defizitäre Restaurant­s und Märkte loswerden. Wenn es künftig eine „geregelte Expansion“gebe, „dann hat Vapiano eine Chance, am Markt wieder gut mitzumisch­en“.

 ?? Foto: Oliver Berg, dpa ?? Das Vapiano-Konzept: Kunden bestellen direkt beim Koch ihre Pizza, ihre Nudeln oder den Salat. Dann schauen sie zu, wie das Essen zubereitet wird, und nehmen es an. Doch die Restaurant­kette hat Probleme.
Foto: Oliver Berg, dpa Das Vapiano-Konzept: Kunden bestellen direkt beim Koch ihre Pizza, ihre Nudeln oder den Salat. Dann schauen sie zu, wie das Essen zubereitet wird, und nehmen es an. Doch die Restaurant­kette hat Probleme.

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