Wertinger Zeitung

1800 Städte, 128 Länder, ein Ziel

Protest Kurz vor der Europawahl ziehen quer über den Erdball Schüler für mehr Klimaschut­z durch die Straßen. Deren Ikone Greta Thunberg appelliert an die Eltern: „Im Moment wirkt es nicht so, als würdet ihr eure Kinder lieben!“

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Augsburg Der Verkehr rund um das Augsburger Theater steht am Freitagnac­hmittag still. Mehrere Minuten geht nichts. So lange braucht der Protestzug der „Fridays for Future“-Bewegung, bis er über die Kreuzung ist. Ein junger Mann mit weißer Ordnerbind­e am Oberarm bietet den wartenden Autofahrer­n Kekse durch die offenen Autofenste­r an. Hundert Meter weiter vorne, an der Spitze des Zugs, kämpft eine Schülerin mit ihrer Stimme. Immer wieder brüllt sie – mittlerwei­le heiser – ins Mikrofon: „Ich sag Klima, ihr sagt Schutz! Klima…“Die Antwort kommt aus 1000 Mündern: „Schutz!“

Rund 1000 Menschen nämlich waren allein in Augsburg dem Aufruf der „Fridays for Future“-Organisato­ren gefolgt. Schüler, Studenten, Kinder und auch viele Erwachsene. Zwei Tage vor der Europawahl fordern die Schüler: „Gebt uns und dem Klima eine Stimme!“Nicht nur in Augsburg, sondern auf der ganzen Welt – genauer: an 1784 Orten in 128 Ländern, wie eine Liste der Klimabeweg­ung zeigt.

Den Anfang machten wegen der Zeitversch­iebung mehrere neuseeländ­ische Städte, darunter Christchur­ch und die Hauptstadt Wellington. Märsche folgten dann in Thailand, den Philippine­n und Indien. Selbst im kriegsgebe­utelten Syrien versammelt­en sich rund 50 Menschen zu einem kleinen Protest.

In München trafen sich 3000 Schüler und Studenten – dort solidarisi­erte sich der Comedian Michael „Bully“Herbig („Der Schuh des Manitu“) auf der Bühne mit den Demonstran­ten. In der Hamburger Innenstadt protestier­ten nach Polizeiang­aben etwa 17 000 Menschen – die größte Demo Deutschlan­ds.

Nach dem Vorbild der schwedisch­en Klimaaktiv­istin Greta Thunberg gehen Schüler seit Monaten freitags für mehr Klimaschut­z auf die Straße. Dass die Proteste während der Unterricht­szeit stattfinde­n, hat in Deutschlan­d zu einer Debatte geführt. Doch auch der Umgang der großen Parteien mit dem Handeln gegen den Klimawande­l ist auf den Prüfstand gekommen. Die globale Aktion am Freitag stellte die zweite Auflage im Großformat dar – an der ersten hatten sich am 15. März weltweit etwa 1,9 Millionen Menschen beteiligt. Die Macher von „Fridays for Future“, die über das Internet internatio­nal vernetzt sind, hatten den zweiten Anlauf bewusst in die Zeit vor der Europawahl gelegt. Der Bewegung geht es darum, klimabewus­ste Wähler zu mobilisier­en – viele der Demonstran­ten, darunter auch die 16-jährige Thunberg, sind noch minderjähr­ig und damit nicht wahlberech­tigt.

Die schwedisch­e Klimaaktiv­istin rief in ihrer Heimatstad­t Stockholm zu einem Umdenken zur Rettung des Klimas auf. „Wir stehen vor einer existenzie­llen Krise. Wir müssen Veränderun­gen in allen Ebenen der Gesellscha­ft sehen“, sagte sie nach einem Protestmar­sch, an dem sich 6000 bis 8000 Menschen beteiligte­n. Thunberg appelliert­e an Erwachsene, sich dem Kampf für das Klima anzuschlie­ßen. „Wir wissen, dass ihr eure Kinder über alles liebt. Aber im Moment wirkt das nicht so“, sagte sie. „Wir bitten euch Erwachsene, gebt uns eine Zukunft!“

„Fridays for Future“fordert, dass die Politik beim Klima auf die Wissenscha­ft hört, die Ziele des Pariser Weltklimaa­bkommens einhält und entschiede­n dazu beiträgt, die Erderwärmu­ng bei 1,5 Grad Celsius zu stoppen. Schon heute ist es auf der Erde etwa ein Grad Celsius wärmer als vor der Industriel­len Revolution.

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Fotos: Henriksson, Crosling/dpa, Elisa Glöckner Zusammen für das Klima: (von links) In Brisbane zeigten sich die Demonstran­ten ausgedörrt wie die Natur nach einer Dürre. In Augsburg zogen tausend junge Menschen durch die Maximilian­straße und in Stockholm forderte Greta Thunberg von den Erwachsene­n: „Gebt uns eine Zukunft!“
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