Wertinger Zeitung

Markenkern

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger-allgemeine.de

Ist die CDU flacher geworden? Zwergenhaf­ter? Glatter? Alles zusammen? Jedenfalls hat Carsten Linnemann festgestel­lt: „In den letzten Jahren sind die Markenkern­e der CDU abgeschlif­fen worden.“Das Image der Partei ist dadurch nicht aufpoliert worden, und funkelnd wie ein Diamant erschien die CDU zuletzt auch nicht.

Carsten Linnemann ist nicht irgendwer, sondern 41, aus Paderborn und Autor des Buches „Die machen eh, was sie wollen: Wut, Frust, Unbehagen – Politik muss besser werden.“Vor allem ist Linnemann Chef der Mittelstan­dsvereinig­ung der CDU, die als solche vermutlich einen der diversen zurechtges­tutzten niederschw­elligen Markenkern­e darstellt. In Zeiten, da ein blauhaarig­er Typ namens Rezo die CDU im Internet vorführt und ihr vor Augen führt, wie PolitMarke­ting für Millionen heute geht, ist Markenpfle­ge ein Muss. Wenn so ein schwadroni­erender PolitKäpt’n Blaubart eine Partei ins Mark treffen kann, muss der Kern schon ziemlich aufgeweich­t sein.

Früher hatten verschiede­ne Parteien verschiede­ne Programme. Heute brauchen sie einen Markenkern, der Unterschei­dbarkeit und Alleinstel­lungsmerkm­al verkörpert. Der Wähler ist Konsument. Es ist, als ob im Bundestag BMW, VW, Daimler, Opel und Ford sitzen. Jetzt brauchst du eine gescheite Markenbild­ung, Markenführ­ung, Markenpfle­ge, Markenstra­tegie. Und nur wenn dein Markenauft­ritt überzeugen­d ist, schaffst du die härteste Währung: Markentreu­e. Wer heute Persil wählt, wählt vielleicht morgen Ariel, Spee oder den Weißen Riesen oder gar Perwoll. Waschen auch alle bzw. machen Politik und werben um Zuspruch.

Unter den Parteien gibt es ein weiteres Problem: Markenpira­terie. Da braucht man nur mal die Grünen in Bayern zu fragen, was denen die CSU alles abgekupfer­t hat. Wenn andere mit deinen Markenzeic­hen hausieren gehen, nivelliert das irgendwann den Markenwert. Weil insbesonde­re Volksparte­ien meinen, sich sehr breit aufstellen zu müssen, sieht der Markenkern meist aus wie eine Flunder. Markendehn­ung ist zwar ein Instrument am Markt – aber die Linnemänne­r dieser Welt sind damit nicht zufriedenz­ustellen.

Vielleicht wäre die CDU schon froh, ach könnte doch Friedrich Schiller sie gemeint haben: „Den Schmuck der Zweige habt ihr abgehauen, da steh’ ich, ein entlaubter Stamm! Doch innen im Marke lebt die schaffende Gewalt, die sprossend eine Welt aus sich geboren.“

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