„Spiegel“geht in sich
Medien Nach der „Relotius-Affäre“wird in Redaktion und Verlag alles infrage gestellt
Hamburg Es ist gut fünf Monate her, dass der Fälschungsfall um den Reporter Claas Relotius bekannt wurde. Der Spiegel hat Aufklärung versprochen und nun einen Abschlussbericht zu der Affäre vorgelegt. Die 17 Seiten umfassende Analyse wurde im gedruckten Heft und online veröffentlicht, nachdem eine Kommission den Fall untersucht hat.
„Die gute Nachricht: Es wurden keine Hinweise darauf gefunden, dass jemand im Haus von den Fälschungen wusste, sie deckte oder gar an ihnen beteiligt war“, schrieben Chefredakteur Steffen Klusmann und Verlagsgeschäftsführer Thomas Hass. Redaktions- und Verlagsspitze gaben zu, dass der Spiegel von Relotius in einem Ausmaß Fehler gemacht habe, das gemessen an den Maßstäben des Verlages unwürdig sei. Nachdem es bereits personelle Konsequenzen gegeben habe, soll eine unabhängige Ombudsstelle eingerichtet werden, die künftig möglichen Hinweisen auf Ungereimtheiten in Beiträgen nachgehen soll. Außerdem will der Spiegel seine Recherche-, Dokumentations- und Erzählstandards überarbeiten. „Es gibt nichts, was wir nicht infrage stellen“, sagte Klusmann.
Dem Magazin zufolge waren seit 2011 rund 60 Texte im Heft und bei Spiegel Online erschienen, die der dem Gesellschaftsressort zugeordnete Journalist geschrieben hat oder an denen er beteiligt war. Darin hatte Relotius zum Teil Protagonisten und Szenen erfunden. Klusmann kündigte an: „Das Gesellschaftsressort werden wir umorganisieren.“
Die Kommission bestand aus der freien Journalistin und früheren Chefredakteurin der Berliner Zeitung, Brigitte Fehrle, dem kommissarischen Blattmacher Clemens Höges und dem Spiegel-Nachrichtenchef Stefan Weigel. Sie hatten Gespräche geführt, Mails ausgewertet und sind Hinweisen aus der Redaktion und von außerhalb nachgegangen.