Mehr sehen – mit der Nase
Glaubt man den Hellsehern und Propheten dieser Branche, so wird das Kino der Zukunft ziemlich dufte. Geruchskino, verkündete letztens eine Expertin der „Deutschen Kinemathek“, könnte gegen schwindende Umsätze und klamme Kinokassen helfen. Düsen versprühen dabei Düfte im Saal, die den Zuschauer im passenden Moment umhüllen. Das soll für Kino begeistern. Aber nun Hand aufs Herz oder Nasenklammer auf den Riechkolben: Würden Sie bei „Jurassic Park“, wenn Tyrannosaurus rex Sie anfaucht und allein der Blick auf sein Gebiss Ihre Knie zittern lässt, auch noch den Mundgeruch des sabbernden Echsentiers riechen wollen? Denken wir weiter. Bei Bergsteigerdramen könnten Kinos die Raumtemperatur – fürs körperliche Kompletterlebnis – unter den Gefrierpunkt dimmen. Zu „Leberkäsjunkie“reicht eine Servicekraft dagegen Fleischkäsebrötchen für Geschmackserfahrung. An den „Schweinskopf al dente“wollen wir hier nicht denken.
Die Leinwand im Kino der Zukunft reicht um den Zuschauer rundherum, 360 Grad, das besagt das Szenario. Und dazu dürfen auch die Sitze wackeln, wenn es im Film rumpelt. Vor Action-Streifen erscheint künftig die Mahnung: Nichts für Menschen mit künstlichem Hüftgelenk. Auch Allergiker seien gewarnt. Wenn „Heidi“über eine vollblühende Alpenwiese tanzt – wer kann dann noch verstehen, was der Almöhi ruft, wenn das halbe duftumwölkte Kino niesen muss?
3D-Filme scheinen sich nicht durchzusetzen, ihr Marktanteil sinkt seit 2015. Nun sollen Düfte also Wirklichkeit erzeugen? Auch hier darf man skeptisch sein. Kino dreht sich selten um die perfekte Illusion. Kino bedeutet Filmtheater und Theater bedeutet mehr als Nachahmung. Meistens ist es besser, wenn Filmwelten, Universen, ja auch Dinosaurierdüfte im Kopf entstehen – und nicht in der Nase.