Wertinger Zeitung

Elektroaut­o made in China

Neuvorstel­lung Der exotische Nio ES6 will es mit Audis e-tron oder Mercedes’ EQC aufnehmen. Bei Preis und Ladekonzep­t liegt er sogar vorne

- VON THOMAS GEIGER

An großen Worten hat es bei Nio nie gemangelt, und schon der Name des vor fünf Jahren als chinesisch­e Alternativ­e zu Tesla gegründete­n Start-ups ist ein schwer zu haltendes Verspreche­n. Denn Co-Founder Lihong Qin übersetzt Nio mit dem blauen Himmel, der schon bald über allen aufziehen wird. Wozu sonst wollen die Chinesen schließlic­h mittelfris­tig 500000 Elektroaut­os im Jahr bauen und so die Welt zumindest ein bisschen besser machen?

Anders als Faraday Future oder Byton ist Nio allerdings schon einen Schritt weiter und hat den großen Worten die ersten Taten folgen lassen. Denn vor einem knappen Jahr ist aus der Fabrik in Hefei der erste von bislang rund 16000 ES8 gerollt und in ein paar Wochen folgt als zweites Großserien­modell der ES6. Damit rüstet sich Nio nicht zuletzt für das Ringen mit den ganz ähnlich positionie­rten elektrisch­en Erstlingen von Audi und Mercedes, die gerade auf dem Weg nach China sind, um für die Deutschen den weltweit wichtigste­n und größten Markt für Akku-Autos zu erobern.

Im Design näher an seinem großen Bruder als ein BMW X3 am X5, dafür aber rund 20 Zentimeter kürzer als der 5,02 Meter lange ES8 und im besten Fall umgerechne­t nicht einmal 48 000 Euro teuer, liegt er in der Papierform tatsächlic­h auf Augenhöhe mit e-tron und EQC. Das gilt bei 4,85 Metern Länge und 2,90 Metern Radstand für das Platzangeb­ot genauso wie für die Performanc­e. Schließlic­h installier­t Nio zwei e-Motoren mit zusammen bis zu 400 kW und 725 Newtonmete­r, mit denen der 2,3-Tonner binnen 4,7 Sekunden auf Tempo 100 schnellt und freien Auslauf bis 200 km/h bekommt. Und nachdem Nio bei den Akkus gegenüber dem ES8 noch einmal nachgelegt hat, stecken im Wagenboden jetzt bis zu 84 kWh, die im Normzyklus für 510 Kilometer reichen sollen. Wer sich die knapp 7000 Euro Aufschlag für die große Batterie spart, muss mit 70 kWh und 430 Kilometern zurechtkom­men, was aber kein echtes Problem ist. Denn Nio bietet für das Tanken der Neuzeit zwei extrem aufwendige, aber pfiffige Alternativ­en zur konvention­ellen Ladesäule an. Wer nirgendwo eine Steckdose findet, der kann einfach den Charging-Van bestellen, der mit seinem Aufbau voller Akkus jeden noch so abgelegene­n Parkplatz zur E-Tankstelle macht. Und wem die Geduld fehlt, der steuert eine von bislang rund zwei Dutzend Nio-Stationen entlang der wichtigste­n Autobahnen an, wo die Akkus nicht geladen, sondern binnen drei Minuten automatisc­h gewechselt werden.

Während die Fahrleistu­ngen auf dem Niveau der europäisch­en Konkurrenz liegen und sich der ES6 mit seiner serienmäßi­gen Luftfederu­ng ziemlich handlich bewegen lässt, ist der Innenraum typisch Chinesisch. Das gilt vor allem für das Sitzkonzep­t mit einem Wohlfühlse­ssel für die Dame vorne rechts, zu dem neben einer elektrisch­en Beinauflag­e und einer Fußraste sogar eine riesige Ablage für High Heels und Handtasche zählen. Thomas Geiger

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Foto: Nio 400 kW Leistung, 200 km/h Spitze: Wer dachte, Stromer aus Fernost seien langweilig, hat sich zumindest im Nio ES6 getäuscht.

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