Der Hippie von der CDU
Porträt Carsten Meyer-Heder hat früher grün gewählt und den Kriegsdienst verweigert. Nun könnte der Seiteneinsteiger aus der Wirtschaft Bürgermeister in Bremen werden
Der Mann, der zum Angriff auf das Bremer Rathaus bläst, ist David und Goliath zugleich. Rein optisch wirkt Carsten MeyerHeder wie ein Goliath: Der ZweiMeter-Mann ist einen halben Glatzkopf größer als der schmächtige Bürgermeister Carsten Sieling. Gemessen an politischer Erfahrung dagegen erscheint der 58-jährige wie ein David. Meyer-Heder ist erst im vergangenen jahr in die CDU eingetreten und kennt sich als Mehrheitsgesellschafter einer Softwarefirma ungefähr so gut mit Regierungshandeln und -händeln aus wie Amtsinhaber Sieling von der SPD mit Programmieren und 3-D-Animationen.
Trotzdem hat Meyer-Heder den Bremer Sozialdemokraten ihre bislang bitterste Niederlage zugefügt. Zum ersten Mal seit mehr als 70 Jahren lag die CDU gestern in den ersten Hochrechnungen vor der SPD weil
ihr Carsten offenbar etwas hat, das dem Carsten von der SPD abgeht: Meyer-Heder wirkt wie ein Macher, der Lust aufs Anpacken und Erneuern hat. „Ich bin kein gelernter Politiker, aber Problemlöser“, hieß es auf einem seiner Plakate. Einfach mal was machen, statt aus Angst vor Fehlern gar nichts zu wagen – das ist die Devise des Neulings. Meyer-Heder drückt es so aus: Seine Heimatstadt solle zum „Start-Up unter den Bundesländern“werden, so innovativ, dass sogar die Bayern neidisch werden.
Was genau er alles anpacken will, das blieb im Wahlkampf jedoch eher vage oder klang nicht nach großem Wurf. Zum Beispiel: das dritte Kita-Jahr zur Pflicht machen; ab der dritten Klasse wieder Zensuren einführen; Polizisten mit Tablet-Computern ausstatten, damit das Protokollieren schneller geht; eine Seilbahn in das boomende Quartier „Überseestadt“bauen, um über die Staus auf der Straße hinwegschweben zu können.
Am Ende müssen die Grünen entscheiden, ob sie mit der SPD und den Linken gehen oder mit Union und FDP. Menschlich kämen sie sicher gut mit Meyer-Heder klar, denn er teilt mit ihnen einige Jugenderfahrungen und hat früher sogar grün gewählt. In jungen Jahren, so erzählt der Sohn eines Bestattungsunternehmers, „war ich total links“. Ein langhaariger Hippie, der den Kriegsdienst verweigerte, in einer Wohngemeinschaft lebte, sein Wirtschaftsstudium abbrach und sein Geld als Schlagzeuger verdiente. Inzwischen hat der begeisterte Motorradfahrer drei Kinder von zwei Frauen. Der Mann mit dem offenen Hemdkragen und der weltoffenen Grundhaltung wirkt ein wenig wie ein Paradiesvogel, der sich verflogen hat und im falschen Stall gelandet ist.
Immerhin verbindet ihn mit seiner Partei die Nähe zur Wirtschaft. Nach einer Krebserkrankung hatte er sich zum „Anwendungsentwickler“umschulen lassen, bald danach stieg er 1992 bei einer Softwarefirma ein, die er zur Firmengruppe „team neusta“ausbaute - ein IT-Unternehmen mit mittlerweile 1200 Beschäftigten. Er sei kein böser Kapitalist, beteuert er, sondern ein Mannschaftsspieler. Einen Betriebsrat sucht man bei ihm allerdings vergeblich.