Mit allen Mitteln für das Klima
Blockade Am Montag wollen Aktivisten den Verkehr in Berlin lahmlegen. Die friedlichen Demonstrationen könnten in gewaltsame Aktionen umschlagen
Berlin Laufen die Klimaproteste aus dem Ruder? Für Montag ruft die Bewegung „Extinction Rebellion“nicht mehr nur zu Kundgebungen auf, sondern auch zu Straßenblockaden. Die Aktivisten wollen den Verkehr in Berlin und anderen Städten lahmlegen. Zahlreiche Prominente zeigen sich solidarisch. Doch es gibt auch Befürchtungen, dass die bislang friedlichen Proteste in Misskredit gebracht werden. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht warnt die Gruppe jedenfalls vor gewaltsamen Aktionen. „Es gehört zu den großen Errungenschaften unseres Rechtsstaats, dass man in der Öffentlichkeit friedlich für seine Überzeugungen demonstrieren darf“, sagt die SPD-Politikerin im Gespräch mit unserer Redaktion – und betont zugleich: „Dies muss aber im Rahmen des geltenden Rechts geschehen – nicht zuletzt, um weder sich noch andere zu gefährden.“
„Extinction Rebellion“bedeutet übersetzt etwa „Rebellion gegen das Aussterben“. Die Gruppe sieht sich als „internationale gesellschaftspolitische Bewegung“mit dem Ziel, „den für das Klima nötigen umfassenden und tief greifenden Wandel herbeizuführen“. In Großbritannien gegründet, haben die Aktivisten inzwischen auch in Deutschland viele Unterstützer, wie etwa in Augsburg, in Ulm und im Allgäu. Sie setzen nach eigenen Angaben auf strikte Gewaltfreiheit und doch sind sie ein anderes Kaliber als „Fridays for Future“, das vor allem von Schülerinnen und Schülern getragen wird. In Berlin etwa wurden bereits Sitzblockaden trainiert, die Teilnehmer lernten dabei auch, wie man sich von Polizisten wegtragen lässt. Seit Wochen bekleben kleine Gruppen in der Stadt Häuserwände mit dem Slogan „#Berlinblockieren“. Zu den Gründern von „Extinction Rebellion“gehört der britische Klimaaktivist Roger Hallam, der aus seinen radikalen Ansichten keinen Hehl macht. „Konventionelle Aktionsformen wie Demos, E-Mail-Kampagnen und Lobbyarbeit sind Schrott, sie haben nicht den nötigen Effekt“, sagte er dem Spiegel. Wie weit darf der Kampf gegen den Klimawandel also gehen?
Nach Erkenntnissen des badenwürttembergischen Verfassungsschutzes ist „Extinction Rebellion“nicht dem extremistischen Spektrum zuzuordnen. Es hätten sich „bislang keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben“. Auffällig wurden Angehörige der Bewegung vor allem wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. In einigen Fällen ging es auch um Nötigung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung.
Verliert die Klimabewegung ihre Unschuld? Der Politikwissenschaftler Michael Zürn will das zumindest nicht ausschließen. „Die gegenwärtigen Klimaproteste haben erkennbar eine stark gewaltfreie Orientierung“, sagt der Professor für Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin. Es gehe primär um die demokratische Auseinandersetzung mit einem Thema, weniger um die gesellschaftliche Ordnung. „Gleichzeitig gibt es angesichts des Erfolges der Bewegung zunehmend Versuche, sie durch andere Gruppierungen zu instrumentalisieren“, warnt Zürn. „Die Frage der Abgrenzung von protestbereiten, aber eher gewaltorientierten Gruppierungen wird erhebliche Spannungen in die Klimabewegung hineintragen, sie unter Umständen sogar schwächen“, erklärt der Experte.
Eines ist „Extinction Rebellion“jedenfalls gelungen: Die Bewegung bekommt große Aufmerksamkeit. In einem offenen Brief fordern Prominente wie Regisseur Fatih Akin, die Schauspielerin Karoline Eichhorn, der Autor Rocko Schamoni und Ärzte-Schlagzeuger Bela B. Kanzlerin, Regierung und Bundestag auf, „sofort drastische Maßnahmen gegen die sich verschärfende ökologische Krise zu ergreifen“.
Im Leitartikel schreibt Stefan Lange, dass Gewalt keine Lösung ist. In der Politik erfahren Sie mehr über die Bewegung.
„Die Frage der Abgrenzung von eher gewaltorientierten Gruppierungen wird erhebliche Spannungen in die Klimabewegung hineintragen.“
Der Politologe Michael Zürn