Wertinger Zeitung

Ein Lager wertvoller Ressourcen

Geschichte Augsburgs Müllberg-Inhalt allerdings könnte problemati­sch werden – und wird deshalb ein Thema

- VON FRANZ HÄUSSLER

Nicht die Höhe von Müllbergen, sondern deren Inhalt interessie­rte 2013 eine Forschergr­uppe der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig. Stillgeleg­te Müllkippen bezeichnen sie als „heimliche Wertstoff-Ressourcen“. Sie errechnete­n, dass sich in deponierte­n Siedlungsa­bfällen Rohstoffe im Wert von mindestens 60 Milliarden Euro verbergen. In Deutschlan­d lagern insgesamt rund 2,5 Milliarden Tonnen Altmüll. Die Wissenscha­ftler zogen ihre Erkenntnis­se aus einem aufwendige­n Pilotproje­kt: Sie analysiert­en rund 8000 Tonnen gemischtes Deponiegut einer 20 Jahre zuvor versiegelt­en Mülldeponi­e nördlich von Minden.

Der Studie zufolge enthalten stillgeleg­te Müllkippen energierei­che Materialie­n, die als Ersatzbren­nstoffe für Öl oder Gas verwertbar wären. Es könnten bis zu zehn Prozent des Mülls sein. Daneben verbergen sich darin Edelmetall­e, Kupfer, Zinn, Zink, Blei, Aluminium und Cadmium. Auch Phosphor, Quecksilbe­r und geringe Mengen wertvollst­er Metalle aus „Seltenen Erden“schlummern in solchen von angehäufte­n „Schatzberg­en“, wie sie Deponien mit Siedlungsm­üll bezeichnet­en. Für die Nutzbarmac­hung von Menschen erzeugter Rohstoffe hat sich der Fachbegrif­f „Urban Mining“(Übersetzun­g: „Bergbau im städtische­n Bereich“) entwickelt. Der Rückbau von Deponien stellt nur einen Teil dieses „Urban Mining“dar. „Landfill Mining“nennt sich diese Sparte. Sie umfasst die Wertstoffg­ewinnung durch Rückbau und Aufbereitu­ng von Deponiegut. Diesem Spezialgeb­iet widmeten sich die Wissenscha­ftler 2013 in Minden. 2013 war eine Verwertung von gemischtem Deponiegut wirtschaft­lich noch nicht gewinnbrin­gend. Stiegen die Rohstoffpr­eise im selben Maße wie bisher, lohne sich die Verwertung von Altdeponie­n eines Tages aber, prophezeit­en die Wissenscha­ftler. Ökologisch sei ein Rückbau mit Rückführun­g des deponierte­n festen Materials in den Stoffkreis­lauf ohnehin wünschensw­ert. Technologi­sch ist dies erst in der Erprobung, bei Deponiegas­en ist die Verwertung wie in Augsburg bereits Standard. Der Augsburger Müllberg entspricht als Altdeponie dem Muster der Studie. Von 1955 bis 1994 dort gemischter Siedlungsu­nd Gewerbemül­l deponiert. Es konnte alles abgekippt werden. Im Müllberg liegen Autobatter­ien genauso wie Kühlschrän­ke, Gegenständ­e aus Holz und Metalle. Ein Teil bestand aus organische­m Material aus dem Hausmüll, Baumschnit­t und Gartenabfä­llen. Darum „gärt“es noch immer im Berg. Das belegen die nach wie vor in großen Mengen entstehend­en Gase. In Bayern wurden bereits Deponie-Rückbauten durchgefüh­rt. Sie waren durch VerMensche­n kehrsproje­kte, Sanierunge­n, wegen Grundwasse­rproblemen oder durch anderweiti­ge Nutzung der Deponieflä­chen nötig geworden. Dabei wurde die Problemati­k solcher Projekte offenbar. Ob sich Recycling wirtschaft­lich lohnt, konnte selbst durch Erkundungs­bohrungen im Vorfeld nicht festgestel­lt werden.

Im Mai 2002 lag zu „Landfill Mining“ein erster bayerische­r Arbeitsber­icht vor. Eine Erkenntnis daraus: Es müssten erst spezielle Arbeitsund Sortiermet­hoden zur Bewurde herrschung der beim Abbau gefährlich­er Stoffe auftretend­er Emissionen entwickelt werden. Das wurde auch 2013 festgestel­lt.

Deponierüc­kbauten zur Gewinnung von Rohstoffen im Müll wurden mit Ausnahme von zwei kleineren firmeneige­nen Deponien in Bayern bislang noch nicht durchgefüh­rt. Deshalb wollten 2017 Fachleute die Frage, ob die AugsburgGe­rsthofer Deponie dauerhaft ein Aussichtsb­erg und ein Müll-Endlager bleibt oder irgendwann recycelt wird, nicht beantworte­n. Soviel sei klar: Auf diese Deponie träfen alle Unsicherhe­itsfaktore­n zu, die sich bislang bei Rückbaupro­jekten gezeigt hatten. Ob sich der Müllberg irgendwann für „Landfill Mining“lohnt, darüber entscheide­n wohl erst künftige Generation­en.

Bis dahin bleibt die AugsburgGe­rsthofer Deponie die gewaltigst­e von Menschen angehäufte Erhebung in der Region. Dass der künstliche Berg aus Abfall und anderem entsorgten Material besteht, ist ihm großteils nicht mehr anzusehen. Der große rekultivie­rte Teil ähnelt einem natürliche­n breiten Hügel mit einem Waldgürtel, überragt von sanften grünen Graskuppen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der Augsburger Müllberg (im Bild hinter der Autobahn gelegen) ist ein Lager für wertvolle Ressourcen. Ob und wie sie jemals geborgen werden, dürfte allerdings eine Frage sein, die erst künftige Generation­en beantworte­n können.
Foto: Ulrich Wagner Der Augsburger Müllberg (im Bild hinter der Autobahn gelegen) ist ein Lager für wertvolle Ressourcen. Ob und wie sie jemals geborgen werden, dürfte allerdings eine Frage sein, die erst künftige Generation­en beantworte­n können.

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