Große Koalition so klein wie nie
Europawahl CDU und SPD kassieren schlechteste Ergebnisse aller Zeiten. Grüne feiern zweiten Platz. Rechtspopulisten im neuen Parlament gestärkt. Wahlbeteiligung deutlich gestiegen. Wird Manfred Weber nun EU-Kommissionspräsident?
Berlin/Brüssel Die Europawahl ist zu einer Abrechnung mit der Großen Koalition in Berlin geworden. Zwar verbuchte die CSU laut vorläufigem Endergebnis ein MiniPlus, von einem Weber-Effekt war jedoch wenig zu spüren. Der CSUPolitiker Manfred Weber war als Spitzenkandidat der europäischen Konservativen ins Rennen gegangen. Das half seiner Partei allerdings kaum – und der Union insgesamt sogar noch weniger, sie kassierte das schlechteste Ergebnis aller Zeiten bei einer bundesweiten Wahl – genauso wie die SPD. Sieger des Tages sind die Grünen, die ihr Ergebnis von 2014 nahezu verdoppelt haben und hinter der Union klar zweitstärkste Kraft wurden. Auch die AfD steigerte sich weiter, blieb allerdings hinter ihren jüngsten Erfolgen zurück.
Die Rechtspopulisten standen europaweit im Fokus. In vielen Ländern legten sie zu und schon am frühen Abend war klar, dass das rechte Lager im neuen Parlament deutlich stärker sein wird als bisher. In Frankreich landete die Partei von Marine Le Pen laut ersten Prognosen sogar ganz vorne – noch vor der Bewegung von Präsident Emmanuel Macron. Auch in Italien triumphierten die rechte Lega. Einen noch größeren Siegeszug rechter Gruppierungen verhinderte nach Einschätzung von Experten die gestiegene Wahlbeteiligung. In Österreich kam der Skandal um den inzwischen zurückgetretenen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache hinzu. Der Wirbel hat seiner FPÖ offenbar geschadet, während die ÖVP von Sebastian Kurz klar gewann. Dennoch muss der Kanzler damit rechnen, heute vom österreichischen Parlament gestürzt zu werden.
Auch in Deutschland begannen noch in der Wahlnacht Personaldiskussionen. Dabei ging es nicht nur um die Frage, ob Manfred Weber trotz des schwachen Abschneidens der Union und des Schrumpfens seiner konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament tatsächlich Kommissionspräsident wird. Rückendeckung bekam er aus den eigenen Reihen. CSU-Generalsekretär Markus Blume sprach von einem „unter solchen Umständen außerordentlich guten Ergebnis“seiner Partei. Und der langjährige CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber betonte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Das Ergebnis ist eine klare Ansage, dass der Anspruch von Manfred Weber, Kommissionspräsident zu werden, gerechtfertigt ist.“Das Problem liege nicht in München oder Wildenberg (Webers Heimatort), sondern in Berlin, sagte Ferber – ein Seitenhieb auf die Schwesterpartei CDU. Dort mehren sich die Stimmen, die ein Ende der Doppelspitze von Kanzlerin Angela Merkel und Parteichefin Annegret KrampKarrenbauer fordern. Und in der SPD gerät Andrea Nahles immer stärker unter Beschuss. Am Wochenende wurde über die Ablösung der Parteichefin als Fraktionsvorsitzende im Bundestag spekuliert.
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