Wertinger Zeitung

Diesem Urteil will sich Russland nicht unterwerfe­n

Seegericht­shof Moskau soll ukrainisch­e Matrosen freilassen. Warum es die UN-Richter für unzuständi­g erklärt

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Hamburg Der internatio­nale Seegericht­shof in Hamburg hat die Freilassun­g von 24 festgenomm­enen ukrainisch­en Matrosen gefordert und damit heftige Kritik in Russland ausgelöst. Das Urteil sei nicht rechtmäßig, weil der Fall nicht in die Zuständigk­eit des UN-Gerichts falle, sagte der prominente russische Außenpolit­iker Konstantin Kossatscho­w. Die neue Führung in der Ukraine müsse nun die Fehler der Vorgänger ausbaden. „Dabei sollten sie sich aber an die Rechtsnorm­en halten“, schrieb der Chef des Außenaussc­husses im russischen Föderation­srat auf Facebook.

UN-Richter Jin-Hyun Paik hatte am Samstag angeordnet, dass Russland neben der Freilassun­g der Matrosen auch drei beschlagna­hmte Schiffe an die Ukraine zurückgebe­n müsse. Dass Moskau diese Anordnunge­n sofort umsetzen wird, ist jedoch unwahrsche­inlich. Russland hatte den Prozess boykottier­t.

Die Matrosen waren im vergangene­n Jahr beim Versuch, aus dem Schwarzen Meer ins Asowsche Meer zu gelangen, von der russischen Küstenwach­e gewaltsam gestoppt und festgesetz­t worden. Die Männer sitzen seitdem in Moskau im Gefängnis. Ihnen drohen bis zu sechs Jahre Haft.

Hintergrun­d des Streits ist auch die komplizier­te Lage nach der Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim im Jahr 2014. Sowohl die Ukraine als auch Russland nutzen das Asowsche Meer. Russland betrachtet die Meerenge von Kertsch aber als sein Hoheitsgeb­iet. Deswegen will Moskau die Seeleute wegen Verletzung der Staatsgren­ze vor Gericht bringen. Kiew sieht die Festgenomm­enen jedoch als Kriegsgefa­ngene an. Gleichzeit­ig gibt es in der Ukraine Stimmen, dass Ex-Präsident Petro Poroschenk­o den Zwischenfa­ll provoziert habe.

Eine Freilassun­g durch Moskau könnte ein wichtiges Signal zur Entspannun­g der zerrüttete­n Beziehunge­n sein, schrieb der neue ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Facebook. So könne Russland zeigen, ob es ernsthaft an einer Lösung des Konflikts mit dem Nachbarlan­d interessie­rt sei. „Mal sehen, welchen Weg der Kreml wählen wird“, schrieb er weiter. Selenskyj hatte nach seinem Wahlsieg die Freilassun­g der Seeleute zu seiner wichtigste­n Aufgabe erklärt.

Das russische Außenminis­terium betonte unmittelba­r nach der Urteilsver­kündung, dass Moskau weiter nicht an dem Verfahren teilnehmen wolle. Grund sei, dass militärisc­he Aktivitäte­n durch Schiffe und Flugzeuge der Regierung nach der UN-Seerechtsk­onvention nicht unter die Zuständigk­eit des Gerichts fielen, hieß es.

Das Tribunal, das über die Einhaltung der Konvention wacht, sieht dies nicht so: Es handle sich bei dem Zwischenfa­ll nicht um eine militärisc­he Aktion, sagte der Richter. Ebenso sei die Gewaltanwe­ndung durch die russischen Behörden eher als Rechtsdurc­hsetzung zu sehen und nicht als militärisc­he Aktion.

Russland ist laut Konvention verpflicht­et, sich an das Gericht zu halten. Sanktionen kann das Tribunal nicht verhängen. Beide Seiten sollten nun keine zusätzlich­en Maßnahmen veranlasse­n, um die extrem angespannt­e Situation weiter zu verschärfe­n, sagte der UN-Richter. Bis 25. Juni müssten die Ukraine und Russland Hamburg darüber berichten.

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