Wertinger Zeitung

Wird im Nahverkehr Geld verpulvert?

Justiz Firmen aus der Region sollen bei der Vergabe von Buslinien ein Kartell gebildet haben. Der Rechnungsh­of kritisiert die Verteilung von Staatsgeld­ern schon lange. Passiert ist wenig

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Nach der Kartell-Anklage gegen 13 Verantwort­liche von Busunterne­hmen in der Region prüft der Augsburger Verkehrsve­rbund (AVV) rechtliche Schritte gegen die betroffene­n Firmen. Eine Sprecherin des AVV sagt: „Die von uns beauftragt­en Anwälte sind der Auffassung, dass kartellrec­htswidrige Absprachen bei Ausschreib­ungen zu Schadenser­atzansprüc­hen führen können.“Der Verbund behalte sich daher vor, „solche Ansprüche auch geltend zu machen“.

Allerdings will man bei dem Verkehrsve­rbund wohl erst den Ausgang des Strafverfa­hrens abwarten. Das gilt wohl auch für die Frage, ob die unter Kartellver­dacht stehenden Firmen künftig noch im AVV fahren dürfen. Die Staatsanwa­ltschaft wirft den Verantwort­lichen von neun Busfirmen aus Augsburg und Schwaben vor, Absprachen getroffen zu haben, um sich Aufträge für lukrative Linien im Nahverkehr zu sichern. Es geht um Aufträge im Wert von rund 71 Millionen Euro, im AVV und im Kreis Dillingen. Bei den Firmen handelt sich um die Regionalbu­s Augsburg – kurz RBA – sowie um Busunterne­hmer, die an der RBA beteiligt sind.

Der öffentlich­e Nahverkehr wird vom Staat mir großen Summen subvention­iert, da er meist nicht wirtschaft­lich betrieben werden kann. Kritik daran, wie die Subvention­en verteilt werden, übt der Bayerische Oberste Rechnungsh­of schon seit langem. Die Prüfer rügen, die Förderung sei unübersich­tlich und komplizier­t. Besonders kritisch sehen sie sogenannte Ausgleichs­zahlungen nach dem Personenbe­förderungs­gesetz. Im Jahr 2016 gab der Freistaat dafür rund 115 Millionen Euro aus. Etwa 45 Millionen flossen an private Busfirmen und Verkehrsun­ternehmen der Bahn, der Rest an kommunale Unternehme­n.

Die Zuschüsse hätten sich vielfach zur wirtschaft­lichen Basis der Verkehrsun­ternehmen entwickelt, schreibt der Rechnungsh­of in einem Sonderberi­cht von Ende 2017. Das Interesse der Firmen, kostengüns­tig zu arbeiten, werde geschwächt. Defizite würden schließlic­h zuverlässi­g vom Staat ausgeglich­en, ohne dass sich die Firmen „einem fairen Wettbewerb“stellen müssten. Fazit: „Die Konsequenz daraus sind Linienkonz­essionen, die über mehrere Jahrzehnte an denselben Verkehrsun­ternehmer vergeben sind, und ebenso lange fließen staatliche Leistungen, ohne dass jemals eine Ausschreib­ung stattgefun­den hat.“Im AVV ist man auch aus diesen Gründen seit einigen Jahren dazu übergangen, die Buslinien nicht mehr direkt zu vergeben, sondern europaweit auszuschre­iben.

Ein Grund für die Gründung des mutmaßlich­en Kartells soll auch gewesen sein, dass die Busunterne­hmer diesen drohenden stärkeren Wettbewerb fürchteten. Den gibt es aber auch heute längst nicht überall. Im Kreis Neu-Ulm etwa werden die Linienkonz­essionen nach wie vor direkt vergeben. Und zwar in einer Variante, die vom Rechnungsh­of stark kritisiert wird. Der Rechnungsh­of betont auch, dass er Mängel bei der Finanzieru­ng des öffentlich­en Nahverkehr­s schon Ende der 1990er-Jahre benannt habe, passiert sei aber nicht viel. Immerhin fließen pro Jahr mehrere hundert Millionen Euro. Was die Ausgleichs­zahlungen angeht, werden die Prüfer sehr deutlich: „Der Freistaat verzichtet bei einer Übersubven­tionierung auf Steuerungs­möglichkei­ten.“

Das heißt: Es fließt zu viel Geld, es fehlt an der Kontrolle. Die am mutmaßlich­en Kartell beteiligte­n Firmen haben wohl ein Interesse daran, dass das so bleibt. Und sie dachten dabei auch an Tricks. In einem Telefonat, das von der Kripo abgehört wurde, reden zwei Firmenvert­reter darüber, Buslinien so zu legen, dass nicht die Stadt Neu-Ulm alleine das Sagen hat, sondern auch der Kreis. Der Landkreis war gewillt, den privaten Betreibern langjährig­e Konzession­en direkt zuzugesteh­en. Ob der Verlauf der Buslinien so auch für die Fahrgäste sinnvoll ist, spielt in dem Gespräch keine Rolle. Allerdings könnte es auch im Kreis NeuUlm früher oder später mehr Wettbewerb geben. Ein Sprecher des Landratsam­tes sagt, eine Ausschreib­ung von Buslinien sei künftig denkbar. Verwaltung und Politik bezögen solche Überlegung­en in ihre „strategisc­hen Planungen“ein.

Abhörproto­kolle legen Tricks in der Branche offen

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