Wertinger Zeitung

Späte Genugtuung

Leichtathl­etik Mit sieben Jahren Verspätung bekommt Betty Heidler ihre olympische Silbermeda­ille. Die Siegerin hatte gedopt

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Frankfurt am Main Nach der feierliche­n Zeremonie gab’s für Betty Heidler sogar noch ein kleines bisschen Gold. IOC-Präsident Thomas Bach klappte eine Schatulle auf und überreicht­e der früheren Hammerwerf­erin ein zierliches Halskettch­en mit den fünf Ringen. Die Silbermeda­ille von den Sommerspie­len 2012 in London hing da schon unübersehb­ar an ihrem Hals. So hatte noch nie eine deutsche Sportlerin Edelmetall bekommen.

Nicht nur für die Ex-Weltmeiste­rin und Weltrekord­lerin war die nachträgli­che Zeremonie beim Deutschen Olympische­n Sportbund in Frankfurt am Main etwas Ungewöhnli­ches. „Es überwiegt tatsächlic­h die Freude. Ich bin wirklich beeindruck­t, wie anders die Farbe ist. Ich glaube, es ist ein Komplettta­usch“, sagte die strahlende Heidler. Die 35-Jährige wurde sieben Jahre nach den Sommerspie­len von London geehrt, weil die damalige Siegerin Tatjana Lyssenko später wegen Dopings disqualifi­ziert worden war. Die Russin war im Zuge von Nachkontro­llen eingelager­ter Proben aufgefloge­n und ist als Wiederholu­ngstäterin – ihr waren auch schon mal Weltrekord­e wegen Dopings annulliert worden – für acht Jahre bis 2024 gesperrt worden. Damit rückte die drittplatz­ierte Heidler vor. In London hatte die Berlinerin, die damals für die LG Eintracht Frankfurt startete, nach einem nervenaufr­eibenden Wettkampf mit einem später korrigiert­en Messfehler Bronze gewonnen. Daraus ist nun endgültig Silber geworden. Die Polin Anita Wlodarczyk wurde nachträgli­ch Olympiasie­gerin. Heidlers frühere Klub-Kollegin Kathrin Klaas rückte vom fünften auf den vierten Platz vor.

Bach, der damals in London noch als DOSB-Präsident Heidler die Medaille für den dritten Platz übergeben hatte, sagte: „Es sind zwiespälti­ge Gefühle heute. Es tut mir leid für dich, dass diese Ehrung heute stattfinde­t – und ich freue mich für dich, dass diese Ehrung heute stattfinde­t.“

Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) hat inzwischen die Rahmenbedi­ngungen für nachträgli­che Medaillenv­ergaben festgelegt, um einen würdigen Rahmen zu garantiere­n. Die sechs Optionen reichen von einer Ehrung bei den nächsten Olympische­n Spielen bis hin zu einer Privatfeie­r. Heidler entschied sich für die Ehrung beim DOSB, mit Familienmi­tgliedern, Freunden, Wegbegleit­ern wie ihrem langjährig­en Trainer Michael Deyhle und zahlreiche­n Spitzenfun­ktionären. Die Olympische Hymne erklang, und ein Spruch von IOC-Begründer Pierre de Coubertin stand als Motto auf einem großen Foto der Hammerwerf­erin: „Heute muss man Geschichte mit dem Bleistift schreiben. Es lässt sich leichter radieren.“

„Es war ein sehr schöner und würdiger Rahmen“, sagte Leichtathl­etik-Bundestrai­ner Idriss Gonschinsk­a. „Natürlich macht die Situation auch nachdenkli­ch.“

Heidlers Gemütslage war ähnlich. Sie sagte: „Heute endlich die richtige Medaille in Händen zu halten, ist ein gutes Gefühl. Und sie von IOCPräside­nt Thomas Bach persönlich überreicht zu bekommen, ehrt mich außerorden­tlich. Auf der anderen Seite hoffe ich dringend, dass ein weiter verbessert­er Anti-DopingKamp­f dazu führt, dass nachträgli­che und späte Korrekture­n gar nicht mehr erforderli­ch werden.“

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Foto: Andreas Arnold, dpa Weil die Olympiasie­gerin nachträgli­ch des Dopings überführt wurde, verbessert­e sich Betty Heidler von damals Bronze zu jetzt Silber.

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