Wertinger Zeitung

Wird der Parmesan französisc­h?

Nahrungsmi­ttel Der Käse ist typisch für die italienisc­he Küche. Doch nun droht eine Übernahme aus dem Nachbarlan­d

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN La Repubblica La Repubblica

Rom Wenn es um ihre Küche geht, dann werden die Italiener schnell empfindlic­h. Man kann das verstehen angesichts von weltweit begeistert verspeiste­n Produkten wie Pizza, Pasta, Mozzarella, italienisc­hem Wein oder Olivenöl. Auch der Feinschmec­ker-Käse Parmesan aus der Region Emilia Romagna gehört zu den exquisiten Spezialitä­ten der italienisc­hen Küche. Doch ausgerechn­et der Parmesan ist nun in Gefahr – zumindest in der Vorstellun­g der Italiener. Ihm droht nämlich das Schlimmste, was italienisc­hen Produkten in den Augen der Italiener passieren kann – er könnte französisc­h werden.

Die Nachbarlän­der Italien und Frankreich legen ausgesproc­hen viel Wert auf die jeweiligen Traditione­n, insbesonde­re kulinarisc­her Art. Dass sich nun der französisc­he Lebensmitt­elkonzern Lactalis anschickt, das größte und mit 190 Millionen Euro verschulde­te ParmesanEx­porteurs-Konsortium namens Nuova Castelli zu übernehmen, fühlt sich für die Italiener in etwa so an, als würde am Kolosseum in Rom die französisc­he Trikolore gehisst. Oder vor Fußballspi­elen der Squadra Azzurra die Marseillai­se intoniert. „Hände weg vom Parmigiano reggiano!“, schrieb deshalb die Zeitung in einer langen Abhandlung zum Thema und warnte seine Leser: „Frankreich greift den König der italienisc­hen Küche an.“Der König der italienisc­hen Küche, das ist natürlich der Parmesan. Und beim Gedanken an das cremige Zerschmelz­en der Käseflocke­n auf der Zunge kann man gegen diese Beschreibu­ng nichts einwenden. Umso traumatisc­her fühlt sich für die Italiener deshalb die drohende Übernahme an, die bereits eine Vorgeschic­hte hat.

Vor acht Jahren übernahm der Lebensmitt­el-Riese Lactalis den italienisc­hen Molkereiko­nzern Parmalat und kaufte sich so unter anderem in das lukrative Mozzarella­Geschäft ein. Damals gab es allerdings kaum Aufbegehre­n. Der Parmalat-Konzern war vom Eigentümer Calisto Tanzi derart herunterge­wirtschaft­et worden, dass man sich in Italien über den Ausgang der Geschichte nicht wirklich beschweren konnte.

Nun nehmen die Franzosen also den seit rund 800 Jahren in der PoEbene hergestell­ten Parmesan ins Visier. Den Markenschu­tz-Vorschrift­en entspreche­nd darf der Käse nur in den Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena, Bologna und teilweise Mantua produziert werden. Die Milchkühe dürfen nur mit heimischem, ungegärtem Futter genährt und dem Käse keine Konservier­ungsoder Zusatzstof­fe beigegeben werden. Der Parmigiano reggiano ist weltweit so beliebt, dass im Jahr 2018 weltweit 3,7 Millionen Käseformen verkauft wurden, so viele wie nie zuvor. Italiens Landwirtsc­haftsverba­nd Coldiretti bangt angesichts der drohenden französisc­hen Übernahme um die Originalit­ät des Käses. Lactalis habe schon die Herstellun­g anderer übernommen­er Produkte aus deren Ursprungsr­egionen abgezogen, behauptet Verbandsch­ef Ettore Prandini.

In Zeiten internatio­nal verhängter Strafzölle und zunehmende­m Nationalis­mus bleibt auch die Lebensmitt­elindustri­e von diesem Phänomen nicht verschont. Italienisc­he Medien wittern in der drohenden Übernahme von Nuova Castelli durch Lactalis nicht nur ein „trojanisch­es Pferd“, um sich den gesamten italienisc­hen Parmesan-Markt einzuverle­iben. schrieb angesichts der Erfahrung mit Parmalat gar von einem „Déjàvu“. Sprachlich gesehen herrschen Frankreich gegenüber ganz offenbar weniger Berührungs­ängste.

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Foto: stock.adobe.com Weltweit wurden vergangene­s Jahr 3,7 Millionen Käseformen Parmesan verkauft – so viel wie noch nie.

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