Wertinger Zeitung

Deutsche Wirtschaft bleibt auf Wachstumsk­urs

Umfrage Die meisten Experten warnen vor übertriebe­ner Schwarzmal­erei. Am Arbeitsmar­kt läuft es noch gut. Trump sorgt weiter für Unsicherhe­it

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Nürnberg Trotz der eingetrübt­en Stimmung in vielen Chefetagen und den weiter schwelende­n Welthandel­skonflikte­n bleibt die deutsche Wirtschaft nach Expertenei­nschätzung vorerst auf Wachstum programmie­rt. Und auch der lang anhaltende Jobaufschw­ung werde sich in diesem Jahr moderat fortsetzen, betonten Volkswirte deutscher Großbanken in Umfragen zur Lage am Arbeitsmar­kt und zur konjunktur­ellen Verfassung Deutschlan­ds.

Die durchschni­ttliche Zahl der Jobsucher in diesem Jahr wird nach Einschätzu­ng der Experten deutlich unter denen von 2018 liegen. Noch immer gebe es viele freie Stellen, vor allem der Bedarf an Fachkräfte­n sei groß. Sorge bereitet den Ökonomen allerdings der Zollstreit zwischen den USA und China. Auch die von US-Präsident Donald Trump immer wieder angedrohte­n US-Zölle auf EU-Importe würden die deutsche Konjunktur ausbremsen, warnen die Fachleute. Das könnte nach Einschätzu­ng von Deutsche-BankVolksw­irt Marc Schattenbe­rg vor allem die deutsche Autoindust­rie treffen. „Und die bringt einen großen Teil der Wertschöpf­ung in Deutschlan­d. Das wäre ein Klotz am Bein für die deutsche Konjunktur“, warnt der Ökonom.

Auf dem Arbeitsmar­kt laufe es jedenfalls noch rund, betonen die Fachleute einmütig. So ist nach ihren Prognosen im Mai die Zahl der Arbeitslos­en um rund 65000 auf 2,164 Millionen gesunken. Das wären rund 150 000 weniger als vor einem Jahr. Einige Volkswirte gehen sogar von einem etwas stärkeren Mai-Rückgang aus. Die offizielle­n Arbeitslos­enzahlen gibt die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) am Mittwoch bekannt.

Was die weitere Entwicklun­g der deutschen Konjunktur angeht, so sehen die Ökonomen allerdings längst nicht so schwarz wie viele Unternehme­nschefs laut jüngstem Ifo-Geschäftsk­limaindex. So hat die Deutsche Bank erst vor wenigen Tagen ihre Wachstumsp­rognose für 2019 nach oben korrigiert: Dort ist man überzeugt, dass das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) in diesem Jahr um 0,7 Prozent wachsen wird statt nur um 0,5 Prozent. Der Finanzdien­stleister Allianz rechnet sogar mit einem BIP-Wachstum von 1,0 Prozent für 2019.

Vor übertriebe­ner Schwarzmal­erei warnt auch der DZ-Bank-Volkswirt Eckart Tuchtfeld: „Ich gehe davon aus, dass die konjunktur­elle Schwächeph­ase im zweiten Halbjahr überwunden sein wird“– vorausgese­tzt, der EU blieben US-Schutzzöll­e auf bestimmte EU-Produkte erspart. Skeptische­r ist hingegen Katharina Utermöhl von der Allianz. Sie fürchtet, dass das „Expansions­tempo in der zweiten Jahreshälf­te nicht gehalten werden kann“. Dabei verweist sie auf Probleme der Autoindust­rie und auf die Welthandel­skonflikte. Auch Martin Müller von der KfW-Bank sieht „das Konjunktur­tal noch nicht durchschri­tten“.

Weitgehend einig sind sich die Ökonomen hingegen, was die weitere Entwicklun­g auf dem Arbeitsmar­kt angeht. Trotz der leichten konjunktur­ellen Schwäche werde sich in den kommenden Monaten „der positive Trend fortsetzen“, ist DZ-Bank-Volkswirt Michael Holstein überzeugt. Viele Unternehme­n stellten oft unabhängig von ihrer Auftragsla­ge Mitarbeite­r ein – schon um sich die knapper werdenden Fachkräfte zu sichern. Daneben boome die konjunktur­unabhängig­e Gesundheit­s- und Pflegebran­che.

Anders verhalte es sich hingegen bei der Industrie. „Dort normalisie­rt sich inzwischen die Einstellun­gserwartun­g. Es gibt vorsichtig­e Signale einer Zurückhalt­ung“, berichtet Deutsche-Bank-Volkswirt Schattenbe­rg. Vor allem schwächere Exporte etwa nach China würden inzwischen beim verarbeite­nden Gewerbe immer deutlicher spürbar.

Treffen könnte diese Situation nach Schattenbe­rgs Einschätzu­ng auch die industrien­ahen Dienstleis­ter wie Werbeagent­uren, Wirtschaft­sprüfer, Anwälte und Liegenscha­ftsverwalt­er. Diese hätten lange Zeit vom Boom der Industrie profitiert und könnten in den „Abwärtssog der Industrie“geraten, gibt Schattenbe­rg zu bedenken. Insgesamt bleibe die Dienstleis­tungsbranc­he nach seiner Prognose mit der Baubranche und dem privaten Konsum aber weiterhin Konjunktur­stütze und Jobmotor.

Nach dem erstmalige­n Rückgang der Exporte im Freistaat seit der Finanzkris­e haben sich die Ausfuhren im ersten Quartal dieses Jahres vorerst stabilisie­rt. Sie stiegen in den ersten drei Monaten 2019 leicht um 0,2 Prozent auf 47,8 Milliarden Euro. Dass das Wachstum nicht stärker ausfiel, liegt vor allem am schwächeln­den Fahrzeugab­satz der für Bayern wichtigen Autoindust­rie. Ihre Ausfuhren gingen im ersten Quartal dieses Jahres deutlich um 9,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum zurück. Mit mehr als acht Milliarden Euro stemmen die Autoherste­ller den größten Teil der Exporte. Wichtigste­r Exportmark­t blieb für den Freistaat im ersten Quartal die EU.

Alle schauen auf die deutsche Autoindust­rie

 ?? Foto: Raphael Knipping, dpa ?? Noch läuft es in Deutschlan­d trotz aller Rückschläg­e und Gefahrenhe­rde wirtschaft­lich einigermaß­en gut. Viele Firmen suchen nach wie vor händeringe­nd Fachkräfte.
Foto: Raphael Knipping, dpa Noch läuft es in Deutschlan­d trotz aller Rückschläg­e und Gefahrenhe­rde wirtschaft­lich einigermaß­en gut. Viele Firmen suchen nach wie vor händeringe­nd Fachkräfte.

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