Europa braucht die Mitte
Die gute Nachricht des Wahlabends: Der Wähler hat sein Interesse an Europa wiederentdeckt. Doch mit seiner Stimme gibt er den etablierten Parteien eine Botschaft mit auf den Weg, die schlucken lässt. Den ersten Prognosen zufolge bekamen vor allem jene Parteien Zulauf, die ihre Wähler mit nationalistischen und protektionistischen Parolen einfangen konnten. Und damit haben sich die Gewichte verschoben. Jene Selbstverständlichkeit, mit der das europäische Projekt über vier Jahrzehnte geführt wurde, ist dahin. Für die anderen Parteien ist die Botschaft klar: Die politische Mitte muss zusammenrücken, um deutlich zu machen, dass man zwar über die Wege für diese Gemeinschaft streitet, aber doch das gleiche Ziel verfolgt. Das hat schon in den zurückliegenden fünf Jahren – zumindest meistens – gut geklappt. Nun wird der Druck auf alle noch größer.
Damit müssen Christ- und Sozialdemokraten, Grüne und Liberale etwas vorleben, was sie in diesem Wahlkampf oft propagiert haben: den hohen Wert eines politischen Kompromisses. Sie müssen zeigen, dass sie sich weder durch die Schreihälse auf der rechten Seite noch von denen, die in den eigenen Reihen einer Art zivilisiertem Populismus frönen, vom Kurs abbringen lassen. Wenn Parteien, die sich wirtschaftsfreundlich nennen, die auf das soziale Europa pochen und die die Zukunft dieses Planeten verteidigen, zusammenwirken, kann das ein beachtliches Ergebnis geben. Das ist es, was man sich an diesem Montag nach der Wahl nur wünschen kann.