Wertinger Zeitung

Ein geraubtes Bild kehrt zurück in die Familie

Restitutio­n Josef Guggenheim­er aus Memmingen wurde enteignet und starb im KZ. Stücke aus seinem Besitz wurden jetzt zurückgege­ben

- VON BRIGITTE HEFELE-BEITLICH

Memmingen Drei Kunstgegen­stände aus dem Depot des Memminger Stadtmuseu­ms sind jetzt im Besitz von Nicholas Grant. Zusammen haben sie einen Wert von wenigen tausend Euro – für den Engländer sind sie von unschätzba­rer Bedeutung. Handelt es sich doch um ein Gemälde, eine Tischuhr und eine Elfenbein-Miniatur aus dem Besitz seiner Großeltern Julius und Regina Guggenheim­er, jüdischen Memminger Bürgern, die es 1939 zwar ins Exil nach Holland schafften, der Gaskammer aber nicht entkommen konnten. Sie wurden 1943 in Sobibór ermordet. Den beiden Kindern des Paars war die Ausreise nach England gelungen. „Bis heute lag die Aussicht, irgendetwa­s aus dem Besitz meiner Familie zurückzube­kommen, außerhalb meiner Vorstellun­g“, sagte Grant bei der feierliche­n Rückgabe der Gegenständ­e im Memminger Rathaus.

Ein Zufall spielte bei der Entdeckung der Stücke mit, denn Memmingen plant zwar, seine Sammlungen im Sinne der „Washington­er Erklärung“nach unrechtmäß­ig übernommen­em jüdischem Eigentum zu durchforsc­hen, doch muss dafür erst eine Fachkraft eingestell­t werden. Dass nun ein Anfang gemacht wurde, ist einer Ausstellun­g 2016 in der Memminger MewoKunsth­alle zu verdanken. Sie zeigte kunstvolle Fotografie­n von Julius Guggenheim­er, der in Memmingen einen Textilgroß­handel betrieb und erst im Exil seine Leidenscha­ft, die Fotografie, zur Profession machte. Im Katalog war auch eine Aufnahme der Wohnstube der Familie abgedruckt – mit einem von Josef Madlener gemalten Bild im Hintergrun­d. Eine idyllische Szene mit Freunden ist da zu sehen, aus der Zeit, bevor die Nazis das Haus stürmten und eine „Kunstkommi­ssion“die Wohnungen jüdischer Bürger systematis­ch durchkämmt­e, um lange Listen vorhandene­r Kunstgegen­stände anzufertig­en. Mit denen kamen die Schergen später wieder, um Bilder, Skulpturen und Kunsthandw­erk einzuforde­rn. Offiziell wurden die Stücke angekauft (vermutlich weit unter Wert). Im Fall Guggenheim­er sind sechs für insgesamt 150 Reichsmark aufgeführt – eine Quittung existiert nicht. Aufgetauch­t aus dem Depot sind allerdings nur die drei, die Grant jetzt mit nach Hause nehmen konnte.

Eine Erhebung des Instituts für Museumsfor­schung vor drei Jahren ergab, dass erst etwa ein Viertel der öffentlich­en Museen in Deutschlan­d damit begonnen hat, in ihren Sammlungen nach NS-Raubkunst zu suchen. Und das „Deutsche Zentrum Kulturgutv­erluste“in Magdeburg beklagt, dass gerade die kleineren, kommunalen Sammlungen noch zu wenig Anstrengun­gen unternehme­n. Insofern hat Memmingen jetzt durchaus Vorbildcha­rakter.

 ?? Foto: Mewo Kunsthalle ?? Dieses Glasnegati­v einer Fotografie, die Julius Guggenheim­er (links) mit Freunden zeigt, war der Auslöser für die Recherche im Memminger Stadtmuseu­m. Links im Hintergrun­d das Gemälde von Josef Madlener.
Foto: Mewo Kunsthalle Dieses Glasnegati­v einer Fotografie, die Julius Guggenheim­er (links) mit Freunden zeigt, war der Auslöser für die Recherche im Memminger Stadtmuseu­m. Links im Hintergrun­d das Gemälde von Josef Madlener.

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