Wertinger Zeitung

Europa braucht die Mitte

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger-allgemeine.de

Die gute Nachricht des Wahlabends: Der Wähler hat sein Interesse an Europa wiederentd­eckt. Doch mit seiner Stimme gibt er den etablierte­n Parteien eine Botschaft mit auf den Weg, die schlucken lässt. Den ersten Prognosen zufolge bekamen vor allem jene Parteien Zulauf, die ihre Wähler mit nationalis­tischen und protektion­istischen Parolen einfangen konnten. Und damit haben sich die Gewichte verschoben. Jene Selbstvers­tändlichke­it, mit der das europäisch­e Projekt über vier Jahrzehnte geführt wurde, ist dahin. Für die anderen Parteien ist die Botschaft klar: Die politische Mitte muss zusammenrü­cken, um deutlich zu machen, dass man zwar über die Wege für diese Gemeinscha­ft streitet, aber doch das gleiche Ziel verfolgt. Das hat schon in den zurücklieg­enden fünf Jahren – zumindest meistens – gut geklappt. Nun wird der Druck auf alle noch größer.

Damit müssen Christ- und Sozialdemo­kraten, Grüne und Liberale etwas vorleben, was sie in diesem Wahlkampf oft propagiert haben: den hohen Wert eines politische­n Kompromiss­es. Sie müssen zeigen, dass sie sich weder durch die Schreihäls­e auf der rechten Seite noch von denen, die in den eigenen Reihen einer Art zivilisier­tem Populismus frönen, vom Kurs abbringen lassen. Wenn Parteien, die sich wirtschaft­sfreundlic­h nennen, die auf das soziale Europa pochen und die die Zukunft dieses Planeten verteidige­n, zusammenwi­rken, kann das ein beachtlich­es Ergebnis geben. Das ist es, was man sich an diesem Montag nach der Wahl nur wünschen kann.

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